Ein leises Schwanken des Schiffes verriet, daß die offene See erreicht war. Stärker wurde das Spiel der Schrauben und schneller die Fahrt.
Das Achterdeck war leer. Am hintersten Teil neben dem Flaggenstock lehnte sich Rudi über die Reling und blickte auf das Schraubenwasser. Der schaumige Wasserstreifen war durchsetzt von unzähligen Lichtflecken. Seequallen waren es, die die Schrauben bei jeder Umdrehung zu Hunderten emporwirbelten und zum Leuchten reizten. Rudi vergaß Zeit und Raum über diesem Schauspiel.
Da traf unversehens ein schwerer Schlag seine Schläfen, die Sinne schwanden ihm.
Ein Gefühl der Kühle war die erste Empfindung, die er wieder hatte. Wasser war um ihn! Unwillkürlich machte er Schwimmbewegungen. Wo war er? Weit vor ihm waren der Rumpf und die Rauchfahne der »Usakama« zu erkennen. Weites Meer um ihn herum, das sich in langer Dünung hob und senkte. Hinter ihm die Molenlichter von Port Said. Dies war wenigstens ein Richtpunkt in der Wasserwüste, eine Möglichkeit der Rettung, wenn es ihm gelang, die Mole zu erreichen. Doch eine lange Strecke war es bis dorthin. Würden seine Kräfte reichen? Gab es etwa Haifische? Im Hafen von Port Said hatte er welche gesehen. Waren sie auch hier, im offenen Meer, dann …
Rudi war ein tüchtiger Schwimmer. Geschickt entledigte er sich der Kleidung, soweit sie ihm hinderlich war, und begann in langen, kraftsparenden Stößen auf das Molenlicht zuzuschwimmen. Stunden verrannen darüber. Nur noch matt und mechanisch führte, sein Körper die Bewegungen aus, während sein Geist abzuirren begann. Schon zeigte sich im Osten der schwache Schein kommender Dämmerung. Noch war er dem Molenfeuer nicht näher gekommen, es schien ihm sogar ferner denn je zu sein. Zu heftig war die Meeresströmung, die ihn abtrieb. Dunkel und traumhaft wurden Rudis Gedanken. Kaum fühlte er noch, wie seine Kräfte nachließen. Ein paar Schwimmstöße, eine Spanne wohliger Müdigkeit – jetzt sich wegsacken lassen, den Seemannstod sterben!
Die Flut ging bereits über seinen Kopf hinweg. Noch einmal riß er sich in einem letzten Aufflackern des Selbsterhaltungstriebes zur Oberfläche des Wassers empor. Dann schwanden ihm die Sinne.
Um acht Uhr morgens meldete Rasati dem Ersten Offizier der »Usakama«, daß der Steward Rudi Wagner vermißt werde.
2 Zurück nach Hamburg
In Port Said suchte Gransfeld den deutschen Konsul auf und besprach mit ihm die Vorfälle in Syut: das Fehlen der wertvollen Statuette, die Besuche des rätselhaften Griechen, die Todesursache seines Oheims, die Möglichkeit einer Vergiftung.
Der Konsul schüttelte den Kopf. »Das Gesindel der ganzen Welt ebenso wie die beste Gesellschaft der ganzen Welt kommen hierher. Sie wundern sich darüber, daß Ihr Oheim derartige Mengen von Rauschgift in seinem Besitz haben konnte? Verehrtester Herr Doktor, wenn Sie wüßten, wie dieser verbotene Handel hier blüht! In Alexandria und Kairo können Sie das Zeug beinahe offen auf der Straße kaufen. Läuft in Port Said oder Alexandria ein Dampfer von Europa ein, dann gibt es jedesmal einen Höhepunkt in diesem unsauberen Geschäft. Trotz allen Anstrengungen ist die ägyptische Polizei machtlos dagegen. Ich halte es auch für unmöglich, Herr Doktor, in Ihren Angelegenheiten mit Hilfe der Polizei etwas zu ermitteln.
1 comment