»Besser Delphine als Haie.«
»Haie? Gibt’s die hier auch?« fragte Gransfeld.
»Leider! Die Biester müssen durch den Suezkanal kommen. Im Hafen von Port Said wimmelt es manchmal davon. Ich möchte niemand empfehlen, dort über Bord zu fallen.«
»Es sind wohl nur Katzenhaie und keine richtigen Menschenhaie?«
»Ob Katzenhai oder Menschenhai soll mir gleich sein. Beißen tun alle beide. – Doch jetzt haben wir hier genug geschmort. Gehen wir lieber nach hinten in kühlere Gegenden!«
»Sie wollen Ihren Onkel in Syut besuchen?« setzte Doktor Lüders auf dem Rückwege die Unterhaltung fort. »Ich habe inzwischen allerlei über ihn gehört. Das muß ja ein ganz bedeutender Herr sein, Chefingenieur der Egyptian Irrigation Company, Leiter sämtlicher Bewässerungsarbeiten im Abschnitt Syut, schon seit langem dort tätig, dabei unverheiratet. Nach meiner Schätzung muß der Mann ein Vermögen zurückgelegt haben. So einen Erbonkel könnte ich auch brauchen.«
Gransfeld machte eine abweisende Bewegung. »Ich wünsche meinem Onkel ein langes Leben. Leider ist seine Gesundheit nicht die beste, seitdem er vor zwei Jahren einen Unfall auf einer Baustelle hatte. Ein Sturz, der an sich gar nicht so gefährlich war, aber die Aufregung, die Nervenerschütterung. Obwohl ich Arzt bin, kann ich mir kein klares Bild machen. Jedenfalls muß der Unfall ein anderes Leiden, das innerlich schon vorhanden war, zum Vorschein gebracht haben.«
»Das wäre nicht das erstemal«, warf Doktor Lüders ein. »Jeder Europäer, der jahrzehntelang in subtropischem Klima lebt, hat mehr oder weniger einen Knacks weg. Wenn Ihr Onkel noch etwas von seinem Leben haben will, sollte er die Irrigation Company sich selbst überlassen und schleunigst nach Deutschland zurückkehren.«
»Das wird schwerhalten, Kollege. Er hängt mit Leib und Seele an seinem Beruf. Aber ich will versuchen, in diesem Sinne auf ihn zu wirken.«
Sie waren in ihrer Unterhaltung bis zum Heck des Schiffes gekommen. Hier war ein Sonnensegel gespannt, in dessen Schatten ein Teil der dienstfreien Schiffsbesatzung Ruhe und Erfrischung suchte.
»Il dolce far niente, das süße Nichtstun«, meinte Doktor Lüders, »hier lernen sie’s alle. Nicht nur die Levantiner und Griechen, die wir unter der Besatzung haben, auch unsere Hamburger geben sich dieser Beschäftigung mit lobenswerter Ausdauer hin. Sehen Sie mal unsern kleinen Steward da, den Rudi! Ein Berliner Junge übrigens, ein fixes Kerlchen. Macht schon seine achte Reise mit der ›Usakama‹. Der hat sich da wie ein Igel hinter dem Rettungsboot zusammengerollt. Geschickt, wie er sich den Platz gesucht hat! Liegt im Bootschatten und hat das bißchen Seebrise aus erster Hand. – Na, Rudi, mein Sohn, bald wird die Glocke schlagen, die dich zu neuen Taten ruft! – Sein Chef Rasati, der Obersteward, ist übrigens ein ziemlich brutaler Kerl.« Lüders wandte sich wieder an Gransfeld. »Der wird sacksiedegrob, wenn seine Leute nicht pünktlich zum Dienst kommen. Er ist übrigens auch ein Levantiner, aber in Zug hält er seine Kolonne, das muß der Neid ihm lassen.«
Sie waren an dem letzten Rettungsboot vorbei bis an die Heckreling gekommen und blickten eine Weile auf das schaumige Schraubenwasser, das sich kilometerweit auf dem ruhigen blauen Seespiegel verfolgen ließ.
»Hier könnten wir Haie sehen, wenn welche da wären«, meinte Doktor Lüders. »Das Viehzeug ist gefräßig; es bleibt immer hinter dem Schiff, um jeden Abfall zu erwischen, den der Koch über Bord wirft.«
»Weiter, Kollege! Unsere tausend Schritte sind noch nicht um.« Gransfeld suchte zur Fortsetzung des Spazierganges zu ermuntern.
Doch Lüders lehnte sich behaglich mit dem Rücken an den Stock der Heckflagge. »Einen Augenblick noch! In zwei Minuten muß die Glocke die neue Wache schlagen.
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