Ich möchte gern sehen, wie die Leutchen hier mobil werden.«

So blieben sie stehen. Außer Gransfeld befanden sich nur noch zwei Fahrgäste der ersten Klasse auf dem Achterdeck. In ein eifriges Gespräch vertieft standen sie dicht neben dem letzten Backbordrettungsboot. Gransfeld warf einen Blick dorthin und fragte Lüders: »Was sind das für Leute? Die sind mir schon aufgefallen.«

»Fahrgäste wie Sie und viele andere. Nur die Schiffsliste kennt ›Nam und Art‹; aus der kann ich’s Ihnen verraten. Der Lange mit der Schirmmütze ist ein Schotte, ein Mister Morton aus Edinburg, der andere, kleinere, namens van Holsten, stammt irgendwoher aus dem Lande der Mynheers. Engländer, Holländer, Levantiner und so weiter, wir führen alles an Bord, was Sie wünschen. Wenn ich mich nicht irre, habe ich die beiden schon einmal auf einer früheren Fahrt an Bord der ›Wadoni‹ gesehen.«

»Merkwürdig!« warf Gransfeld ein.

»Durchaus nicht, Kollege. Gewisse Leute werden Sie immer wieder auf bestimmten Schiffsstrecken treffen. Das hängt wohl mit ihren Geschäften zusammen.«

In diesem Augenblick schrillte die elektrische Glocke. Sofort sprang Rudi, der junge Steward, der unmittelbar neben den beiden Fahrgästen gelegen hatte, auf und wollte zum Dienst eilen. Erst jetzt, wie erschreckt, bemerkten diese seine Anwesenheit. Der Holländer packte ihn am Rockärmel und fuhr ihn grob an: »Qu’est-ce que vous avez fait ici?«

Während der Gefragte noch mit der Antwort zögerte, mischte sich der lange Schotte dazwischen und wiederholte die Frage: »What did you do here?«

Rudi antwortete englisch: »Ich habe hier geschlafen und höre eben das Signal, daß ich zum Dienst kommen muß.«

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«

»Ich verstand nicht, was der andere Herr auf französisch sagte«, entschuldigte sich Rudi und wollte weitergehen.

Wütend sprang der Schotte ihm nach und versetzte ihm einen Schlag, der ihn fast zu Fall brachte. Schreck und Entrüstung erpreßten dem Getroffenen einen lauten Schrei. Augenblicklich hatte Rudi sich umgedreht, die Fäuste geballt, die Arme angezogen, bereit, jedem weiteren Angriff auf Boxerweise zu begegnen.

Morton zog es vor, sich zurückzuziehen, während er laut schimpfte. »Ich will dich lehren, hinter den Fahrgästen her zu spionieren und fremde Gespräche zu belauschen!«

Gransfeld und Lüders waren inzwischen hinzugekommen, um der Szene ein Ende zu machen. Auf einen Wink des Schiffsarztes ging der Steward ruhig fort.

»Mr. Morton«, wandte sich Doktor Lüders in gutem Englisch an den Schotten, »es ist nicht erlaubt, Leute der Besatzung zu schlagen. Wenn Sie glauben, Grund zu einer Beschwerde zu haben, wollen Sie diese gefälligst an der zuständigen Stelle, das heißt beim Kapitän, vorbringen!«

Den Herren Morton und van Holsten war das Dazwischentreten des Schiffsarztes offenbar peinlich, peinlicher vielleicht noch der scharfe, durchdringende Blicke, mit dem Gransfeld sie während der ganzen Zeit musterte. Verlegen wandten sie sich ab, während Lüders und Gransfeld nach dem Promenadendeck gingen.

»Die beiden Herren haben mir von allem Anfang an nicht gefallen«, sagte Gransfeld. »Weiß der Kuckuck, woran das liegt! Ich fühle eine unwillkürliche Abneigung. Dabei sind es eigentlich ganz gewöhnliche Durchschnittsgesichter. Aber die Roheit gegen den Jungen – warum, weshalb?«

»Viel Scharfsinn gehört nicht dazu, Kollege, um das zu erraten. Der Mister und der Mynheer haben sich wohl über Dinge unterhalten, die kein Dritter hören soll. Wer weiß, was für dunkle Geschäfte die betreiben! Ihr schlechtes Gewissen hat unserm Freunde Rudi unverdientermaßen zu einem blauen Fleck verholfen. Na, das kann bei der Seefahrt schon mal vorkommen!« —

Wie ein Purpurball war die Sonne versunken. Nur noch kurze Zeit leuchtete das Meer im Westen in roten und goldenen Tönen. Schnell kam die volle Dunkelheit der Nacht. In stillem Glanz schimmerte das Firmament, während eine leichte Westbrise Kühlung brachte.

Die Abendmahlzeit war vorüber. Auf dem Promenadendeck hatte Gransfeld es sich bequem gemacht und sich ein Bier bestellt.