Saftig grün war alles Land um die Kanäle herum, das er vor fünfundzwanzig Jahren als trostlose Sandwüste vorgefunden hatte.

Sein Werk war das alles, das Werk Georg Gransfelds, aus dem nun schon seit Jahrzehnten ein George Gransfield geworden war, das Werk eines Deutschen, der einst in die Fremde gezogen war, um in englischen Diensten sein Können und Wissen als Ingenieur zu verwerten. Ein Menschenalter erfolgreicher Arbeit war ihm beschieden, bis vor zwei Jahren ein Sturz ihm die Gesundheit nahm.

Ein neuer Anfall ließ die Gestalt des Liegenden zusammenzucken. Mit schwacher Hand schwang er eine Glocke. Ein Tablett in den Händen, huschte der Boy herein. »Der Sahib hat befohlen?«

»Himati, gib mir die Schachtel da!« Während der Boy das Gewünschte herbeiholte, fragte Gransfield: »Was bringst du da?«

»Eine Depesche, Sahib.«

Dieser riß das Telegramm auf und überflog es. Es war eine Funkdepesche von Bord der »Usakama«. Er schob das Papier zur Seite und griff nach der Schachtel, der er zwei weiße Tabletten entnahm. Mit einem Schluck Wasser nahm er sie und blieb eine Weile regungslos liegen. Dann schien die Arznei ihm die ersehnte Linderung zu bringen. Der gespannte Ausdruck wich aus seinen Zügen. Mit neugewonnener Frische richtete er sich auf. »Wir bekommen Besuch, Himati. In zwanzig Stunden wird die ›Usakama‹ Port Said anlaufen. Übermorgen werde ich meinen Neffen hier haben. Sorge dafür, daß die Fremdenzimmer im Stande sind!«

Der Boy verneigte sich nach indischer Weise. »Es wird alles besorgt, Sahib.«

Gransfield hatte, während er sprach, einen Schlüssel aus der Tasche gezogen, den er dem Inder hinhielt. »Die Statuette, Himati! Stelle sie mir hierhin!«

Kurz darauf kehrte der Boy aus dem Nebenraum zurück. In seinen Armen trug er eine etwa zwei Fuß hohe Statuette aus grünlich geädertem Nephritstein. Behutsam stellte er das Bildwerk auf das Tischchen vor seinem Herrn hin und verließ die Veranda.

Lange ruhten Gransfields Blicke auf der Statuette, einem Bildnis des Sethos, den die Griechen Sesostris nannten. Die Meisterhand eines Künstlers hatte vor mehr als dreitausend Jahren die Züge des gewaltigen Herrschers aus dem harten Stein gebildet. Noch jetzt schienen diese Mienen zu leben, schien dieser befehlsgewohnte Mund zu sprechen.

Gransfield gedachte des Tages, an dem ein Händler aus dem Sudan ihm das Kleinod brachte. Fast Wort für Wort kam ihm die Verhandlung wieder ins Gedächtnis, die er damals mit dem zähen Araber zu führen hatte. Erst nach vielem Hin und Her war es ihm geglückt, das Bildnis für eine Summe zu erwerben, die auch für das Einkommen des hochbesoldeten Chefingenieurs der Egyptian Irrigation Company recht fühlbar war. Manche Werke altägyptischer Kunst hatte er während seines langjährigen Aufenthaltes im Pharaonenland erstehen können; diese Statue hier war die schönste und kostbarste von allen, das Schmuckstück seiner Sammlung. Während er sie noch betrachtete, kehrten die Schmerzen zurück. Mühsam richtete er sich auf. griff nach der Schachtel mit den Tabletten und nahm aufs neue von der lindernden Arznei. Arznei? War’s nicht eigentlich ein Gift, nach dem er immer wieder greifen mußte, wenn die quälenden Anfälle kamen? Ein Gift, das ihn das Unerträgliche ertragen ließ, ihm Milderung und erlösenden Schlummer brachte?

Damals, als er nach jenem Unfall in Kairo im Hospital lag, als die Schmerzen Tage und Nächte hindurch nicht weichen wollten, hatte er die befreiende Wirkung dieses Mittels zuerst schätzen gelernt. Und dann – wie war’s später gewesen? Die zweite Dosis des Mittels begann zu wirken. Verschwunden waren die Schmerzen, und traumhaft wurden Gransfields Gedanken.