Von Südosten her blinkten die ägyptischen Leuchtfeuer. Nur wenige Stunden noch, und die »Usakama« würde im Hafen von Port Said festmachen. In allen Kabinen waren die Reisenden beim Räumen und Packen. Jene allgemeine Unruhe, die stets kurz vor der Landung auszubrechen pflegt, hatte sich an Bord eingestellt.
Vergeblich redete Lüders auf Gransfeld ein. »Keine Überstürzung, Kollege! Es dauert noch Stunden, bis wir im Hafen sind. Sie werden noch alle hier an Bord zu Abend essen.«
Gransfeld war nervös. Das Ausbleiben der Antwort auf seine Funkdepesche nach Syut beunruhigte ihn mehr, als er sich äußerlich merken ließ. War seine Depesche nicht angekommen? War sein Oheim schon auf dem Wege nach Port Said, als sie ankam? Oder war er etwa kränker geworden, so krank, daß er sie nicht beantworten konnte? Alle Möglichkeiten gingen ihm durch den Kopf, während er ruhelos über das Deck lief.
Rudi hatte in diesen letzten Stunden vor der Ankunft kaum etwas zu tun. Vergeblich bot er seine Sandwiches und Erfrischungen an. Die wenigsten dachten daran, ihm etwas abzunehmen. So setzte er sein Tablett ab, ließ sich in einen geschützten Winkel nieder und hing allerlei Gedanken nach. Er dachte daran, daß morgen Sonntag war, endlich einmal ein freier Tag für ihn nach langem Dienst. Den wollte er ausnutzen zu einer Fahrt nach Kairo oder einem Besuch der Pyramiden von Giseh. Während er derart Luftschlösser baute, ruhten seine Augen nicht. Stand da drüben bei dem Ventilatorschacht nicht sein Chef mit den beiden Fahrgästen zusammen, mit denen er gestern den Auftritt gehabt hatte? Natürlich waren sie es, der lange Engländer und der andere aus Holland. Jetzt ging Morton fort. Er wird seine Rechnung mit dem Chef klargemacht haben, dachte Rudi. Van Hülsten blieb zurück und sprach weiter eindringlich mit dem Levantiner.
Die Neugier wurde in Rudi wach. Was hatten die beiden so lange zusammen zu tuscheln? Jetzt schienen sie einig geworden zu sein und verschwanden in einem Kabinengang. Schnell sprang Rudi auf und lief bis zu dem Gang hin. Dort hinten die letzte Tür, das war die Kabine Rasatis. In diese traten sie ein.
Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür wieder. Schnell huschte Rudi an seinen alten Platz zurück. Die beiden kamen aus dem Gang heraus, erst der Levantiner, ein gutes Stück hinter ihm van Holsten. Die Aktentasche, die dieser in der Rechten trug, war sie nicht vorher viel dicker gewesen als jetzt? Nun schien sie vollkommen leer. Vor kurzem noch – deutlich erinnerte Rudi sich dessen – hatten seine Augen sie prall und voll gesehen. Übermächtig wurde die Neugier in ihm. Mancherlei hatte er auf seinen früheren Fahrten gehört. Sachen, von denen die Zollbehörde nichts wissen sollte, vertrauten Schmuggler ihren Helfershelfern unter der Schiffsbesatzung an. Diese brachten sie dann später unauffällig durch die Sperre an Land und lieferten sie am verabredeten Orte ab.
Rudi überzeugte sich, daß Rasati außer Sicht war, lief zu der Kabine hin, trat ein und drückte die Tür hinter sich ins Schloß.
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