Wo wollen Sie denn hin?«
»Nach Prescott.«
Sie schnappte nach Luft. »Nach Kanada?«
Er nickte. Das mußte sie aber erraten.
»Wo führt uns das hin - wo wir jetzt gehen, will ich sagen?« Sie sagte ihm, daß ein Weg vor ihnen lag, der zur Hauptstraße westlich von Littleberg führte.
»Ist da ein kleiner Wald - da geht der Weg quer durch?« fragte er eifrig. Überrascht gab sie zu, daß dies der Fall sei. Sie waren an das Gitter gekommen, das die Grenze des Birkenhofes bezeichnete, als er plötzlich zischte: »Nicht sprechen - niederknien!« Sie gehorchte und hörte, wie jemand sprach. Nach einer Weile sah sie das Aufflackern eines Streichholzes.
»Flach hinlegen!« Er ging ihr mit diesem Beispiel voran - und streckte sich glatt, mit dem Gesicht nach unten, ins feuchte Gras. Sie fiel neben ihm nieder, ihr Herz pochte wild.
Sie sagte sich, daß sie keine Ursache zu dieser wilden Aufregung habe, und doch spürte sie, daß Anlaß dazu vorhanden war. Gefahr lag in der Luft. Eine Ahnung dieser Gefahr ließ die kleinen Härchen an ihrem Nacken sich sträuben. Sie ertappte sich dabei, wütend auf den Weg zu blicken, und spürte, daß sie die Männer, die so sorglos auf sie zukamen, haßte. Näher und näher kamen sie. Der eine blieb stehen, um noch ein Streichholz anzuzünden. Sie waren keine zehn Meter von der Stelle entfernt, wo die beiden lagen. Sie sah einen Augenblick lang ein breites, dickes Gesicht und bemerkte in dem Aufflammen des Streichholzes einen roten Bart.
»Du hältst es anscheinend für angebracht, dich hier mit einem Brillantfeuerwerk in Szene zu setzen«, sagte ›Rotbart‹ tadelnd. »Wir hätten auch mit der Dorfkapelle herauskommen können.«
»Hm«, grunzte der andere. »Was schadet das denn? Er ist doch nicht hier …«
»Ich sag’ dir, ich hab’ ihn mit ’nem Schwarm junger Leute gesehen, alle besoffen. Wärest du in der Nähe gewesen, hätte ich ihn gehabt …«
»Mußte doch zum Bahnhof … der Schnüffler …«
Die Stimmen wurden undeutlich und schließlich zu einem Gemurmel. Dann kam ein Donnerschlag, und danach war alles still.
»Suchen sie dich?« flüsterte sie.
»Ja.«
Seine Stimme klang sicher, er schien wieder nüchtern zu werden. Als er sich erhob, blitzte es verschiedentlich am westlichen Himmel, und sie konnte das schwache Glänzen eines Gegenstandes in seiner Hand wahrnehmen. Nüchtern wäre er wohl imstande gewesen, jeder Gefahr zu begegnen, aber jetzt schwankte er noch beim Gehen.
»Komm mit deinem Fuß ja nicht an den Holzzaun«, flüsterte er. »Das hallt mächtig weit. Gibt es hier ein Gatter?«
»Etwas weiter, ja …«
»Nieder!«
Er hatte den schwachen Schein einer brennenden Zigarette erspäht, die Männer waren im Begriff, zurückzukommen. Diesmal hatte das sich versteckende Paar einen Vorteil. Ein kleiner Erdhügel lief parallel mit dem Zaun. Hinter diesem waren sie sicher geborgen.
Die beiden Spaziergänger blieben ihnen gegenüber stehen. Anscheinend setzte sich einer sogar auf den Holzzaun, denn sie hörten, wie seine Schuhe gegen die Latten klapperten.
»… im Wald auf der anderen Seite der Stadt, möchte ich wetten. Wir hätten den Wald durchkämmen sollen, Lenny. Wenn ich kein Trottel gewesen wäre, hätt’ ich ihn in Schenectady gefaßt.«
Eine Pause.
»Die Kanone hat er erwischt«, sagte die andere Stimme.
»Zum Kuckuck! Glaub’ ich nicht. Das schwindelt die Zeitung einfach. Man bricht doch nicht in eine Bank ein, um eine Pistole zu mopsen … Na, vielleicht war’s auch gar keine Bank, aber das Büro eines Buchhalters in einer Fabrik ist doch ebensogut wie eine Bank.«
»In der Zeitung …«
»Zeitung!« Er fügte noch eine Bemerkung, die an den Himmel gerichtet war, hinzu.
Wieder Schweigen.
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