Ich kann sie Ihnen daher nicht zeigen.«
»Sie sehen schon, verehrte Susanna, daß mit diesem edlen Herrn kein Vertrag zu schließen ist,« sagte der, welcher ›Herr Graf‹ geheißen worden ist, »wir müssen wohl schon darauf verzichten, etwas mehr zu sehen, als wir schon gesehen haben.«
»Wir müssen halt verzichten«, sagte sie.
Nach diesen Worten nickte sie, ich verbeugte mich, die anderen verbeugten sich auch, und die zwei Paare gingen vorüber.
Nach kurzer Zeit kam ein Wagen in der Richtung, in welcher die vier Menschen gingen, an mir vorüber. Der Wagen war leer, er war sehr schön und wurde von zwei vorzüglichen Braunen gezogen. Als er die zwei Paare eingeholt hatte, setzten sie sich ein und fuhren in der Richtung nach Firnberg weiter. Ich aber öffnete jetzt den Deckel, setzte mich, und malte noch so lange fort, bis meine Zeit an dieser Stelle aus war.
Ich habe diese Menschen später noch einmal gesehen. Wenn ich auf der Stelle neben dem Wege saß, war ich nach jener Begegnung sehr vorsichtig, und sah zu rechter Zeit wegauf- und wegabwärts. Und da sah ich sie kommen. Ehe sie mich erreichten, schloß ich den Deckel, stand auf und richtete das Angesicht gegen sie. Da sie vorüber gingen, grüßte ich sie, und sie dankten. Susanna hatte sehr große, feurige Augen, und sah mich mit ihnen an. Da sie ihres Weges weiter waren, malte ich erst ruhiger fort.
Es kam endlich eine andere Zeit. Ein Gewitter ging über das Moor, und es folgten mehrere kalte und regnerische Tage. Den Regen über dem Moore suchte ich nun von meinem Fenster aus zu malen. Da trübe Tage ohne Regen kamen, ging ich in meinem Zimmer daran, die gemalten Entwürfe auf das einzige große Bild anzuwenden, das ich vor hatte. Ich stellte zu dem Zwecke meine zerlegbare Staffelei zusammen, spannte auf Leisten, die ich mitgebracht hatte, eine große Leinwand, stellte die Leinwand auf die Staffelei, und richtete neben ihr einen eigenen Malerkasten zurecht. Damit ich von Zeit zu Zeit die rechte Ferne von dem Bilde nehmen konnte, öffnete mir die Wirtin die Türe in eine Dachbodenkammer, in die man aus meinem Zimmer gelangen konnte, und ich ging nun während der Arbeit oft in dieses Nebengemach und sah aus demselben auf mein Bild hinaus. Ich bestellte sofort durch ein Schreiben auch einen Goldrahmen samt einer Kiste für das Bild, damit ich durch nichts in der Förderung des Werkes aufgehalten würde; denn die letzten Striche an einem Bilde sollen und müssen in dem Rahmen gemacht werden, und die Kiste brauchte ich, um in jedem Augenblicke das Gemälde an einen andern Ort schaffen zu können, falls ich das für nötig finden sollte. Um nicht zerstreut zu werden, aß ich auch jetzt zu Mittag nicht, sondern legte mir ein Brod zurecht, von dem ich zeitweise einen Bissen nahm. Erst gegen Abend, wenn ich aufhörte, wenn alle Geräte gereinigt waren, und wenn ich alles für den nächsten Tag zurecht gerichtet hatte, beriet ich mich mit der Wirtin über mein Mittagessen, das zugleich ein Abendessen war.
In den fünf traben, zum Teile auch mit Regenschauern heimgesuchten Tagen konnte ich die große Leinwand ganz mit Farbe bedecken, also das Bild untermalen. Die Wirtin hatte mir nach und nach die allerlei Habseligkeiten, die sie in der Dachbodenkammer hatte, weggeräumt, und mir auch die Kammer zur gänzlichen Benützung gegeben, da sie sah, wie ich anfing, ganz und gar keinen Platz mehr zu haben. Ich setzte in diesen fünf Tagen keinen Fuß aus dem Hause, um einen Gang in den Fluren zu machen, kaum daß ich zuweilen abends ein wenig unter den Apfelbaum trat und in das Moor hinaus sah.
In diesen fünf Tagen ereignete sich eine Seltsamkeit mit mir, die ich im Grunde von mir nicht begreifen konnte.
Der reiche, alte, kurzweißhaarige Herr Roderer, der natürlich durch die regnerischen und trüben Tage in seinen Arbeiten im Moore nicht aufgehalten war, ja in der Kühle durch Pferd und Mann mehr wirken konnte als in den heißen Tagen, der mir also einen bedeutenden Vorsprung abgewann, kam auch an manchem Regentage, oder wenn es grau und frostig am Himmel war, auf den Lüpfhügel herauf. Er saß dann mit mir in der Wirtsstube, in welcher selten abends ein Gast war, da die Fußgänger, die am häufigsten hier zusprachen, das Moor am Abende mieden, teils der Dünste, teils der Gespenster wegen. Die Wirtin sagte mir, daß der hochgeborne Herr Roderer sonst an solchen Tagen nie gekommen sei, daß er an mir Gefallen gefunden haben müsse, und daß er jetzt auch länger da bleibe als sonst, wenn er auch eigensinniger Weise nicht mehr als ein Glas Bier trinke.
Eines Tages, da es in der Wirtsstube zu sehr rauchte, während die Wirtin mein Abendessen kochte, saßen wir in dem einzigen noch verfügbaren Gelasse des Hauses, einem kleinen Kämmerlein neben meinen zwei Arbeitsstuben. Als ich nun am anderen Tage, ich weiß nicht, ob es wieder geraucht hat, den Herrn Roderer abermals die Treppe zu dem winzigen Kämmerlein herauf steigen hörte – ich kannte seine Tritte schon recht gut, und konnte sie von denen des Wirtes und der Wirtin und dem Gerassel der Buben wohl unterscheiden –, rief ich ihn, von den Worten der Wirtin und meiner eigenen Beobachtung, daß er wirklich jetzt länger bleibe, wirblig gemacht, durch die offene Türe meiner Stube zu mir herein, und nun sah er, da der Tag schon länger und es völlig licht war, alle meine Bilder und Entwürfe, die ich niemanden zeigen wollte, und die ich nicht einmal Susanna gezeigt hatte, die doch weit lebhaftere Augen besaß als der Herr Roderer, obgleich die seinigen so braun waren als die ihrigen. Ich putzte eben die Pinsel, und er ging von einer Arbeit zu der anderen, wie sie eben entweder herum lagen, oder an die Wand geheftet waren, und betrachtete jede genau. Auch das angefangene, auf der Staffelei stehende große Bild schaute er lange an. Ich konnte es ihm nicht verbieten, da ich ihn selber hereingerufen und ihm folgerecht die Dinge zur Betrachtung preisgegeben hatte. Er sprach aber über alle die Arbeiten kein Wort. Wir setzten uns, da ich mit meinen Pinseln fertig war, in das kleine Stübchen, auf dessen Hängetischchen die Wirtin sein Bier und meine Abendkost gestellt hatte. Als seine Zeit um war, kletterte er die Treppe hinab, ging über den Hügel hinunter, und fuhr in seinem Wagen nach Hause.
Am anderen Tage war schönes Wetter. Mein Reisebarometer, welches ich in meiner Malerstube aufgehängt hatte, zeigte achtundzwanzig Zoll und vier Linien, was Dauer des schönen Wetters bedeutete, und ich nahm meine stets bereit stehenden Malerwandersachen, und ging sofort zum Malen auf das Moor hinaus.
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