Es folgten mehrere schöne Tage, und ich benützte sie.

Meine Wirtin hätte mir bald Unannehmlichkeiten bereitet. Es nahte das Kirchweihfest in Lüpfing, und da redete sie mir zu, ich sollte an diesem Tage Ruhe machen und nach Lüpfing gehen; denn etwas Schöneres als dieses Fest könne ich gar nicht sehen. Ich wies ihr Ansinnen zurück. Als der Tag des Festes vorüber war, den sie ganz und gar in Lüpfing zugebracht hatte, kam sie abends zu mir an den Apfelbaum, an welchem heute mein Herr Roderer nicht saß, weil Feiertag war, und erzählte mir, wie außerordentlich schade es sei, daß ich nicht nach Lüpfing gekommen bin. Die Leute kennen mich alle, sie lieben mich, sie haben alle nach mir gefragt und meine Bilder gepriesen, sie habe gesagt, ich sei ein sehr gewöhnlicher Herr, der keinen Stolz hat und mit allen redet, sie könne meine Bilder sehen, wann sie wolle, wenn sie aufräume oder etwas frage, und ihr Mann könne sie auch sehen, wenn er ein Wasser hinauf trage oder dergleichen, und wenn ich nach der Arbeit aufräume, sage ich nicht einmal ihren Buben einen Tadel, wenn sie hinauf kommen. Die Leute freuen sich außerordentlich auf die Bilder. Sie werden kommen.

Ich sagte zu der Frau Wirtin: »Ihr, meine liebe Frau Wirtin, wenn Ihr in meine Stube kommt und etwas zu schaffen habt, und Euer Mann, der Herr Wirt, wenn es für ihn bei mir etwas zu tun gibt, könnt meine Bilder nach Herzenslust anschauen, selbst Euere Knaben können es zu einer Zeit tun, in der sie mich nicht stören; aber jeder andere Mensch darf es nicht, wenn er auch aus Lüpfing oder Kiring kommt, oder aus der oberen Lüpf, oder aus der unteren Lüpf oder aus Paris, oder aus Petersburg, oder München. Sagt einem jeden, daß ich nicht Zeit habe, Leute zu empfangen, und daß meine Bilder nicht zu sehen sind.«

»Das ist so, so ist es,« antwortete sie, »wir haben ein großes Recht, wir und der hochgeborne Herr Roderer, die Bilder anzusehen, und sonst niemand.«

»Ihr könnt sie anschauen,« sagte ich, »weil Ihr seid, wie Ihr seid, und dem Herrn Roderer habe ich sie gezeigt, weil ich sie ihm nun eben einmal gezeigt habe.«

»Ja, das verstehe ich«, antwortete sie.

»Und so tut auch, wie ich gesagt habe«, erwiderte ich. »Ich werde es tun, freilich tue ich es«, sagte sie.

Und hiemit war wohl das Gespräch aus, aber nicht die Sache. Denn in den Tagen, die auf die Lüpfinger Kirchweihe folgten, kamen wirklich Leute aus Lüpfing und anderswoher zu mir, die mich einfach besuchen wollten. Die Tage waren trüb, ich arbeitete an dem großen Bilde in meiner versperrten Stabe, und ließ sagen, daß ich mich nicht unterbrechen könne und nicht gestört werden dürfe. Endlich ließ ich mir durch den Wirt, welchen ich sendete, einen Wagen aus Lüpfing bestellen, und fuhr in demselben nach Lüpfing. Die Wirtin äußerte ihre Freude, daß ich einmal von der großen Plage, die ich mir auferlege, inne halte und auch ein Vergnügen suche, wie es sich gebühre. Ich aber kaufte in Lüpfing zwei gleiche Eisenringschrauben und ein Vorhängeschloß, und fuhr wieder heim. Die Eisenringschrauben schraubte ich von außen in Türstock und Türe meiner Stube so, daß die Ringe über einander paßten, und als ich das nächste Mal in das Moor malen ging, legte ich das Vorhängschloß in die Ringe, und sperrte so meine Stabe, daß sie in meiner Abwesenheit nicht geöffnet werden und daß man meine Bilder niemand zeigen konnte.

Der Goldrahmen zu dem großen Bilde kam nun auch endlich an. Der Rahmen war zerlegt und in seinen Teilen der Länge nach in die Kiste gepackt. Ich konnte ihn jetzt nicht zusammenstellen, sah aber an den Teilen, daß er sehr schön sein müsse, wie alles, was von meinem Vergolder kommt.

Als es schon Sommer war, und ich an einem lauen, lieblichen Abende mit Roderer an dem Apfelbaume saß, sagte er: »Sie werden sehr wahrscheinlich einmal zu malen aufhören, und dann gar nie mehr einen Pinsel anrühren.«

Ich schaute ihn mit den größten Augen, die in meiner Macht waren, an und sagte: »Das wäre das seltsamste Ding, ich finde dazu noch gar keinen Anfang in meinem Wesen. Und was werde ich denn dann tun, wenn ich nicht mehr male?«

»Das weiß ich noch nicht,« antwortete er, »aber tun werden Sie gewiß etwas.«

»Ja, gewiß etwas tun,« sagte ich »und Sie können mir wohl nicht verargen, wenn ich Sie frage, was Sie zu diesem Ausspruche über mich berechtiget, der so tief in meine Tätigkeit eingeht.«

»Gewiß kann ich Ihnen die Sache nicht sagen,« antwortete er, »aber sie ist mir sehr wahrscheinlich, und wenn mein Ausspruch zur schnelleren Entwicklung Ihres Laufes etwas beitragen kann, so wird es mich sehr freuen, und wenn ich mich irre, und Sie ein Maler bleiben, so werden Sie durch meinen Ausspruch und mein Benehmen erst ein rechter Maler.«

»Nun, ich bin begierig«, sagte ich.

»Hören Sie mich an,« begann er, »es lebt seit Jahrhunderten ein Geschlecht, das immer etwas anderes erreicht hat, als es mit Heftigkeit angestrebt hat. Und je glühender das Bestreben eines dieses Geschlechtes war, desto sicherer konnte man sein, daß nichts daraus wird. Und nicht etwa durch das Schicksal wurden diese Leute aus ihren Bahnen geworfen; denn dann wäre ja mancher darin geblieben, weil Schicksal und Zufall nicht folgerichtig sind, sondern jeder verließ selber freiwillig und mit Freuden seinen Kampfplatz, und wendete sich zu anderen Dingen. Manche erreichten über Ansammlung der Mittel zu ihrem Zwecke den Zweck nicht. Sie waren alle höchst begabte Leute, einen einzigen ausgenommen, welcher ein gewöhnlicher Mensch war, und weil sie solche Begabungen hatten, so wählten sie frühzeitig schon irgend eine Tätigkeit, spornten diese zu höchstem Feuer, und erreichten auch Erfolge, die andere Menschen in Erstaunen setzten; aber es genügten ihnen die Erfolge nicht, und sie warfen das Zeugs weg. Ich weiß nicht, wenn einmal einer gekommen wäre, der das Höchste in seinem Fache hervorgebracht hätte, ob auch er von demselben wieder gewichen wäre, ich weiß es nicht, weil der Fall nicht vorgekommen ist; ich glaube aber, dieser Mann wäre eine Ausnahme seines Geschlechtes geworden und hätte es zu seltenen Ehren gebracht, wenn er nicht, auch noch andern Gedanken nachjagend, all sein Tun für Stückwerk gehalten und es zu dem Plunder geworfen hätte. Wer kann das wissen. So merkwürdig ist aber das Geschick dieses Geschlechtes, daß selbst der gewöhnliche Mensch, der, wie ich Ihnen sagte, dazu gehörte, diesem Geschicke nicht entgehen konnte. Obwohl er nicht durch hohe Begabung zu vorzeitiger Tätigkeit getrieben und von ihr wieder abwendig gemacht wurde, so reichte sein Pfund doch gerade hin, zu tun, wie alle seine Väter, Vettern und Muhmen, nämlich ein Ungetüm von Zeit und Kraft einem Dinge zuzuwenden, um es dann gehen zu lassen, und ein anderes zu ergreifen. Ich kenne dieses Geschlecht außerordentlich genau, ich bin selbst einer davon, und zwar jener gewöhnliche Mensch, von dem ich Ihnen gesagt habe. Ich habe selber getan wie meine Angehörigen. Ich habe von denen erzählen gehört, welche vor uns gelebt haben, und ich habe beobachtet, was die gefördert haben, die mit mir gleichzeitig sind, und habe besonders die jüngeren beobachtet. Und gerade so, wie diese jüngeren, benehmen Sie sich, mein Herr.