Er hatte wieder eine prachtvolle Ausrede. Ein Bubenstück! Er brauchte jetzt kaum mehr die Nächte nach Hause zu kommen. Er schnurrte sich herum, so gut es ging. Da gab es noch – e: Kollegen! Leute! Leute? Pah, Stümp'rr! Aber – e ... sie – e ... Nun ja! Sie sorgten für die Bewirtung der Schauspieler! Wetter! Es lag darin etwas Übernatürliches! Wenn die Philosophie es nur hätte ausfindig machen können! ...

Aber die Philosophie machte es nicht ausfindig. Der große Thienwiebel kam nie dahinter.

Er hatte sich jetzt nach und nach bis unten in die Hafenspelunken verirrt. Mehrere Sackträger waren bereits seine Duzbrüder geworden. Bevor nicht »der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen«, bereits mehrere Male nachdrücklich gekräht hatte, kam er jetzt selten mehr die Treppen in die Höhe gestolpert.

Amalie nähte noch immer die Trikottaillen. Der Stumpfsinn hatte sie nach und nach zur reinen Maschine gemacht. Die reizende Ophelia in ihr war jetzt endgültig begraben. Für alle Zeiten! ... Ihre Brust war noch schwächer geworden ...

Dem kleinen Fortinbras ging es noch jämmerlicher. Sein ganzes Gesichtchen war jetzt dicht mit roten Pusteln betupft. Ein Schächtelchen Zinksalbe, zu dem sich die Familie im Anfang denn doch noch aufgeschwungen hatte, lag jetzt zusammengequetscht, verstaubt hinterm Ofen. Es war nicht mehr erneuert worden.

Der große Thienwiebel hatte nicht so ganz unrecht: Die ganze Wirtschaft bei ihm zu Hause war der Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters.

 

VII

Zwölf! ...

Erschöpft hatte sie sich wieder auf ihrem Fußbänkchen zurücksinken lassen. Der Ofen hinter ihr war eiskalt. Durch ihre Nachtjacke durch fühlte sie deutlich seine Kacheln. Sie fröstelte!

Die letzten Töne draußen brummten und zitterten noch, das kleine Talglicht, das in eine leere, grüne Bierflasche gesteckt dicht vor ihr auf dem umgekippten Kistchen mitten zwischen dem Nähzeug stand, knitterte in der Kälte.

Frau Wachtel nebenan schnarchte, der kleine Fortinbras hatte sich drüben in seinem Korb wieder unruhig auf die andere Seite gewälzt. Sein Atem ging rasselnd, stoßweis, als ob etwas in ihm zerbrochen war.

Draußen auf das Fensterblech war eben wieder ein Eiszapfen geprasselt. Dicht davor, unterm Bett, jetzt deutlich das scharfe Nagen einer Maus.

Zwölf!

Sie hatte ihr Nähzeug wieder fallen lassen. Ihre Finger waren krumm zusammengezogen, sie konnte sie kaum noch aufkriegen. Um die Nägel herum waren sie blau angelaufen. Sie hauchte jetzt in sie hinein. Ihr Atem brodelte sich staubgrau um das kleine, zitternde Flämmchen. Eine verspätete Fliege, die dicht neben dem schwarzen Docht in den kleinen, runden Talgkessel drunter gefallen war, verkohlte langsam. Ab und zu knisterte es

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