Er wollte auch mal va banque spielen. Er schrie jetzt, als wenn er seine kleinen Lungen auseinandersprengen wollte.

»Aber ... Das ist doch wirklich unerhört! ... Na, warte! Du ... Du – Lindwurm, du! Warte!«

Er prügelte ihn jetzt, daß es nur so klitschte. Als aber auch das nichts half, riß er das Kopfkissen unter ihm vor und preßte es ihm auf das Gesicht.

Der kleine Fortinbras war jetzt auf einen Augenblick vollständig verstummt. Sein Geschrei war wie abgeschnitten.

Aber der große Thienwiebel hatte noch nicht genug. »Nichtsnutziger Patron!«

Er hatte ihm jetzt das Kissen noch fester aufgedrückt.

Der kleine Ole hatte die kleine Mieze, die noch ganz rot vor Ärger war, wieder losgelassen. Er war jetzt ordentlich ängstlich geworden.

»Um Gottes willen, Nielchen! Er erstickt ja!«

»Ach, Unsinn! So schnell geht das nicht!«

Nein! So schnell ging das auch nicht! Denn als der große Thienwiebel nach einiger Zeit das Kissen fortnahm, schnappte zwar der kleine Fortinbras ein paar Augenblicke verzweifelt nach Luft, fing dann aber sofort wieder von neuem an.

»Ole!«

Empört war die kleine Mieze jetzt aufgesprungen. Das schreckliche Kopfkissen hatte den Kleinen von neuem zugedeckt.

»Ole! Das leidst du?«

»Ach was! Er weiß es ganz gut, der Lümmel! Er soll nicht schreien! Es ist die reine Bosheit! Man bekommt das wirklich satt!«

»Pfui! Ole, komm! Laß den alten – Pavian!«

»Pa ... Pa ... Pa ...«

Der kleine Ole hatte jetzt verlegen nach seiner Uhr gesehn.

» ... Pavian?!!!«

Endlich war der große Thienwiebel wieder zu sich gekommen!

»Hinaus, sag' ich!! Hinaus!!«

Aber sie waren es bereits. Einen Augenblick lang noch hörte er sie draußen durch die Küche tappen; dann, endlich, war nebenan bei ihnen die Tür zugefallen.

Er stand da! Um seine Schultern die rote Bettdecke, in seiner Rechten das kleine, blaugewürfelte Kopfkissen. Drüben, in der Ofenecke, die reizende Ophelia.

»Da! Nymphe!!«

Er hatte ihr das Kissen ins Gesicht geschleudert. –

 

VI

Seit ihr zweiter, unliebenswürdiger Gatte ihr vor ungefähr fünf Jahren auf der »Dicken Selma« treulos nach Kanada ausgerückt war, hatte die liebe, gute, alte Frau Wachtel keinen solchen Ärger mehr auszustehn gehabt.

Nicht bloß, daß seine Stiefelabsätze noch überall auf dem Sofa deutlich zu sehn waren, nicht bloß, daß das Fensterkreuz von den dämlichen Leiterstücken, die jetzt natürlich zerbrochen unten auf dem Pappdach lagen, total ruiniert war, bewahre: auch die ganze Tapete war von oben bis unten mit Ölfarben bekleckst! Der vermaledeite knirpsige Schmierpeter schien sich die ganze Zeit dran seine schwein'schen Pinsel ausgequetscht zu haben. Pfui Deibel ja!

Aber, das war ihr ganz recht! Warum hatte sie das ganze Pack nicht schon längst an die Luft gesetzt! Wenn's wenigstens noch die verrückten Thienwiebels gewesen wären. Aber die holte ja der Satan nicht! Die hakten fest wie Kletten an ihr!

Die alte, liebe, gute Frau Wachtel war ganz außer sich. Aber sie hatte wirklich Pech mit ihren Mannsleuten. Der kleine Ole hatte sich in der Tat nicht entblödet, ihr mit Hinterlassung einiger alter »Schinken«, deren Darstellungsobjekte es unmöglich zuließen, daß man sie sich übers Sofa hing, auszukneifen.

»Solch eine Tat, die alle Huld der Sittsamkeit entstellt, die Tugend Heuchler schilt, die Rosen wegnimmt von unschuldvoller Liebe schöner Stirn und Beulen hinsetzt ... Ha!«

Aber der große Thienwiebel suchte sich jetzt vergeblich beliebt zu machen. Seine »Schmeichelsalb'« zog nicht mehr. Frau Rosine Wachtel verlangte jetzt energisch ihre Miete.

Heut war der Siebente: wenn ihr bis zum Vierzehnten nicht alles bezahlt war: – raus!!

Ja! ... Sterben – schlafen – nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf das Herzweh und die tausend Stöße endet, die unsres Fleisches Erbteil – 's ist ein Ziel aufs innigste zu wünschen! ... Ja! dies war ehedem paradox! Paradox! ... Doch nun – bestätigte es die Zeit! Armer Yorick! ...

Der große Thienwiebel fühlte, daß es jetzt zu Ende war mit seiner Kraft. Er wollte nun arbeiten, Freund! Arbeiten! Er wollte seine ganze Kraft aufbieten. Er – er ... er wollte ihn »suchen« gehn! »Laßt mich! Er ist ermordet, Amalie! Er ist ermordet!« ...

Er hatte sich jetzt wieder seinen alten, olivengrünen Leibrock zurechtgeflickt und trieb sich nun ganze Tage lang im Hafenviertel umher. – »Ha! Tot?! Für 'nen Dukaten, tot?!« ...