Ihr erinnert Euch doch

An jenen Abend im Rondeschloß noch –

DER DOVRE-ALTE.

Ich werd' nicht, Herr Prinz!

PEER GYNT.

Das »Prinz« macht nichts besser.

Genug. Ihr wolltet damals, voll Groll,

Mich blenden, mit Eurem Glasermesser,

Und umschaffen mich aus Peer Gynt zum Troll.

Was tat ich da doch? Ich sagte: »Quod non!

Wenn Ihr mir so kommt, – auf und davon!

Was Liebe, was Ehre, was Macht, – ich bleibe

Ich selber – ich selber, sage und schreibe.«

Diese Tatsache sollt Ihr vorm Richter beschwören –

DER DOVRE-ALTE.

Wie könnt' ich das!

PEER GYNT.

Wärt Ihr mir immer noch gram!

DER DOVRE-ALTE.

Er will doch wohl nicht eine Lüge hören?

Er weiß doch noch, wie er die Trollhose nahm,

Und vom Metkrug schmeckte –?

PEER GYNT.

Ihr wußtet zu locken; –

Doch vor dem Entscheidenden saht Ihr mich stocken.

Und justament daran erkennt man seinen Mann.

Das ist der Schlußvers, auf den kommt's an.

DER DOVRE-ALTE.

Recht gut, daß Du mich auf den Schlußvers bringst!

PEER GYNT.

Was heißt das?

DER DOVRE-ALTE.

Als Du von Ronde gingst,

Da schriebst Du Dir doch hinters Ohr mein Leitwort.

PEER GYNT.

Welches?

DER DOVRE-ALTE.

Das Wort, das mächtige Scheid'wort!

PEER GYNT.

Das Wort?

DER DOVRE-ALTE.

Das uns scheidet vom Menschenzug, –

Das Wort: Troll, sei du selbst dir genug!

PEER GYNT weicht einen Schritt zurück.

Dir genug!

DER DOVRE-ALTE.

Und wo Du auch immer gewandelt,

Hast Du doch seidem danach gehandelt.

PEER GYNT.

Ich! Peer Gynt!

DER DOVRE-ALTE weinend.

So lohnt man's dem Alten!

Und wenn Du's auch noch so geheim gehalten, –

Du lebtest als Troll. Mein Wort wies Dich an;

Du wurdest durch mich ein gemachter Mann; –

Und jetzo, jetzt spielst Du den Dünkelhaften

Wider mich und mein Wort, die Dir alles verschafften.

PEER GYNT.

Dir genug! Ein Bergtroll! Ein Egoist!

Hier stimmt etwas nicht; hier steckt eine List!

DER DOVRE-ALTE zieht einen Bündel alter Zeitungen hervor.

Du meinst, wir hätten nicht auch unsre Zeitung?

Hier, bitte; hier schwärmt von Dir, rot auf schwarz,

Die »Blocksbergpost«, ein Blatt von Verbreitung, –

Und hier singen Nummern des »Heklawarts«

Dein Lob, seitdem Du der unsrige bist.

Willst Du es selbst lesen, Peer? Immer tu's!

Hier steht etwas, Unterschrift: »Pferdefuß«.

Und hier: »Vom troll-nationalen Geiste«.

Der Schreiber fördert die Wahrheit ans Licht:

Schwanz und Hörner, die machten's nicht; –

Die innre Verwandtschaft, die tät' das meiste.

»Unser sich-selbst-genug, – das macht den Troll aus!«

So schließt er, – und dann gibt er Dich, Peer, für voll aus.

PEER GYNT.

Ein Bergtroll? Jch!

DER DOVRE-ALTE.

Ja, mein wackrer Genoß!

PEER GYNT.

So konnt' ich ja bleiben im Dovreschloß!

Was ließ ich dann Rondens behagliche Ruh'?

Wandte Schweiß auf und Arbeit und manch ein Paar Schuh'?

Peer Gynt – ein Troll! – Solch ein Quark! Solch ein Kohl!

Da, – kauf' Dir Tabak; und somit – leb' wohl!

DER DOVRE-ALTE.

Geneigter Prinz Peer!

PEER GYNT.

Du bist nicht normal –

Oder kindisch. Geh in ein Hospital!

DER DOVRE-ALTE.

Das hätt' ich ja schon seit langem getan!

Doch meine Urenkel, leichten Geistes

Verleugnen sie ihren alten Ahn; –

Ich lebte nur noch in Büchern, heißt es.

Gott soll einen vor seinen Freunden bewahren,

Dies Wort spür' ich Armer am eignen Gebein.

's ist hart, nur noch so sein Gespenst zu sein –

PEER GYNT.

Lieber Mann, das haben schon mehr erfahren.

DER DOVRE-ALTE.

Und wir selbst, wo hätten wir Armenkassen,

Wo Altersgroschen, wo ein Asyl? –

Das würde zu Ronde ja auch nicht passen –

PEER GYNT.

Und zu Eurem selbst-genugsamen Stil!

DER DOVRE-ALTE.

Der Prinz kann dem Wort doch nur Ehre geben.

Und wenn er auf dem oder jenem Weg –

PEER GYNT.

Mein Freund, Du trittst auf 'nen morschen Steg; –

Ich hab' selbst, wie man sagt, kaum das nackte Leben –

DER DOVRE-ALTE.

Das wär' –! Auch der Prinz hätt' als Bettler geendet?

PEER GYNT.

Jawohl. Mein prinzliches Ich liegt verpfändet.

Und wer ist dran schuld? Ihr, verdammte Brut!

Da sieht man, was schlechte Gesellschaft tut.

DER DOVRE-ALTE.

Umsonst denn, daß ich die Hand ausstreckte!

So will ich zur Stadt mich zu fechten sehn.

PEER GYNT.

Was willst Du dort?

DER DOVRE-ALTE.

Zur Komödie gehn.

Sie suchen im Blatt nationale Subjekte –

PEER GYNT.

Glück auf die Reise; und grüss' von mir.

Kann ich mich losreißen, halt' ich's mit Dir.

Ich schreib' eine Farce, so tief wie heiter,

Des Titels: Sic transit usw. usw.

 

Eilt davon. Der Dovre-Alte ruft ihm vergebens nach.

Ein Kreuzweg.

 

PEER GYNT.

Jetzt gilt es, Peer, galt es jemals im Leben!

Dies Dovrische genug hat den Ausschlag gegeben.

Das Fahrzeug ward wrack; jetzt schwimm auf den Planken!

Alles andre – nur nicht als Brack abdanken!

DER KNOPFGIESSER an der Wegscheide.

Nun denn, Peer Gynt, das Attest, – wo ist es?

PEER GYNT.

Schon wieder ein Kreuzweg? Du Nimmersatt!

DER KNOPFGIESSER.

Ich blicke nur auf Dein Gesicht, Dein tristes,

Und weiß, was die Glocke geschlagen hat.

PEER GYNT.

Ich bin des Gerenns müd'; – man läuft nur irr –

DER KNOPFGIESSER.

Und legt sich, zudem umsonst ins Geschirr!

PEER GYNT.

Bei Nacht, im Wald, – was ist da zu sagen.

DER KNOPFGIESSER.

Dort humpelt ein Alter. Woll'n wir ihn fragen?

PEER GYNT.

Er ist betrunken. Laß ihn in Ruh'!

DER KNOPFGIESSER.

Doch könnt' er vielleicht –

PEER GYNT.

Pst; laß ihn; – wozu?

DER KNOPFGIESSER.

Ja, so sind wir so weit?

PEER GYNT.

Eine Frage nur noch.

Was ist dieses »sei du du selbst« im Grunde?

DER KNOPFGIESSER.

Eine seltsame Frage, zumal im Munde

Von einem, der jüngst erst –

PEER GYNT.

So antworte doch!

DER KNOPFGIESSER.

Du selbst sein heißt: dich selbst ertöten.

Doch Du brauchst vielleicht noch ein deutlicher Bild? –

Des Meisters Willen als wie ein Schild

An seines Lebensschwerts Griff sich löten.

PEER GYNT.

Doch wenn man nun niemals erfährt, was der Meister

Mit einem gewollt hat?

DER KNOPFGIESSER.

Das soll man ahnen.

PEER GYNT.

Doch wie oft mißleiten uns böse Geister, –

Und dann geht man ad undas mit fliegenden Fahnen.

DER KNOPFGIESSER.

Der Teufel hat's nirgends leichter, zu angeln,

Als eben wo solche Ahnungen mangeln.

PEER GYNT.

Dies ist eine derart verzwickte Geschichte,

Daß ich auf mein »selbst sein« lieber verzichte.

Es fiel' am End' schwer, den Beweis zu führen.

So will ich den Streitpunkt denn nicht mehr berühren.

Doch als ich vorhin so den Wald durchtrabte,

Da kam's, daß mich doch mein Gewissensschuh schabte;

Du bist doch ein Sünder, dacht' ich im stillen –

DER KNOPFGIESSER.

Da fängst Du ja wieder von vorne an –

PEER GYNT.

Ich meine, ein großer, mein guter Mann;

Nicht bloß in der Tat, auch in Wort und Willen:

Im Ausland war ich just kein Philister –

DER KNOPFGIESSER.

Nun gut; so zeig' mir Dein Sündenregister!

PEER GYNT.

Vergönn' mir nur Frist, einen Priester zu suchen;

So beicht' ich und lass' ihn darüber buchen.

DER KNOPFGIESSER.

Ja, brächtst Du mir solch einen Zettel mit,

So wärst Du der Schmelzlöffelsache wohl quitt.

Doch die Ordre, Peer –

PEER GYNT.

Der vergilbte Wisch!

Der ist gewiß noch von älterem Datum; –

Da lebt' ich einmal, weder Fleisch noch Fisch,

Und spielte Prophet und glaubt' an ein Fatum – –

Na, gilt's denn die Probe?

DER KNOPFGIESSER.

Ja – aber –!

PEER GYNT.

Je nun, –

Was hast Du denn, Bester, so viel zu tun!

Hier im Bezirk ist die Luft ja so lieb; –

Die Sterblichkeit wird immer kleiner und kleiner.

Bedenk, was der Pfarrer von Justedal schrieb:

»In diesem Tale stirbt selten einer.«

DER KNOPFGIESSER.

Am nächsten Kreuzweg denn; dann aber – Schluß.

PEER GYNT.

Ein Priester! Ich muß einen finden! Ich muß!

 

Läuft den Weg weiter.

Hügel mit Heidekraut.

Der Weg schlängelt sich den Höhenzug entlang.

 

PEER GYNT.

Der nützt mir vielleicht noch zu allerhand,

Sagte Esben, als er einen Elsternflügel fand.

Wer hätte gedacht, daß, als nichts mehr verschlägt,

Seine Sündenschuld einem noch Früchte trägt?

Mir ist zwar auch so nicht sonderlich geheuer;

Denn im Grund führt der Weg nur von Asche zu Feuer; –

Doch es bleibt ja noch immer die Trosttür offen:

Solang' einer lebt, so lang' mag er hoffen.

 

Eine magere Person in hoch aufgeschürztem Priesterrock und mit einem Vogelstellernetz auf der Schulter wandert eilig den Hügel entlang.

 

PEER GYNT.

Ein Prediger mit einem Vogelgarn!

Peter! An dir fraß das Glück einen Narr'n.

Guten Abend, Herr Pastor! Holprige Bahn!

DER MAGERE.

Was tut man nicht, eine Seele zu fahn?

PEER GYNT.

Aha; soll eine gen Himmel –?

DER MAGERE.

Nein;

Ich hoffe, sie schlägt einen andern Weg ein.

PEER GYNT.

Herr, würd' ich ein Stückchen wohl mitgenommen –?

DER MAGERE.

Recht gern; Gesellschaft ist immer willkommen.

PEER GYNT.

Mich drückt ein Gesuch –

DER MAGERE.

Vertraun Sie mir's an!

PEER GYNT.

Herr Pastor, ich bin ein ehrlicher Mann.

Ich hielt mein Lebtag des Staats Gebot;

Ich saß niemalen bei Wasser und Brot; –

Doch kann man ja wohl mal den Halt verlieren

Und straucheln –

DER MAGERE.

Das kann dem Besten passieren.

PEER GYNT.

Nun denn; diese Mätzchen –

DER MAGERE.

Nur Mätzchen?

PEER GYNT.

Nur dies.

Nie, daß ich im Ernst wider etwas verstieß!

DER MAGERE.

Dann sparen wir uns jeden weiteren Ton; –

Sie irren sich, scheint es, in meiner Person. – –

Sie sehn meine Hand an? Warum, wenn's genehm?

PEER GYNT.

Welch stattlich entwickeltes Nägelsystem!

DER MAGERE.

Was bietet mein Bein so Besonderes?

PEER GYNT zeigt mit dem Finger.

Ist der Huf dort echt?

DER MAGERE.

Ich schmeichle mir des.

PEER GYNT lüftet den Hut.

Ich hätte doch auf Ihren Schwarzrock geschworen;

Und da sind es – Euer Hochwohlgeboren!

Na; steht's Portal offen, – komm nicht von hinten;

Kannst Du zum König, – geh nicht zum Bedienten.

DER MAGERE.

Ihre Hand! Sie scheinen mir vorurteilsfrei.

Na, Lieber; was gilt's, – und was soll ich dabei?

Nur eins! Nicht um Macht oder Geld mich drängen!

Das kann ich nicht schaffen, und wenn Sie mich hängen.

Mit den Menschen ist heut nichts mehr anzufangen; –

Der Umsatz ist völlig zurückgegangen;

Kein Zuwachs an Seelen; nur dann und wann

Eine einzelne –

PEER GYNT.

Hat sich die Welt so verbessert?

DER MAGERE.

Im Gegenteil, Bester. Kläglich verwässert.

Die meisten holt sich der Schmelzlöffelmann.

PEER GYNT.

Aha, – von dem Löffelmann hört' ich schon was;

Er gab die Veranlassung eigentlich, daß –

DER MAGERE.

Nur Mut!

PEER GYNT.

Nun, – wär' es nicht unbescheiden,

So wünscht' ich wohl –

DER MAGERE.

Einen Zufluchtsort? Wie?

PEER GYNT.

Sie raten's, noch eh' ich ihm Worte lieh.

Sie sagten ja selbst, daß Sie Mangel leiden,

Und sind daher wohl um so eher willig –

DER MAGERE.

Aber, Freund –

PEER GYNT.

Meine Forderungen sind billig. –

Ein Taggeld beanspruch' ich eigentlich nicht;

Nur Behandlung den Umständen angemessen.

DER MAGERE.

Warmes Zimmer?

PEER GYNT.

Nicht zu warm; – vor allem indessen

Erlaubnis, davonzugehn, schlank und schlicht, –

Zurückzutreten, um's kurz zu sagen, –

Sobald sich ein Weg zeigt zu besseren Tagen.

DER MAGERE.

Mein Freund, es tut mir wahrhaftig leid.

Doch Sie glauben mir nicht, welche Menge Suppliken

Ähnlicher Art mir die Leute schicken,

Wenn es sie abruft aus ihrer Zeit.

PEER GYNT.

Doch denk' ich an meinen verflossenen Wandel,

So dünkt mein Gesuch mich nickt allzu gewagt –

DER MAGERE.

Es war'n doch nur Mätzchen –

PEER GYNT.

Was man so sagt; –

Doch, da fällt mir ein, ich trieb Negerhandel –

DER MAGERE.

Da handelten welche mit Willen und Sinnen –

Und mußten doch wieder, als Pfuscher, von hinnen.

PEER GYNT.

Ich hab' Brahmafiguren nach China verladen.

DER MAGERE.

Sie Leichenbitter auf Sündenpfaden!

Sind welche, die laden ganz andre Figuren

In Reden ab, Künsten und Literaturen –

Und rühren mich doch nicht –

PEER GYNT.

Es blieb nicht dabei; –

Ich lebt' als »Prophet« eine tolle Legende –

DER MAGERE.

Im Ausland? Der meisten Blauseherei

Ist Humbug und findet im Löffel ihr Ende.

Wenn Ihr Gesuch auf nichts weiter beruht,

So kann ich nicht dienen, so leid es mir tut.

PEER GYNT.

Doch, hör'n Sie; ich kam auf 'nem Bootskiel getrieben, –

Der Ertrunkene greift nach dem Halm, steht geschrieben, –

Und: Du selbst bist dein Nächster, steht gleich daneben, –

Und da kam durch mich halbwegs ein Koch ums Leben.

DER MAGERE.

Hätt' lieber von einer Köchin vernommen,

Die durch Sie zugleich um was andres gekommen.

Was ist das hier für ein Halbwegs-Schnack,

Mit Respekt zu sagen? Wer möchte zu Zeiten,

Wie diese, die Kosten der Feurung bestreiten,

Was denken Sie wohl, für solch stimmungslos Pack?

Ja, ja, Sie mein' ich, mit Ihren Faxen;

Ich spreche, wie mir der Schnabel gewachsen.

Ich wünschte nur, daß der Herr Dilettant

Sich vor dem Löffel nicht länger grauste.

Was hülf's, und wenn ich Sie zehnmal behauste?

Mein Freund, Sie sind doch ein Mann von Verstand,

Wie schon Ihr gutes Gedächtnis beweist? –

Doch die Aussicht übers durchwanderte Land

Erzeigt sich denn doch, so für Herz wie für Geist,

Als ein Ausblick auf, sagen wir, zu viel Sand.

Was haben Sie, drüber zu lachen, zu weinen,

Was jubelnd zu bejahen, was verzweifelnd zu verneinen,

Was, das Sie heiß oder kalt überschreckt? –

Sie ärgern sich, – das ist der ganze Effekt.

PEER GYNT.

Es heißt, daß man schwer beurteilen kann,

Wo der Schuh drückt, hat man den Schuh nicht an.

DER MAGERE.

Das ist wahr; und – sei der und jener gepriesen –

Ich bin auf ein ungleich Paar Stiefel angewiesen.

Doch ein Glück, daß ich Stiefel sage, mein Bester,

Das erinnert mich dran, daß es eilen heißt,

Mir winkt ein Braten, der hoffentlich feist;

Und da schwatz' ich hier wie eine Kaffeeschwester –

PEER GYNT.

Und dürfte man fragen, welch Sündenkraut

Den Kerl gemästet hat?

DER MAGERE.

Nach Verlaut

War er er selber bei Tag und bei Nacht;

Und das ist doch der Kernpunkt, im letzten Betracht.

PEER GYNT.

Er selber? Die Art kommt zu Ihnen ins Haus?

DER MAGERE.

Wie's fällt; wir sperren sie keinesfalls aus.

Man kann man selbst sein in doppeltem Verstand,

Ein Rock sein, von außen oder von innen.

Sie wissen, wie jüngst in Paris man erfand,

Porträts mit Hilfe von Sonne zu gewinnen.

Da kann man nun richtige Bilder machen,

Oder Negative, die gleich viel wert sind,

Nur daß hier Licht und Schatten verkehrt sind, –

Und die Laien sie häßlich finden und lachen.

Doch die Ähnlichkeit schlummert auch hier verstohlen,

Es kommt nur drauf an, sie hervorzuholen.

Hat eine Seele nun in ihrem Leben

Sich also negativ photographiert,

So wird die Platte drum nicht kassiert, –

Man pflegt sie vielmehr an uns weiter zu geben.

Wir nehmen sie uns sodann vor zur Behandlung; –

Und geeignete Mittel vollziehn die Verwandlung.

Wir dämpfen, wir baden, wir putzen, wir hitzen,

Mit Säuregüssen und Schwefelblitzen,

So lang', bis sich unsrem geduldigen Auge

Das rechte Bild endlich, das Positiv, tischt.

Doch hat man, wie Sie, sich zur Hälfte verwischt, –

So nützt weder Schwefel noch Kalilauge.

PEER GYNT.

Also nur wer als Rabe zu Ihnen kommt,

Kann als Schneehuhn gehn? Mit Verlaub, wem frommt

In seiner negativen Elendigkeit

Wohl diesmal Ihre Kunst und Behendigkeit?

DER MAGERE.

Einem Herrn Peter Gynt.

PEER GYNT.

Peter Gynt? Ei, ei!

Ist Herr Gynt er selbst?

DER MAGERE.

Er schwört, daß er's sei.

PEER GYNT.

Na, glaubwürdig ist er, dieser Herr Peter.

DER MAGERE.

Sie kennen ihn?

PEER GYNT.

Was man so nennt, versteht er; –

Man kennt ja so manchen.

DER MAGERE.

Meine Zeit ist knapp.

Wo sahn Sie zuletzt ihn?

PEER GYNT.

Drunten am Kap.

DER MAGERE.

Di buona speranza!

PEER GYNT.

Jawohl; doch sein Wort war,

Sein letztes, daß er die längste Zeit dort war.

DER MAGERE.

So muß ich stehenden Fußes dorthin.

Doch geh' ich, trüber Ahnungen schwanger.

Das Kapland, das Kapland wollt' mir nie in den Sinn; –

Dort sind so ein paar schlimme Missionare von Stavanger.

 

Er fährt gen Süden.

 

PEER GYNT.

Der Esel, der dumme! Da schiebt er ab,

Daß die Zung' ihm heraushängt. Viel Glück zum Kap!

Den Hund hab' ich naszuführen gewußt!

So ein Kerl macht sich kostbar und wirft sich in die Brust!

Er hat's wahrlich nötig, sich dick zu machen!

Sein Handwerk wirft ihm nicht viel in den Rachen.

Bald wird er eingehn an Fettverlust.

Hm, ich bin zwar auch kein Ritter ohne Tadel;

Ich bin ausgestoßen, kann man sagen, aus dem Selbsteigner-Adel.

 

Eine Sternschnuppe fällt; er nickt ihr zu.

 

Grüss' von Peer Gynt, Bruder Meteor!

Leuchten, erlöschen, verschwinden im Tor

Der Finsternis – –

 

Schaudert zusammen, wie von Angst gepackt, und geht tiefer hinein in die Nebel; nach einer Weile Schweigens schreit er auf.

 

Will mir denn niemand erstehn, –

Niemand im Abgrund, niemand im Reich des Lichts!

 

Kommt weiter unten wieder hervor, wirft seinen Hut zu Boden und rauft sich das Haar. Allmählich wird er ruhiger.

 

So unsäglich arm kann ein Mensch also gehn

Zurück in die grauen Nebel des Nichts.

Du liebliche Erde, sei mir nicht gram,

Daß ich Dein Gras trat, keinem zum Frommen.

Du liebliche Sonne, die leuchten kam

In ein Haus, drin keiner Dich hieß willkommen!

Kein Mund sprach zu Deiner Schönheit den Reim; –

Der Eigner, so sagt man, war niemals daheim.

Liebliche Sonne, liebliche Erde, –

Was heimtet Ihr meine Mutter an Eurem Herde.

Geist ist kein Marktgeschenk; Natur tritt mit Füßen ...

Es ist hart, seine Geburt mit dem Leben zu büßen. –

Hinauf will ich, hoch, wo die Gipfel blauen,

Einmal die Sonne noch aufgehen schauen,

Starren mich müd' aufs gelobte Land,

In einem Schneesturz mein Ruhbett haben;

Man mag drüber schreiben: »Hier ist niemand begraben«;

Und dann –! Ja, – das Dann hat noch keiner gekannt.

KIRCHGÄNGER singen auf dem Waldweg.

O Morgenstunde,

Da Zungen des Geistes

Wie Schwerter herniedergeflammt!

Aus Enkelmunde

Den Geist nun preist es

In Liedern, dem Himmel entstammt.

PEER GYNT kriecht erschreckt in sich zusammen.

Nicht dorthin schaun! Dort ist Nacht und Verderben. –

Ich fürcht', ich war tot lange vor meinem Sterben.

 

Will sich durchs Gebüsch davonstehlen, stößt jedoch auf den Kreuzweg.

 

DER KNOPFGIESSER.

Guten Morgen, Peer Gynt! Wo ist das Register?

PEER GYNT.

Das Glück und ich, – wir sind Stiefgeschwister.

Was tat ich nicht!

DER KNOPFGIESSER.

Ohne daß Dich wer traf.

PEER GYNT.

Hm, nur ein reisender Photograph.

DER KNOPFGIESSER.

Ja, die Frist ist aus.

PEER GYNT.

Alles ist aus.

Die Eule wittert uns. Hörst Du sie wimmern?

DER KNOPFGIESSER.

Ich hör' nur die Glocke –

PEER GYNT zeigt.

Was mag dort schimmern?

DER KNOPFGIESSER.

Eine Hütte, nichts weiter.

PEER GYNT.

Was klingt dort im Winde –?

DER KNOPFGIESSER.

Ein Weib singt, nichts weiter.

PEER GYNT.

Ja, dort, – dort finde

Ich das Register –

DER KNOPFGIESSER ergreift ihn beim Arm.

Bestell' Dein Haus!

 

Sie sind aus dem Gebüsch herausgekommen und stehen vor der Hütte.

Morgendämmerung.

 

PEER GYNT.

Mein Haus bestellen? Dort ist's! Geh, Mann!

Pack' Dich, Mann! Mich und mein Schuldbuch bärge

Kein Löffel, – und hätt'st Du sie groß wie Särge!

DER KNOPFGIESSER.

Bis zum dritten Kreuzweg denn, Peer; aber dann –!

 

Biegt zur Seite ab und geht.

 

PEER GYNT nähert sich dem Hause.

Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg;

Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg.

 

Bleibt stehen.

 

Wilde, wilde, unendliche Klage;

So heimzukehren am End' seiner Tage!

 

Macht einige Schritte, hält aber wieder inne.

 

Drum herum, sprach der Krumme!

 

Hört Gesang in der Hütte.

 

Nein, dieses Mal, Peer,

Mittendurch, – ob auch der Weg noch so schwer!

 

Er eilt auf das Haus zu; im selben Augenblick tritt Solvejg aus der Tür, zum Kirchgang gekleidet und das Gesangbuch ins Tuch geschlagen, einen Stab in der Hand. Sie steht hoch da und gütig.

 

PEER GYNT wirft sich auf die Schwelle nieder.

Hier ist ein Sünder! Dein Urteil, – sprich's aus!

SOLVEJG.

Gott sei gelobt! Da kam er nach Haus!

 

Tastet nach ihm.

 

PEER GYNT.

Klag' aus das Übermaß meines Gerichts!

SOLVEJG.

Mein einzigster Junge, Du sündigtest nichts!

 

Tastet wieder und findet ihn.

 

DER KNOPFGIESSER hinter dem Hause.

Das Register, Peer Gynt?

PEER GYNT.

Schrei aus mein Verbrechen!

SOLVEJG setzt sich nieder zu ihm.

Durch Dich ward mein Leben ein selig Lied.

Gesegnet seist Du! Du hieltst Dein Versprechen!

Gesegnet der Pfingstmorgen, der Dich hier sieht!

PEER GYNT.

Verloren!

SOLVEJG.

Laß Ihn nur raten und taten!

PEER GYNT lacht.

Verloren! Du könntest denn Rätsel raten!

SOLVEJG.

Nenn sie.

PEER GYNT.

Nenn sie! 's hat keine Gefahr –!

So sag', wo Peer Gynt all die Zeit über war?

SOLVEJG.

Wo er war?

PEER GYNT.

In der Brust der Bestimmung Keim –!

Wo er war, wie sein Gott ihn gewollt und verstanden!

Kannst Du das sagen? Wenn nicht, muß ich heim, –

Und untergehn in den nebligen Landen.

SOLVEJG lächelt.

O, das Rätsel ist leicht.

PEER GYNT.

So sag', was Du weißt!

Wo war ich, in der Brust den göttlichen Geist,

Auf der Stirn den Namenszug, den Er geschrieben?

SOLVEJG.

In meinem Glauben, in meinem Hoffen und in meinem Lieben.

PEER GYNT fährt stutzig zurück.

Was sagst Du –! Schweig! Mach's Herz mir nicht schwer!

Eine Mutter hat in ihr Kind sich verliebt!

SOLVEJG.

Eine Mutter; – doch wer ist sein Vater? Er,

Der ihm um der Mutter willen vergibt.

PEER GYNT ein Lichtstrahl überfliegt ihn, er ruft.

Mutter, Weib; Magd ohne Schuld und Fehle! –

Birg mich denn in Deiner Seele!

 

Er klammert sich an ihr fest und verbirgt das Angesicht in ihrem Schoß. Langes Schweigen. Die Sonne geht auf.

 

SOLVEJG singt leise.

Schlaf denn, teuerster Junge mein!

Ich wiege Dich und ich wache. –

Auf meinem Schoß hat mein Junge gescherzt,

Hat ihn seine Mutter sein Lebtag geherzt.

An Mutters Brust hat mein Junge geruht,

Sein Lebtag. Gott segne Dich, mein einzigstes Gut!

An meinem Herzen zunächst war sein Platz,

Sein Lebtag. Jetzt ist er so müd', mein Schatz.

Schlaf denn, teuerster Junge mein!

Ich wiege Dich und ich wache!

DES KNOPFGIESSERS STIMME hinter dem Hause.

Wir sehn uns am letzten Kreuzweg, Peer;

Und dann wird sich zeigen, – ich sage nicht mehr.

SOLVEJG singt lauter im Tagesglanz.

Ich wiege Dich und ich wache; –

Schlaf und träum', lieber Junge mein!

 

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