Wahr Wort!
EIN MANN IN TRAUER.
Jetzt preisen sie bloß noch Plunder an.
Erblickt Peer Gynt.
Auch Fremde sind hier? Gott zum Gruß, guter Mann!
PEER GYNT.
Desgleichen! Hier ist heut ein lustiger Tag.
Ist hier Kindstauf' heut oder Hochzeitsgelag'?
DER MANN IN TRAUER.
Man weiht, möcht' ich sagen, ein Haus heut ein; –
Die Braut liegt in einem Würmerschrein.
PEER GYNT.
Und Würmer reißen sich um den Schmaus.
DER MANN IN TRAUER.
Das ist das End' vom Lied; dann ist es aus.
PEER GYNT.
Alle Lieder desselbigen Endes sind;
Und alle sind alt; ich kannt' sie schon als Kind.
EIN ZWANZIGJÄHRIGER mit einem Schmelzlöffel.
Hier hab' ich den Vogel abgeschossen!
In dem hat Peer Gynt seine Knöpfe gegossen!
EIN ANDERER.
Und mein Geldscheffel hier, für 'nen Schilling, 'nen ganzen?
EIN DRITTER.
Und für fünftehalb hier der Hausiererranzen?
PEER GYNT.
Peer Gynt? Wer war das?
DER MANN IN TRAUER.
Mir ist nur das klar,
Daß er Schwager vom Tod und Schmied Aslak war.
EIN MANN IN GRAUER KLEIDUNG.
Du vergißt ja mich! Wie kommst Du mir für?
DER MANN IN TRAUER.
Du vergißt auf Hægstad die Blockhaustür.
DER MANN IN GRAU.
Ja, ja; doch Dir hat auch alles genügt.
DER MANN IN TRAUER.
Wenn sie nur jetzt nicht den Tod noch betrügt! –
DER MANN IN GRAU.
Schwager! Einen Schnaps auf der Schwagerschaft Wohl!
DER MANN IN TRAUER.
Der Teufel sei Schwager! Was ist das für Kohl –
DER MANN IN GRAU.
Laß gut sein; das Blut ist noch nicht so verdünnt, –
Man fühlt sich noch immer verwandt mit Peer Gynt.
Zieht mit ihm ab.
PEER GYNT leise.
Man trifft noch Bekannte.
EIN BURSCHE ruft dem Mann in Trauer nach.
Gehst wieder zechen,
Kommt Mutter Dir, Aslak, nach aus der Gruft!
PEER GYNT steht auf.
Hier kann man nun nicht mit dem Landwirt sprechen:
Je tiefer du gräbst, desto besser der Duft.
EIN BURSCHE mit einem Bärenfell.
Die Katze von Dovre! Da seht ihr Fell!
Die war's, die's zur Weihnacht den Trollen legte.
EIN ANDERER mit einem Rentierschädel.
Hier ist der Renbock, der wackre Gesell,
Der mit Peer Gynt einst den Gendin lang fegte.
EIN DRITTER mit einem Hammer, ruft dem Mann in Trauer zu.
He, Du dort, Aslak, kennst Du den Hammer?
Hast Du mit dem einst die Walnuß zerkracht?
EIN VIERTER mit leeren Händen.
Matz Moen, hier der Mantel, der unsichtbar macht!
In dem kam Peer Gynt einst zu Ingrid in die Kammer.
PEER GYNT.
Branntwein, Jungens! Und nun laßt mich Alten
Auch noch Auktion von allerlei halten.
EIN BURSCHE.
Was gibt's zu kaufen?
PEER GYNT.
Ich hab' ein Schloß;
Das liegt in Ronde; – aus gutem Stein!
DER BURSCHE.
Ein Knopf ist geboten!
PEER GYNT.
Schenk' Dir eins ein!
Drunter zu bieten, das war nicht fein.
EIN ANDERER.
Er ist lustig, der Alte!
Ein Haufe schart sich um ihn.
PEER GYNT ruft.
Grane, mein Roß; –
Wer bietet?
EINER IM HAUFEN.
Wo steht es?
PEER GYNT.
Wo wird es sein?
Im Westen! Gen Untergang! Das kann euch traben!
So schnell hat Peer Gynt nicht gelogen, Ihr Knaben!
STIMMEN.
Was hast Du noch mehr?
PEER GYNT.
So Perlen wie Schaum!
Ward mit Schaden gekauft! Wird was einbringen? Kaum.
EIN BURSCHE.
Ruf aus!
PEER GYNT.
Von einem Gesangbuch ein Traum!
Für einen Angelhaken zu haben.
DER BURSCHE.
Zum Teufel die Träume!
PEER GYNT.
Mein Kaisertum!
Ich werf's unter Euch; Ihr mögt raufen darum!
DER BURSCHE.
Folgt die Krone mit?
PEER GYNT.
Aus dem prächtigsten Stroh.
Setzt sie nur auf, sie paßt, so oder so.
Weiter! Ein Windei, noch wohlverwahrt!
Eines Toren Grauhaar! Ein Prophetenbart!
Alles sei dessen, – ich hinterleg' es, –
Der mir den Weiser zeigt: Hier geht's des Weges!
DER AMTMANN der hinzugekommen ist.
Wenn Du noch lang' Dich so gehen läßt,
Mein Mann, so führt Dein Weg zum Arrest.
PEER GYNT mit dem Hut in der Hand.
Glaub's wohl. Doch sag' mir, Freund, wer war
Peer Gynt?
DER AMTMANN.
Du willst mich –
PEER GYNT.
Warum nicht gar!
DER AMTMANN.
Was weiß ich; man sagt, ein greulicher Dichter –
PEER GYNT.
Ein Dichter –?
DER AMTMANN.
Ja, – was nur an Großem erdacht,
Das trug er so vor, als hätt' er's gemacht.
Doch, Freund, schon zu viel von solchem Gelichter –
Geht.
PEER GYNT.
Und wo ist er jetzt, dieser seltsame Fant?
EIN ÄLTERER MANN.
Er fuhr übers Meer in ein fremdes Land.
Dort ging es ihm schlecht, wie vorauszusehn war; –
Jetzt ist er gehängt seit so manchem Jahr.
PEER GYNT.
Gehängt? Ganz, wie ich's gedacht mir hab'!
Der selige Gynt blieb sich treu bis zum Grab.
Grüßt.
Lebt wohl, – und Dank für so mancherlei heute!
Macht einige Schritte, bleibt aber wieder stehen.
Was meint Ihr? Soll ich Euch, wackre Leute,
Dafür ein Geschichtlein wiedererlegen?
MEHRERE.
Ja, weißt Du eines?
PEER GYNT.
Steht nichts dagegen. –
Kommt näher; es gleitet etwas wie ein fremder Ausdruck über sein Gesicht.
In San Francisco grub ich nach Gold.
Da gab es Euch Gaukler, so viel Ihr wollt.
Dem war mit den Zehen zu geigen verliehen;
Der tanzte spanischen Halling auf den Knien;
Ein dritter, erzählte man, Verse schrieb,
Indes man durchs Hirn einen Nagel ihm trieb. –
Kam auch der Teufel dazugestoben, –
Wollt', wie manch andrer, sein Glück erproben.
Seine Kunst bestand darin: mit täuschendem Schein
Zu grunzen als wie ein leibhaftiges Schwein.
Die Persönlichkeit zog, war er gleich nicht bekannt.
Das Haus war voll, die Erwartung gespannt.
Vor trat er, in fliegendem Mantelkragen;
Man muß sich drapieren, wie die Deutschen sagen.
Doch unter dem Mantel, – von keinem gewußt, –
Verbarg sich ein Ferkel an seiner Brust.
Und so begann denn die Produktion.
Der Teufel kniff, und das Schwein gab den Ton.
Das Ganze gab sich als Phantasei
Übers schweinliche Dasein, gebunden und frei.
Ein Quieken zuletzt noch, wie unterm Stahl; –
Worauf sich der Künstler verbeugt' und empfahl.
Der Stoff ward von Fachleuten sorglich durchdacht;
Die Stimmung geschmäht oder lobend belacht;
Der Kehllaut klang doch zu dünn, meinte Kunz,
Und Hinz, daß der Todesschrei allzu studiert war –
Doch alle war'n eins, daß in puncto Gegrunz
Die Produktion denn doch äußerst outriert war. –
Seht, so ging's dem Teufel; denn er war dumm
Und berechnete nicht sein Publikum.
Er grüßt und geht. Es fällt ein unsicheres Schweigen über die Menge.
Pfingstabend. Im Hochwald.
In einiger Entfernung, auf einem Stück Rodeland, eine Hütte mit Rentiergehörn über der Tür.
Peer Gynt kriecht im Gehölz umher und sammelt wilde Zwiebeln.
PEER GYNT.
Dies hier ist ein Standpunkt. Wie wohl gestaltet
Sich's weiter? – Prüft alles, und das Beste behaltet! –
So hab' ich's gemacht, – hoch droben von Cäsar
Bis herunter zum Grasfresser Nebukadnezar.
So sollt' ich nun doch durch die Bibel, zum Trutz! –
Der Graukopf sucht wieder an Mutters Brust Schutz. –
Von Erde, so heißt's ja auch, bist du kommen. –
Nur immer die Wampe recht voll genommen, –
Das ist's. Von Zwiebeln? Das wär' kein Segen; –
Ich will lieber schlau sein und Schlingen legen.
Hier ist Wasser im Bach; ich werd' nicht verschmachten;
Als Tier bin ich immer noch fürstlich zu achten.
Soll ich sterben einst, – und dem entrinn' ich wohl kaum, –
So kriech' ich unter 'nen windbrochnen Baum,
Und deck' mich zu, wie ein Bär, mit Blättern
Und ritz' in die Rinde mit riesigen Lettern:
Hier ruht Peer Gynt, des Landes Zier,
Kaiser von all dem andern Getier. –
Kaiser?
Lacht innerlich.
Noch immer das alte Geliebel!
Du bist kein Kaiser; du bist eine Zwiebel.
Jetzt will ich dich einmal schälen, mein Peer!
Es hilft dir nichts, stöhnst du auch noch so sehr.
Nimmt eine Zwiebel und pflückt Haut um Haut ab.
Da liegt die äußre, zerfetzte Schicht; –
Der Gescheiterte, der um sein Leben ficht.
Die Passagierhaut hier, dünn wie ein Sieb, –
Hat doch im Geschmack von Peer Gynt einen Hieb.
Hier ist das Goldgräber-Ich; – fahr hin!
Der Saft ist weg, – war je einer drin.
Dies Dickfell hier, mit dem Zipfel für zwei, –
Ist der Pelzjäger an der Hudsonsbai.
Dies gleicht einer Krone hier; – hat sich was –!
Dem geben wir ohne weitres den Paß.
Hier der Altertumsforscher, kurz aber kräftig,
Und hier der Prophete, frisch und vollsäftig.
Er stinkt von Lügen, wie's in der Schrift heißt;
Ein Duft, der ein ehrlich Mannsaug' wie Gift beißt.
Dies Blatt hier, das weichlich am Finger klebt,
Ist der Herr, der herrlich und in Freuden gelebt.
Das nächste scheint krank. Es hat schwarze Schwielen; –
Schwarz kann auf Neger wie Pfaffen zielen.
Pflückt mehrere auf einmal ab.
Das hört ja nicht auf! Immer Schicht noch um Schicht!
Kommt denn der Kern nun nicht endlich ans Licht?!
Zerpflückt die ganze Zwiebel.
Bis zum innersten Innern, – da schau' mir einer! –
Bloß Häute, – nur immer kleiner und kleiner. –
Die Natur ist witzig!
Wirft den Rest fort.
Verdammtes Gegrübel!
Geht eins in Gedanken, gerät's ihm oft übel.
Na, ich kann ja nichts an Haltung verlieren;
Denn ich lieg' ja grundfest auf allen Vieren
Kraut sich im Nacken.
Wunderlich kommt mir dies Welttreiben vor!
Das Leben, wie's heißt, hat 'nen Fuchs hinterm Ohr.
Doch greift einer zu, verzieht sich der Schuft,
Und man fängt etwas andres – oder leere Luft.
Er ist in die Nähe der Hütte gekommen, bemerkt sie und stutzt.
Diese Hütte? Im Kiefernwald –! Hm!
Reibt sich die Augen.
Mir ist just,
Als hätt' ich einmal um dies Bauwerk gewußt. –
Der Rentierkopf, der von der Tür herab glänzt – –!
Ein Meerweib, vom Nabel an fischgeschwänzt –!
Lüge! Kein Meerweib! – Nägel, – Planken, –
Schloß wider tückische Koboldgedanken –!
SOLVEJG singt in der Hütte.
Nun ist hier zur Pfingstfeier alles bereit.
Lieber Junge mein, in der Ferne, –
Bist Du noch weit?
Dein Werk, das harte,
Schaff's nur gemach; –
Ich warte, ich warte,
Wie ich Dir's versprach.
PEER GYNT erhebt sich still und totenbleich.
Eine, die Treue hielt, – und einer, der vergaß.
Einer, der ein Leben verspielt, – und eine, die wartend saß.
O, Ernst! – Und nimmer kehrt sich das um!
O, Angst! – Hier war mein Kaisertum!
In den Wald hinein ab.
Nacht. Kiefernwald.
Ein Waldbrand hat gewütet. Verkohlte Baumstämme meilenweit. Weiße Nebel hier und dort über dem Waldboden.
Peer Gynt kommt durch den Wald gehastet.
PEER GYNT.
Asche, Nebel, Wolken Staubes, –
Bauherr, schwing den Zauberstab!
Über Pesthauch faulen Laubes
Wölb' ein übertünchtes Grab!
Dunst, Traum, totgeboren Wissen –
Damit sei der Grund umrissen,
Drüber sich der Turm der Lüge
Stein um Stein zusammenfüge.
Flucht vor Ernst und Scheu vor Buße
Prahl' von ihm mit frechem Gruße
Allen Richtungen der Rose:
Dies schuf Peter Gynt, der Große!
Lauscht.
Welch ein Weinen – wie von Kindern –?
Welch ein neuer Spuk und Greuel –?
Und am Boden rollen Knäuel –!
Stößt mit dem Fuß danach.
Wollt Ihr mich am Gehen hindern?
DIE KNÄUEL.
Wir sind Gedanken;
Hast Du gedacht uns,
Tanzen auf schlanken
Füßen gemacht uns?
PEER GYNT geht um sie herum.
Einer kam durch mich ans Licht; –
Ward ein schiefer, schieler Wicht!
DIE KNÄUEL.
Wir hätten sollen
Wie Vögel ins Blaue, –
Statt hier zu rollen
Als Garnknäuel, graue.
PEER GYNT stolpert.
Knäuel! Tropf! Was fällt Dir ein!
Stellst dem eignen Vater Bein!
Flüchtet.
WELKE BLÄTTER fliegen vor dem Winde.
Wir sind eine Losung;
Hast Du gesprochen uns? –
Des Staubs Liebkosung
Hat kläglich gebrochen uns.
Der Wurm zerfraß uns
Bis zu Skeletten;
Dein Geiz vergaß, uns
Um Früchte zu betten.
PEER GYNT.
Kamt doch nicht umsonst zur Erden;
Könnt noch bester Dünger werden.
SAUSEN IN DEN LÜFTEN.
Wir sind Lieder;
Hast Du gesungen uns? –
Tausendmal nieder
Hast Du gezwungen uns.
In Deiner Seele
Lagen und harrten wir; –
Nimmer nun warten wir.
Gift in Deine Kehle!
PEER GYNT.
Gift in Dich, Du dumm Gesing'!
Hatt' ich Zeit zu Versgekling?
Schlägt sich durch Gebüsch.
TAUTROPFEN tropfen von den Zweigen.
Wir sind Zähren; –
Hast Du vergossen uns?
Winter zu wehren,
War einst erschlossen uns.
Dein Herz rief leise; –
Du bliebest achtlos.
Nun starrt's von Eise, –
Und wir sind machtlos.
PEER GYNT.
Hab' geflennt im Dovreschlosse, –
Flog zuletzt doch in die Gosse!
GEBROCHENE HALME.
Wir sind Taten; –
Hast Du bestellt uns?
Weh, nur verraten,
Geknickt und zerspellt uns!
Am jüngsten Tage
Kommen wir allzusamt
Und führen Klage, –
So wirst Du verdammt.
PEER GYNT.
Mir auch noch, verwünschtes Treiben,
Was ich nicht tat, anzuschreiben!
Hastet davon.
AASES STIMME aus der Ferne.
Pfui, so ein Hingejag'!
Schön hast Du umgekippt!
Schnee fiel den ganzen Tag; –
Arg wurd' ich eingestippt. –
Falsch hast gefahren mich;
Sah nichts vom Schlosse;
Der Teufel hielt zum Narren Dich
Mit der Hühnerstallsprosse!
PEER GYNT.
's Beste, sich von hier zu drücken!
Zu den Sünden, die dich plagen,
Auch noch die des Teufels tragen, –
's ist zu schwer für einen Rücken.
Eilig ab.
Eine andere Strecke im Walde.
PEER GYNT singt.
Ein Totengräber! Wo seid Ihr, Hunde?
Ein Lied aus blökendem Küstermunde!
Einen Flor, meinen Hutrand zu schatten!
Ich will meine Toten bestatten.
Der Knopfgießer mit Gerätkasten und einem großen Schmelzlöffel kommt auf einem Seitenweg daher.
DER KNOPFGIESSER.
Schön guten Abend!
PEER GYNT.
Desgleichen Dir!
DER KNOPFGIESSER.
Man hat's eilig, wie? Wohin sollen wir?
PEER GYNT.
Zum Kirchhof.
DER KNOPFGIESSER.
Zum Kirchhof? Verzeihung, – da wär'
(Ich seh' nicht mehr gut) Dein Nam' am End' Peer?
PEER GYNT.
Peer Gynt, wie man sagt.
DER KNOPFGIESSER.
Das Glück ist mir hold!
Just er war's, den ich heut holen sollt'.
PEER GYNT.
Das sollt'st Du? – Was willst Du?
DER KNOPFGIESSER zeigt seinen Schmelzlöffel.
Was mag dies hier sein?
Eines Knopfgießers Löffel! Und Du sollst hinein.
PEER GYNT.
Wozu?
DER KNOPFGIESSER.
Um umgeschmolzen zu werden.
PEER GYNT.
Um umgeschmolzen zu –?
DER KNOPFGIESSER.
Laß die Gebärden!
Dein Grab ist geschaufelt, Dein Sarg bestellt,
Dein Leib den Würmern zur Beute fällt; –
Doch Deine Seele, ward mir befohlen,
In meines Meisters Namen zu holen.
PEER GYNT.
Unmöglich! So ohne vorheriges Zeichen –!
DER KNOPFGIESSER.
Man pflegt bei Niederkünften und Leichen
In aller Stille den Festtag zu wählen
Und dem Ehrengast vorher kein Wort zu erzählen.
PEER GYNT.
Ja, richtig. Vergib, ich bin ganz verstört.
Du bist also –?
DER KNOPFGIESSER.
Knopfgießer; – wie Du gehört.
PEER GYNT.
Verstehe! Lieb Kind hat mancherlei Namen.
Ei, sieh mir, Freund Peer, wohin wir da kamen!
Doch, Alter, Du dünkst mich übel belehrt!
Ich weiß, ich bin mildre Behandlung wert; –
Ich bin nicht so arg, als Ihr vielleicht denkt; –
Ich hab' mancher Guttat das Dasein geschenkt; –
Im schlimmsten Falle bin ich ein Töffel, –
Doch nimmer ein Sünder für Deinen Löffel.
DER KNOPFGIESSER.
Da sprichst Du's ja selber aus, kurzer Hand;
Du bist kein Sünder im höhern Verstand.
Drum sparst Du ja auch die Hölle, Geselle,
Und kommst, gleich andern, in meine Kelle.
PEER GYNT.
Nenn's, wie Du willst, – Kell' oder Höll;
Steinschlag wie Bergsturz bleibt beides Geröll.
Hebe Dich weg von mir!
DER KNOPFGIESSER.
Kränkender Ruf!
Du meinst, ich trab' auf 'nem Pferdehuf?
PEER GYNT.
Auf Pferdehuf oder Fuchsklauen, Mann, –
Pack' Dich, und gib keine Torheiten an!
DER KNOPFGIESSER.
Mein Lieber, Du irrst Dich über die Maßen.
Wir haben beide nicht Zeit, zu spaßen; –
Und darum bündig der Sache Grund.
Ich hab' es aus Deinem eigenen Mund,
Du seist kein großer Sünder zu schelten,
Ja, kaum ein mittlerer –
PEER GYNT.
Das mag gelten.
Das klingt schon besser –
DER KNOPFGIESSER.
Laß Dir nur Zeit; –
Doch Dich tugendhaft schelten, ginge zu weit –
PEER GYNT.
Wer wollte denn auch gleich freien Paß!
DER KNOPFGIESSER.
Du bist also etwas, – halb dies, halb das.
Einem Sünder vom wirklich großzügigen Schlage
Begegnet man heute nicht alle Tage;
Mit Waten im Schlamm ist wenig geschafft;
Eine Sünde will Ernst, eine Sünde will Kraft.
PEER GYNT.
Ja, da hast Du recht; Gott soll mich behüten;
Man soll wie ein alter Berserker wüten.
DER KNOPFGIESSER.
Du aber triebst mit der Sünd' nur Gebuhl.
PEER GYNT.
Mir war sie nie mehr als ein schmutziger Fleck.
DER KNOPFGIESSER.
So sind wir ja einig. Der Schwefelpfuhl
Ist nicht für Euch, die Ihr patschtet im Dreck –
PEER GYNT.
Und folglich wird man verschont nun, Wertester?
DER KNOPFGIESSER.
Nein, folglich umgeschmolzen, Verehrtester.
PEER GYNT.
Was sind das für Kniffe, drauf Ihr hier verfielt,
Derweil sich Peer Gynt von Euch ferne hielt?
DER KNOPFGIESSER.
Ein Brauch, alt, wie die Erschaffung der Schlange; –
Damit, was ein Wert, auch zur Geltung gelange.
Du kennst ja das Handwerk, – weißt wohl, daß oft
Ein Guß mißraten kann, unverhofft.
Oft werden die Knöpfe ösenlos.
Was tätest Du da?
PEER GYNT.
Ich würf' sie beiseite.
DER KNOPFGIESSER.
Jawohl; Jon Gynt war im Wegwerfen groß,
Solang' sich noch Geldsack an Geldsack reihte.
Der Meister aber faßt's anders an –
Und bleibt auch darum ein sicherer Mann.
Er wirft nichts weg, als schlechthin verächtlich,
Was irgendwie noch als Rohstoff beträchtlich.
Du warst nun gedacht als ein blinkender Knopf
Auf der Weste der Welt; doch die Öse mißlang.
So mußt Du denn, Freund, in den Ausschußtopf –
Und nimmst wieder in die Masse den Gang.
PEER GYNT.
Du planst doch nicht etwan aus mir, zum Schluß,
Samt Peter und Paul einen neuen Guß?
DER KNOPFGIESSER.
Ei freilich rechn' ich mit solchen Güssen.
Hat mehr als einer dran glauben müssen.
Zu Kongsberg ergeht es dem Geld nicht anders,
Das schlecht ward ob zu vielen Gewanders.
PEER GYNT.
Aber das ist ja elende Knauserei!
Teuerster Freund, da gib mich nur frei; –
Ein Knopf ohne Öse, ein blinder Heller, –
Was ist das für Deinen Auftragsteller!
DER KNOPFGIESSER.
Freund, ösenlos oder abgeschliffen, –
Dein Metallwert bleibt davon unangegriffen.
PEER GYNT.
Nein, sag' ich! Nein! Mit Zähnen und Klauen
Wehr' ich mich. Alles andre; nur das nicht!
DER KNOPFGIESSER.
Was denn für andres? Empor zum Blauen
Hast Du nun einmal den Reisepaß nicht –
PEER GYNT.
Ich bin zufrieden mit dem, was sich beut;
Von meinem Selbst aber lass' ich keinen Deut.
Straft mich, wie's Brauch, mit gesetzlicher Buße!
Setzt mich zu dem mit dem Pferdefuße; –
Ein hundert Jährlein, tut Ihr's nicht billiger;
Seht, das ist etwas, – da zeig' ich mich williger;
Die Pein ist schließlich doch nur moralisch,
Und also wohl nicht so pyramidalisch; –
Ein Übergang nur, wie geschrieben steht,
Und wie der Fuchs sagte. Früh oder spät
Erfolgt dann ein Abschluß; man zieht sich zurück –
Und hofft – und versucht von neuem sein Glück.
Doch dieses andre, – dies wie ein Stück Lehm
Zerknetet werden zu weiß Gott wem, –
Diese Schmelzlöffelei, dies Enteignungsverfahren, –
Dagegen möcht' ich mich gründlichst verwahren.
DER KNOPFGIESSER.
Aber, lieber Peer, was ist denn dabei?
Wegen solch einer Kleinigkeit solch ein Geschrei!
Ein Mann, der niemals er selbst gewesen; –
Und macht nun, zu sterben, solch Federlesen!
PEER GYNT.
Was ist der Mann nicht gewesen –? Oho!
Peer Gynt ist was andres gewesen; so, so!
Nein, Knopfgießer, laß Du das Spekulieren!
Könnt'st Du durchforschen mir Herz und Nieren,
Du träfst bloß immer auf Peer und Peer
Und weiter nichts andres und sonst nichts mehr.
DER KNOPFGIESSER.
Das ist nicht möglich. In meinem Befehle
Hier heißt es: Fordre Peer Gynt! Seine Seele
Bot ihrer Bestimmung Trotz, bis zum Schluß.
In den Löffel mit ihm als mißratenem Guß.
PEER GYNT.
Dummes Zeug! Das gilt einer andern Person.
Steht da wirklich Peer? Nicht Rasmus oder Jon?
DER KNOPFGIESSER.
Die hab' ich seit langem schon umgegossen.
So komm denn im guten, und laß die Possen!
PEER GYNT.
Narr, der ich wäre! Was soll dann geschehn,
Wenn sich morgen erweist, es war ein Versehn?
Du trügst die Verantwortung dann, guter Mann!
Erwäg, was alles draus folgen kann –
DER KNOPFGIESSER.
Ich hab' es hier schriftlich –
PEER GYNT.
So gönn mir doch Frist!
DER KNOPFGIESSER.
Was willst Du damit?
PEER GYNT.
Beweisen, was ist.
Daß ich ich selbst war alle meine Tage.
Und dies war ja wohl unsre strittigste Frage.
DER KNOPFGIESSER.
Beweisen?
PEER GYNT.
Mit Zeugnissen und Attesten.
DER KNOPFGIESSER.
Ich fürchte, Du hältst meinen Meister zum besten.
PEER GYNT.
Nein, nein! Doch alles geh' seinen Gang!
Lieber Mann, bitte, borg' mich mir selbst so lang'.
Nur ein Fristchen! Man wird nur einmal geboren –
Und möchte doch dann auch so weiter bestehn.
Wir sind also einig?
DER KNOPFGIESSER.
Magst Du denn gehn.
Doch am nächsten Kreuzweg bist Du verloren.
Peer Gynt eilig ab.
Ein Stück weiter im Wald.
PEER GYNT in voller Fahrt.
Zeit ist Geld, wie geschrieben steht.
Wo wohl der nächste Kreuzweg geht?
Kommt er noch lange nicht, kommt er bald?
Der Boden brennt mich wie glüh'nder Basalt.
Ein Zeuge! Ein Zeuge! Wo find' ich einen?
Weh mir! Im Wald hier treff' ich wohl keinen.
Die Welt ist Pfuschwerk! Die Einrichtung schlecht,
Will ein Mann beweisen sein sonnenklar Recht!
Ein gekrümmter Alter, einen Stab in der Hand und einen Sack auf dem Rücken, trottet vor ihm her.
DER ALTE bleibt stehen.
Liebwerter, – ein Obdachloser bittet –!
PEER GYNT.
Entschuldig'; ich hab' kein Kleingeld bei mir –
DER ALTE.
Prinz Peer! Herrje! Wir treffen uns hier –?
PEER GYNT.
Wer bist Du?
DER ALTE.
Tu' er doch nicht so gesittet!
PEER GYNT.
Du bist doch wohl nicht –?
DER ALTE.
Der Dovre-Greis? Ja!
PEER GYNT.
Der Dovre-Alte? Du, Alter, da?
DER DOVRE-ALTE.
Was, ich bin schön auf den Hund gekommen –!
PEER GYNT.
Entthront?
DER DOVRE-ALTE.
Ja, schenk' mir Dein Mitleid, ich brauch's.
Hier trab' ich am Bettelstab, knurrenden Bauchs.
PEER GYNT.
Hurra! Die Zeugenschaft dürfte mir frommen!
DER DOVRE-ALTE.
Der Herr Prinz, wie er grau geworden ist!
PEER GYNT.
Lieber Schwiegervater, die Jahre zehren.
Na; Schwamm über alle privaten Affären, –
Und, vor allem, keinen Familienzwist.
Ich war damals ein Tollkopf –
DER DOVRE-ALTE.
Ach ja; ach ja; –
Der Prinz war halt jung. Und was macht man nicht da?
Aber klug war der Prinz, seine Braut zu verschmähn;
Jetzt braucht er dafür nicht sein Los zu verdammen!
Nicht lang', und sie war mit 'nem andern zu sehn –
PEER GYNT.
Ei, ei!
DER DOVRE-ALTE.
Immer mehr und mehr ließ sie sich gehn;
Und jetzt, – jetzt lebt sie mit Trond zusammen.
PEER GYNT.
Welchem Trond?
DER DOVRE-ALTE.
Dem im Waldgebirg.
PEER GYNT.
Dem ich einmal
Drei Säterinnen vorm Mund weg stahl!
DER DOVRE-ALTE.
Mein Enkel ist groß geworden und fett;
Sein Nachwuchs sitzt allerorten im Lande –
PEER GYNT.
Ja, klatsch' mir nur alles von A bis Z; –
Was kümmert mich jetzt diese ganze Bande. –
Ich bin nämlich in eine Klemme geraten
Und wünsche ein Zeugnis oder Attest; –
Und ist Väterchens Kopf noch kapitelfest,
So springt ja wohl auch mal ein Viertelsdukaten –
DER DOVRE-ALTE.
Wär's möglich; ich könnte dem Prinzen was frommen?
Und dafür vielleicht selber ein Zeugnis bekommen?
PEER GYNT.
Mit Freuden. Hab' so kein Bar zu verklecken,
Muß knicken und sparen an allen Ecken.
Doch hört, was es gilt.
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