Verloren.

AASE.

Nein, red' nicht so!

Er ist ein Kerl! Da wär' mancher froh –!

DER MANN.

Du Törin!

AASE.

Mag ich Dir eine gelten!

Doch meinen Jungen, den lass' ich nicht schelten.

DER MANN immer gedämpften Tones und mit milden Augen.

Er ist verloren; sein Herz ward zu Stein.

AASE angstvoll.

Nein doch! So hart wird der Herrgott nicht sein!

DER MANN.

Kann er vielleicht seine Sünden bestreiten?

AASE eifrig.

Nein, aber durch die Luft kann er reiten!

DIE FRAU.

Seid Ihr verrückt?

DER MANN.

Was schwatzt Ihr da her?

AASE.

Nichts auf der Welt ist dem Jungen zu schwer.

Laß ihn nur erst seine Schalen ganz sprengen –

DER MANN.

Säht Ihr ihn nur erst am Galgen hängen!

AASE schreit.

Jesus, nein!

DER MANN.

Wird ihn der Henker packen,

Krümmt ihm vielleicht doch noch Reue den Nacken.

AASE betäubt.

O, Ihr verwirrt noch mich armes Weib!

Kommt doch! Es gilt –

DER MANN.

Seine Seel'.

AASE.

Und seinen Leib!

Steckt er im Sumpf, wir betten ihn trocken, –

Ist er verhext, muß der Küster an die Glocken, –

DER MANN.

Hm! – Hier ist Viehweg –

AASE.

Vergess' Gott Euch nicht,

Daß Ihr mir helft!

DER MANN.

Das ist Christenpflicht.

AASE.

So? Na, dann sind das Heiden, die andern!

Auch nicht einer wollt' mit uns wandern –

DER MANN.

Man kennt ihn zu gut.

AASE.

Er konnt' ihnen zu viel!

 

Ringt die Hände.

 

Und denkt Euch! Sein Leben steht auf dem Spiel!

DER MANN.

Hier scheint 'ne Fährte –.

AASE.

So laßt uns eilen!

DER MANN.

Bei unserm Saeter dann woll'n wir uns teilen.

 

Er und seine Frau gehen voraus.

 

SOLVEJG zu Aase.

Erzähl' mir noch etwas!

AASE trocknet die Augen.

Von meinem Sohn?

SOLVEJG.

Ja; –

Alles!

AASE lächelt und trägt den Kopf mit einem Mal wieder hoch.

Alles? – Müd' würd'st Du da!

SOLVEJG.

Eher wohl würdet Ihr müd', zu plauschen,

Als ich, zu lauschen.

 

Niedrige baumlose Höhen unterm Hochgebirge.

Bergzinnen weiter hinten. Die Schatten fallen lang; es ist spät am Tage.

 

PEER GYNT kommt in großen Sätzen gesprungen und macht vor dem Abhang halt.

Die ganze Gemeind' ist aus, mich zu fangen.

Sie haben sich bewaffnet mit Flinten und Stangen.

Allen voran hört den Haegstad man brüllen. –

Überall heißt's jetzt: Peer Gynt, das wilde Füllen!

Das ist doch was mehr, als Gebalg mit 'nem Schmied;

Das ist Leben. Man fühlt sich wie ein Bär in jedem Glied.

 

Schlägt um sich und macht einen Luftsprung.

 

Brechen! Wälzen! Den Wasserfall stauen!

Tannen auswurzeln! Stoßen! Hauen!

Das ist Leben! Das kräftigt! Das schafft Genügen!

Zum Teufel mit all den wässrigen Lügen!

DREI SAETERINNEN laufen über die Berghänge schreiend und singend.

Trond im Walgebirg! Kåre und Bår!

Wir schieben heut Nacht die Riegel nicht vor!

PEER GYNT.

Was schreit Ihr da?

DREI SAETERINNEN.

Jede nach ihrem Troll!

ERSTE SAETERIN.

Trond! Komm mir schmachtend!

ZWEITE SAETERIN.

Bår, komm mir toll!

DRITTE SAETERIN.

Im Saeter stehn alle Kammern leer.

ERSTE SAETERIN.

Toll ist schmachtend!

ZWEITE SAETERIN.

Und schmachtend ist toll!

DRITTE SAETERIN.

Fehlt' es an Burschen, so liebt man 'nen Troll.

PEER GYNT.

Wo sind denn die Burschen?

ALLE DREI SAETERINNEN sich vor Lachen schüttelnd.

Die kommen nicht mehr.

ERSTE SAETERIN.

Der meine, der nannt' mich Verlobt' und Verwandte, –

Da wurd' er der Mann von 'ner alten Tante

ZWEITE SAETERIN.

Der meine, der traf 'ne Zigeun'rin im Norden, –

Da sind sie beide Landstreicher worden.

DRITTE SAETERIN.

Der meine vergab's unserm kleinen Dinge, –

Jetzt grient sein Schädel wo aus 'ner Schlinge.

ALLE DREI SAETERINNEN.

Trond im Walgebirg! Kåre und Bår!

Wir schieben heut Abend die Riegel nicht vor!

PEER GYNT steht mit einem Sprung unter ihnen.

Ich bin ein Troll und ein Bursch für Euch drei!

DIE DREI SAETERINNEN.

Bist Du so 'n Kerl?

PEER GYNT.

Steh' der Himmel Euch bei!

ERSTE SAETERIN.

Zum Saeter!

ZWEITE SAETERIN.

Wir haben Met!

PEER GYNT.

Laßt's ein Meer sein!

DRITTE SAETERIN.

Die Samstagsnacht soll keine Kammer heut leer sein!

ZWEITE SAETERIN küßt ihn.

Er glühet und sprühet wie glühheißes Erz.

DRITTE SAETERIN ebenso.

Wie 's Aug' einer Kindsleich' im schwärzesten See.

PEER GYNT.

Trübe der Sinn und frech das Herz.

Im Auge Lachen, im Halse Weh!

DIE DREI SAETERINNEN machen den Bergspitzen lange Nasen, schreien und singen.

Trond im Walgebirg! Kåre und Bår!

Wir schieben heut Nacht die Riegel doch vor!

 

Im Rondegebirge.

Sonnenuntergang. Schimmernde Schneegipfel rundum.

 

PEER GYNT kommt wirr und verwildert.

Luftschloß auf Luftschloß brückt es

Über die Tiefen hin!

Steh! Willst Du stehn! Da rückt es

Wieder aus Augen und Sinn!

Auf dem Turme der Hahn winkt

Mit seinen Flügeln zur Flucht; –

Und, ein entflatternder Wahn, sinkt

Alles ins Grauen der Schlucht. –

Was für Wurzeln und Stämme sprießen

Dort aus zerklüftetem Grund?

Das sind Riesen mit Reiherfüßen!

Da schluckt sie schon wieder ein Schrund. –

Wie Regenbogengeflimmer

Frißt sich mir's ins Gehirn.

Was ist das für Glockengewimmer!

Was werkt da in meiner Stirn!

Der Schädel nimmt keinen Rat an.

Wie sollt' er's auch mit dem Band,

Dem brennheißen, um sich! Zum Satan!

Wer hat mir nur das umgebrannt!

 

Sinkt nieder.

 

Bocksritt über den Genden.

Wer Dir das glauben mag?

Hoch an den schroffesten Wänden

Mit' der Braut'– und im Rausch einen Tag;

Stoßende Falken und Weihen,

Trollspuk und ähnlicher Prast,

Liebschaften gleich mit dreien; –

O, Du verruchter Phantast!

 

Starrt lange aufwärts.

 

Da segeln zwei braune Aare.

Gen Süden die Wildgäns' ziehn,

Und hier soll ich armer Narre

Im Kot waten bis zu den Knien!

 

Springt in die Höhe.

 

Ich will mit! Will baden mich rein in

Des Winds allerwildester Wut!

Will hoch! Will tauchen hinein in

Der Sonne Taufstrahlenflut!

Ich will fort! Ich schwing' mich zu Pferde;

Ich reit' mich von Sinn und Verstand;

Ich stürm' übers Meer und werde

Kaiser von Engelland;

Ja, glotzt nur, ihr Mädels da drunten!

Ich tu,' was ich mag, annoch.

Was wartet ihr, dumme Tunten –!

Das heißt, – am End' komm' ich doch?! –

Halloh! Die Adler da droben, –

Die hat wohl der Schwarze verhext! –

Da hat sich ein Giebel erhoben!

Schau', schau', wie das wird und wächst!

Ein Bauwerk aus Berg und Wolke!

Haha, jetzt kenn' ich mich aus!

Breit winkt die Tür allem Volke, –

Das ist Großvaters neugebaut Haus.

Dem alten Gebälk ging's zuleibe,

Der Hecke gab man den Rest.

Das glitzert von jeder Scheibe,

Im großen Saal, da ist fest!

Da messert die Plappertasche,

Der Propst, an sein Glas und girrt; –

Da schmeißt der Kapitän seine Flasche,

Daß der Spiegel in Scherben zerklirrt. –

Laß fahren dahin! Laß fahren!

Schweig, Mutter; wir machen's nicht gut!

Der reiche Jon Gynt mag nicht sparen, –

Ein Hoch auf das Gyntische Blut!

Was ist das für ein Gezeter!

Was für ein Gelärm' und Gejohl'!

Der Kapitän ruft nach Peter, –

Der Propst will ausbringen mein Wohl.

Hinein denn, entgegengenommen

Dein Urtel von jedem im Saal! –:

Von Großem, Peer, bist Du kommen,

Und Großes noch wirst Du einmal!

 

Springt vorwärts, rennt jedoch mit der Nase gegen einen Felsblock, fällt hin und bleibt liegen.

Eine Berglehne mit großen rauschenden Laubbäumen.

Sterne blinken durchs Laub; Vögel singen in den Baumkronen. Ein grüngekleidetes Weib geht auf der Lehne. Peer Gynt folgt ihm unter allerhand verliebten Gebärden.

 

DIE GRÜNGEKLEIDETE bleibt stehen und kehrt sich um.

Ist's wahr?

PEER GYNT schneidet sich mit dem Finger über die Gurgel.

Ich heiße nicht wahrer Peer, –

Und Du bist nicht wahrer eine bildsaubre Dirn!

Willst Du mich haben? Du bekommst es nicht schwer,

Sollst nichts zu tun haben mit Nadel und Zwirn,

Magst Dich mit Speisen nach Herzenslust stopfen,

Will Dich auch niemals beuteln oder schopfen –

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Nie auch mich schlagen?

PEER GYNT.

Nein; so zu fragen!

Ein Königssohn wird doch nicht Weibsleute schlagen.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Ein Königssohn?

PEER GYNT.

Ja!

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Ich bin Dovrekönigs Kind.

PEER GYNT.

Bist Du? Schau', schau', was für Leute wir sind!

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Drinnen in Ronde hat Vater sein Schloß.

PEER GYNT.

Mutters Palast ist ein wahrer Koloß.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Kennst Du meinen Vater? Den König Brose?

PEER GYNT.

Kennst Du meine Mutter? Die Königin Aase?

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Brüllt Vater, bersten die größten Blöcke.

PEER GYNT.

Schilt Mutter, schießen sie Purzelböcke.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Vater, der springt dir im Tanz bis ans Dach.

PEER GYNT.

Mutter, die reitet durch den reißendsten Bach.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Hast Du keinen besseren Anzug als den?

PEER GYNT.

Du solltest mal meinen Sonntagstaat sehn!

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Ich geh' auch Werktags in seidnem Kleide.

PEER GYNT.

Es sieht zwar wie Werg aus und Gras, nicht wie Seide –

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Ja, Du, auf eines, da hab' Du mir Acht:

So ist's nun einmal bei uns hergebracht:

Alles beim Rondevolk hat zwei Seiten.

Wenn Du auf Vaters Schloß mit mir gehst,

Dürft' Dich der Schein leicht zum Glauben verleiten,

Daß Du mitten in einer Geröllwüste stehst.

PEER GYNT.

Just wie bei uns! Daß man's glauben sollt'!

Für Ruß und Rost möcht'st Du alles das Gold –

Und jede glitzernde Scheib' für aus alten

Fetzen und Flicken zurecht gemacht halten.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Schwarz, das scheint weiß, und grob, das scheint fein.

PEER GYNT.

Groß, das scheint klein, und schmutzig, das scheint rein!

DIE GRÜNGEKLEIDETE fällt ihm um den Hals.

Ja, Peer, so seh' ich, wir geben ein Paar!

PEER GYNT.

Wie Bein und Hose, wie Kamm und Haar.

DIE GRÜNGEKLEIDETE ruft nach hinten in die Berglehne.

Brautrößlein! Brautrößlein mein! Komm hervor!

 

Eine riesengroße Sau kommt gelaufen mit einem Tauende als Zaum und einem alten Sack als Sattel. Peer Gynt schwingt sich darauf und nimmt die Grüngekleidete vor sich.

 

PEER GYNT.

Heissa! Jetzt geht es durchs Ronde-Tor,

Sput' Dich, sput' Dich, mein Zelter brav!

DIE GRÜNGEKLEIDETE zärtlich.

Ach, gestern noch ging ich als wie im Schlaf; –

Und heute – wer das mir gesagt hätt'! – und heute –!

PEER GYNT prügelt die Sau und trabt von dannen.

Am Reitzeug erkennt man die fürnehmen Leute!

 

Des Dovre-Alten Königshalle.

Große Versammlung von Hoftrollen, Erdgeistern und Kobolden. Der Dovre-Alte auf dem Hochsitz mit Krone und Szepter. Seine Kinder und nächsten Verwandten zu beiden Seiten. Peer Gynt steht vor ihm. Große Bewegung im Saal.

 

DIE HOFTROLLE.

Schlachtet ihn ab! Betört hat der Christ

Des Dovre-Alten wonnigste Maid!

EIN JUNGER TROLL.

Ob ich ihn in den Finger schneid'?

EIN ANDERER.

Darf ich ihn an den Haaren reißen?

EINE TROLLJUNGFER.

Laßt mich ihn in den Schenkel beißen!

TROLLHEXE mit einem Kochlöffel.

Dafern er in Salzlaug' zu pökeln ist –?

EINE ANDERE mit einem Schlächtermesser.

Soll ich ihn am Spieß braten oder im Hafen schmoren?

DER DOVRE-ALTE.

Eis Euch ins Blut!

 

Winkt seine Vertrauten näher zu sich heran.

 

Hört, sei'n wir keine Toren!

Mit uns geht's die letzten Jahre zurück,

Wir haben den Halt, sozusagen, verloren,

Und Volkshilfe macht' uns am End' wieder flügg.

Zudem scheint der Bursche gesund geboren,

Und stark gebaut ist er auch, wie ich seh'.

Wohl wahr, Kopf hat er nicht mehr als einen,

Doch hat meine Tochter ja auch nicht meh.

Dreiköpfiger Trolle gibt's schier mehr keinen,

Zweiköpfige kaum noch mal hier und da,

Und die sind denn auch soso lala.

 

Zu Peer Gynt.

 

Du willst, daß ich Dir die Tochter gebe?

PEER GYNT.

Die Tochter und 's Reich als Mitgift dazu.

DER DOVRE-ALTE.

Das halbe mag Dein sein, solang' ich noch lebe,

Das übrige, leg' ich dereinst mich zur Ruh'.

PEER GYNT.

Ich bin's zufrieden.

DER DOVRE-ALTE.

Ja, stopp, mein Sohn!

Du mußt Dich auch durch Zusagen binden.

Und brichst Du nur eine, so kostet's den Thron,

Und Du wirst nie mehr lebend von hier hinweg finden.

Zunächst hast Du nirgends herumzuscharlenzen,

Auch nicht in Gedanken, außer Rondanes Grenzen.

Tag sollst Du scheun und Tat und jeden Fleck Lichts.

PEER GYNT.

Wenn ich König genannt werd', verschlägt mir das nichts.

DER DOVRE-ALTE.

Dann woll'n wir Dich mal bei den Hörnern packen –

 

Erhebt sich auf seinem Sitz.

 

DER ÄLTESTE HOFTROLL zu Peer Gynt.

Wobei Deine Kunst sich erweisen soll,

Des Alten Rätselnüsse zu knacken!

DER DOVRE-ALTE.

Wodurch unterscheiden sich Mensch und Troll?

PEER GYNT.

Die unterscheiden sich wohl nicht sehr.

Großtroll will zwicken und Kleintroll will zwacken; –

Ganz wie bei uns, wenn's erlaubt nur wär'.

DER DOVRE-ALTE.

Wohl wahr, wir sind einig in dem und in mehr.

Doch gleicht sich auch Tag um Tag um ein Haar, –

Ein Unterschied bleibt denn doch immerdar. –

Hör' zu denn, so wird er Dir offenbar.

Draußen im Sonnenstrahl ruft man sich zu

Als heimlichste Weisheit: »Mensch, sei Du!«

Hier aber unter uns Trollen heißt klug

Geredet: »Troll, sei Du – Dir genug!« –

DER HOFTROLL zu Peer Gynt.

Ist das nicht tief?

PEER GYNT.

Mir ist's noch nicht klar.

DER DOVRE-ALTE.

»Genug«, mein Sohn, dies mächtige Scheid'wort,

Werde fortan Dein Leib- und Leitwort!

PEER GYNT kraut sich hinter dem Ohr.

Ja, doch –

DER DOVRE-ALTE.

Du mußt, willst Du Herr hier werden!

PEER GYNT.

Meinthalben; 's gibt schlimmere Dinge auf Erden –

DER DOVRE-ALTE.

Sodann mußt Du Ehre, zu lernen, einlegen,

Wie wir daheim hier zu leben pflegen.

 

Er winkt. Zwei Trolle mit Schweinsköpfen, weißen Nachthauben usw. bringen Speise und Trank.

 

Die Kuh gibt Fladen, der Ochs gibt Met;

Frag' nicht, ob's sauer oder süß eingeht;

Die Hauptsach', ist, daß man nie vergißt,

Daß es hausgemacht ist.

PEER GYNT weist die Sachen zurück.

Zum Teufel mit Euerer Hauskost auch!

Ich find' mich wohl nie in den Landesbrauch.

DER DOVRE-ALTE.

Der Napf geht mit und der Napf ist von Gold.

Wer den Goldnapf hat, dem ist mein Töchterlein hold.

PEER GYNT überlegend.

Es steht freilich geschrieben: Du sollst Dich zwingen; –

Und man lernt's mit der Zeit ja wohl leichter schlingen.

Meinthalben!

 

Fügt sich.

 

DER DOVRE-ALTE.

Sieh, Freund, das zeugt von Vernunft. –

Du spuckst?

PEER GYNT.

Man gewöhnt sich wohl noch in die Zunft.

DER DOVRE-ALTE.

Sodann mußt Du Deine Christentracht abwerfen;

Denn dies laß zu Dovres Ehren Dir einschärfen:

Hier ist nichts von jenseits der Felsenscheide,

Außer hinten am Wedel die Schleife von Seide.

PEER GYNT zornig.

Ich hab' keinen Wedel!

DER DOVRE-ALTE.

Geduld' Dich, Mann!

Hoftroll, bind' ihm meinen Sonntagsschwanz an.

PEER GYNT.

Wenn Du's versuchst –! Das geht über den Scherz!

DER DOVRE-ALTE.

Du freist um meine Tochter mit nackichtem Sterz?

PEER GYNT.

Einen Menschen zum Tier machen!

DER DOVRE-ALTE.

Freund, Du irrst;

Ich mach' Dich nur zu einem höfischen Freier.

Die brandgelbe Schleif', die Du kriegen wirst,

Die trägt man hier sonst nur zur höchsten Feier.

PEER GYNT nachdenklich.

Wie heißt's doch! Ein Mensch ist nicht mehr als ein Hauch.

Und man muß sich wohl finden in Schick und in Brauch.

Bind' an denn!

DER DOVRE-ALTE.

Du bist ein umgänglicher Gesell.

DER HOFTROLL.

Und nun versuch' mal recht fein zu wedeln!

PEER GYNT gereizt.

He, wollt Ihr mich nun noch weiter veredeln?

Heischt Ihr auch noch meinen Christenglauben?

DER DOVRE-ALTE.

Nein, nein, den wollen wir Dir nicht rauben.

Der Glauben ist frei; darauf liegt hier kein Zoll.

Am Schnitt und am Schritt erkennt man den Troll.

Wenn uns nur Tracht und Gehaben nicht trennen,

Nenn' immer Glauben, was Furcht wir nennen.

PEER GYNT.

Du bist doch, trotz all der schlimmen Gebräuch',

Ein netterer Kerl, als man sollte meinen.

DER DOVRE-ALTE.

Mein Sohn, wir Trolle sind besser als wir scheinen,

Das ist auch ein Unterschied zwischen uns und Euch. –

Doch, laßt uns dem Ernst ein Ende nun setzen.

Auf, auf, zur Freude für Aug' und für Ohr,

Laß, Spielmaid, nun Deine Harf' uns ergetzen!

Spring', Tanzmaid, uns den Dovretanz vor!

 

Spiel und Tanz.

 

DER HOFTROLL.

Was gedünkt Dich davon?

PEER GYNT.

Was? Hm!

DER DOVRE-ALTE.

Fürcht' Dich nicht.

Was siehst Du?

PEER GYNT.

Ein urgreulich Gesicht:

Eine Darmsaiten hufende Schellenkuh.

In Kniehosen trippelt ein Ferkel dazu.

DER HOFTROLL.

Verschlingt ihn!

DER DOVRE-ALTE.

Bedenkt, er hat Menschensinnen!

DIE TROLLJUNGFERN.

Aug' aus und Ohr ab dem frechen Fanz!

DIE GRÜNGEKLEIDETE weinend.

Huhu! Solch Lob ist's, was wir gewinnen,

Wenn ich und mein Schwesterlein spiel' und tanz'!

PEER GYNT.

Ach, Du! Du warst's? Na, so 'n bißchen Gehöhn',

Das weißt Du ja doch, das bedeutet nicht viel.

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Gewiß und wahrhaftig nicht?

PEER GYNT.

Tanz so wie Spiel

War, laus' mich der Affe, beides sehr schön.

DER DOVRE-ALTE.

Mit der Menschenart ist das ein wunderlich Ding;

Die klebt und klettet so merkwürdig fest.

Und ob sie auch so noch viel Schrammen empfing, –

Die Narben heilen, das ist der Rest.

Mein Schwiegersohn hat doch nun, ungelogen,

Fügsam sein Christenzeug ausgezogen,

Fügsam getrunken vom Metpokal,

Fügsam den Wedel sich umgebunden, –

So fügsam zu allem, kurz, was ich befahl,

Daß ich dachte, für ein und für alle Mal

Sei nun sein alter Adam verschwunden;

Doch einszweidrei steht der hier wieder im Saal.

Ja, ja, mein Sohn, so bedarf's einer Kur

Wider diese dickschädlige Menschennatur.

PEER GYNT.

Einer Kur?

DER DOVRE-ALTE.

In den linken Augapfel hier

Ritz' ich Dich leicht: so wird scheel sein Geäug';

Doch was Du siehst, siehst Du fortan wie wir.

Sodann schneid' ich aus Dir das rechte Visier.

PEER GYNT.

Du bist wohl –?

DER DOVRE-ALTE legt einige scharfe Werkzeuge auf den Tisch.

Hier hab' ich mein Glaserzeug.

Und kriegst Du dann Scheuklappen noch, wie ein Gaul,

Dann siehst Du die Braut mit einem Mal blühn,

Und fabelst nie fürder mit bösem Maul

Von trippelnden Ferkeln und Schellenküh'n –

PEER GYNT.

Töricht!

DER ÄLTESTE HOFTROLL.

So kommt Dir des Alten Red' vor?

Merk's! er ist der Weise und Du bist der Tor!

DER DOVRE-ALTE.

Bedenk, von wieviel Verdrießlichkeiten

Du Dich befrein kannst auf alle Zeiten.

Frag' selbst Dich, was hast Du von dieser Quelle,

Quälender Zährenbeiz' und -laug'!

PEER GYNT.

Ganz recht; und ich kenn' auch die Bibelstelle:

Ärgert dein Aug' dich, reiß' aus dein Aug'!

Aber – wann stellt es sich dann wieder her,

Wird Menschenaug' wieder?

DER DOVRE-ALTE.

Das wird's nimmermehr.

PEER GYNT.

So? Ja, dann sind wir zu Ende gediehn.

DER DOVRE-ALTE.

Was willst Du tun?

PEER GYNT.

Meines Wegs mich verziehn.

DER DOVRE-ALTE.

Nein, halt! Herein schlüpft hier leicht ein Wicht!

Aber hinaus läßt der Dovrehag nicht.

PEER GYNT.

Du willst mit Gewalt, daß ich hier bleiben soll?

DER DOVRE-ALTE.

Hör' nun und nimm Vernunft an, Prinz Peer!

Du hast Begabung zum Troll. Nicht wahr, er

Trägt sich nun schon so ziemlich wie ein Troll?

Und willst doch auch Troll sein?

PEER GYNT.

Weiß Gott, will ich's sein.

Für 'ne Braut und ein wohlbestallt Reich obendrein

Gibt man ja wohl auch einmal etwas viel.

Aber alles in der Welt hat sein Maß und sein Ziel.

Den Wedel nahm ich an, weil ich's also verstand:

Man kann wieder lösen, was der Hoftroll band.

Die Hos' warf ich ab, weil sie alt war und fetzig;

Doch die kann man ja wohl wieder anknöpfen, schätz' ich.

Und schließlich drück' ich mich wohl auch noch leis

Von dieser Dovreschen Lebensweis'.

Ich will ja gern schwören, eine Kuh wär' eine Maid;

Einen Eid kann ja einer mal in sich fressen; –

Aber so seine Menschheit auf immer vergessen,

Nicht einmal als ehrlicher Mensch sterben sollen,

Als Bergtroll so umgehn auf Lebenszeit, –

Niemalen mehr von Euch zurücktreten können, –

So Troll sein mit all seinem Fühlen und Wollen; –

Nein, nein; da tu' ich mir Besseres gönnen.

DER DOVRE-ALTE.

Jetzt werd' ich aber bald wild, Du Duns;

Und dann ist nicht mehr zu spaßen mit Uns.

Du tagfalber Knirps! Weißt Du, wer Wir sind?

Zuerst vergreifst Du Dich an Unserm Kind –

PEER GYNT.

Das lügst Du in Deinen Hals!

DER DOVRE-ALTE.

Du mußt sie jetzt frein.

PEER GYNT.

Du wagst mir zu sagen –?

DER DOVRE-ALTE.

Was ist da zu schrein?

Du hast sie begehrt! Du wünschtest mein Reich!

PEER GYNT pustet.

Sonst nichts? An so was sich festzuzwacken!

DER DOVRE-ALTE.

Ihr Menschen bleibt Euch doch alleweil gleich.

Den Geist bekennt Ihr mit vollen Backen;

Doch geachtet wird nur, was mit Fäusten zu packen.

Du meinst, daß Wunsch und Begehren nicht bindet?

Wart' nur, Dir soll bald ein Licht aufgehn!

PEER GYNT.

Du sollst mich Dir nicht ins Netz schwimmen sehn!

DIE GRÜNGEKLEIDETE.

Mein Peer, Du bist Vater, eh's Jahr entschwindet.

PEER GYNT.

Laßt mich hinaus.

DER DOVRE-ALTE.

Wir schicken Dir 's Kleine

Nach in 'nem Bocksfell.

PEER GYNT trocknet sich den Schweiß ab.

Erwacht' ich doch nur!

DER DOVRE-ALTE.

Soll's an den Königshof?

PEER GYNT.

Schickt's der Gemeine!

DER DOVRE-ALTE.

Mach', was Du willst, mit der Kreatur.

Getan ist getan; davon geht kein Quent;

Item, Prinz Peer, daß Dein Sprößling wird wachsen;

Solch ein Mischlingsbalg wächst unheimlich behend –

PEER GYNT.

Alter, nun lassen wir endlich die Faxen;

Kommen wir, Jungfer, zu Frieden und Vergleich!

Du sollst wissen, ich bin weder Prinz weder reich; –

Und ob Du mich wögest nun oder mich mäßest,

's wäre für Dich kein Gewinn, wenn Du mich besäßest.

 

Der Grüngekleideten wird übel; Trollmädchen tragen sie hinaus.

 

DER DOVRE-ALTE blickt eine Weile mit tiefer Verachtung auf ihn; darauf sagt er.

Schmeißt ihn wider die Bergwand zu Brei!

DIE JUNGEN TROLLE bittend.

Spielen wir nicht erst Kauz und Weih?

Jsegrimm? Funkelkatz und Graumaus?

DER DOVRE-ALTE.

Aber schnell! – Ich schnarch' mein Gift derweil' aus.

 

Ab.

 

PEER GYNT von den jungen Trollen gejagt.

Laßt mich, Teufelspack!

 

Will durch den Schornstein hinauf.

 

DIE JUNGEN TROLLE.

Kobolde! Wichte!

Beißt ihn von hinten!

PEER GYNT.

Au!

 

Will hinab durch die Kellerluke.

 

DIE JUNGEN TROLLE.

Macht alles dichte!

DER HOFTROLL.

Wie die Kleinen sich freun!

PEER GYNT mit einem kleinen Trolljungen kämpfend, der sich in sein Ohr festgebissen hat.

Laß los, Höllenbrut!

DER HOFTROLL schlägt ihn auf die Finger.

Willst Du wohl, Schlingel! Das ist königlich Blut!

PEER GYNT.

Ein Rattenloch –!

 

Läuft hin.

 

DIE JUNGEN TROLLE.

Wichtelvolk! Werg in die Kerbe!

PEER GYNT.

Die Rangen verstehn ihr verruchtes Gewerbe!

DIE JUNGEN TROLLE.

Zerfetzt ihn!

PEER GYNT.

Ach, wär' man klein wie 'ne Maus!

 

Läuft umher.

 

DIE JUNGEN TROLLE umwimmeln ihn.

Schließt den Ring! Schließt den Ring!

PEER GYNT jammernd.

Ach, wär' ich eine Laus!

 

Fällt um.

 

DIE JUNGEN TROLLE.

Auf die Augen ihm jetzt!

PEER GYNT im Trollhaufen begraben.

Hilf, Mutter, ich sterbe!

 

Kirchenglocken läuten in der Ferne.

 

DIE JUNGEN TROLLE.

Schellen im Gebirg! Der Schwarzrock fährt aus!

 

Die Trolle flüchten unter Geheul und Getöse. Die Halle stürzt ein; alles verschwindet.

Stockfinsternis.

Man hört Peer Gynt mit einem großen Ast um sich hauen und schlagen.

 

PEER GYNT.

Gib Antwort! Wer bist Du?

EINE STIMME IN DER FINSTERNIS.

Ich selbst.

PEER GYNT.

Freie Bahn!

DIE STIMME.

Einen Umweg gemacht! Groß genug ist der Plan.

PEER GYNT will an einer andern Stelle hindurch, stößt aber auf Widerstand.

Wer bist Du?

DIE STIMME.

Ich selbst.