Bestieg sie schon den Perser wieder?
DER GRIECHE.
Noch nicht. Zu Fuße schreitet sie heran,
Doch ihr zur Seite stampft der Perser schon.
ACHILLES.
Wohlan! So schafft mir auch ein Roß, ihr Freunde! –
Folgt, meine tapfern Myrmidonier, mir.
Das Heer bricht auf.
ANTILOCHUS.
Der Rasende!
ODYSSEUS.
Nun, so versuche doch
Jetzt deine Rednerkunst, o Antiloch!
ANTILOCHUS.
Laßt mit Gewalt uns ihn –
DIOMEDES.
Fort ist er schon!
ODYSSEUS.
Verwünscht sei dieser Amazonenkrieg!
Alle ab.
Fünfter Auftritt
Penthesilea, Prothoe, Meroe, Asteria, Gefolge, das Amazonenheer.
DIE AMAZONEN.
Heil dir, du Siegerin! Überwinderin!
Des Rosenfestes Königin! Triumph dir!
PENTHESILEA.
Nichts vom Triumph mir! Nichts vom Rosenfeste!
Es ruft die Schlacht noch einmal mich ins Feld.
Den jungen trotz'gen Kriegsgott bändg' ich mir,
Gefährtinnen, zehntausend Sonnen dünken,
Zu einem Glutball eingeschmelzt, so glanzvoll
Nicht, als ein Sieg, ein Sieg mir über ihn.
PROTHOE.
Geliebte, ich beschwöre dich –
PENTHESILEA.
Laß mich!
Du hörst, was ich beschloß, eh würdest du
Den Strom, wenn er herab von Bergen schießt,
Als meiner Seele Donnersturz regieren.
Ich will zu meiner Füße Staub ihn sehen,
Den Übermütigen, der mir an diesem
Glorwürd'gen Schlachtentag, wie keiner noch,
Das kriegerische Hochgefühl verwirrt.
Ist das die Siegerin, die schreckliche,
Der Amazonen stolze Königin,
Die seines Busens erzne Rüstung mir,
Wenn sich mein Fuß ihm naht, zurücke spiegelt?
Fühl ich, mit aller Götter Fluch Beladne,
Da rings das Heer der Griechen vor mir flieht,
Bei dieses einz'gen Helden Anblick mich
Gelähmt nicht, in dem Innersten getroffen,
Mich, mich die Überwundene, Besiegte?
Wo ist der Sitz mir, der kein Busen ward,
Auch des Gefühls, das mich zu Boden wirft?
Ins Schlachtgetümmel stürzen will ich mich,
Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn
Mir überwinden, oder leben nicht!
PROTHOE.
Wenn du dein Haupt doch, teure Königin,
An diesem treuen Busen ruhen wolltest.
Der Sturz, der dir die Brust gewaltsam traf,
Hat dir das Blut entflammt, den Sinn empört:
An allen jungen Gliedern zitterst du!
Beschließe nichts, wir alle flehen dich,
Bis heitrer dir der Geist zurückgekehrt.
Komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus.
PENTHESILEA.
Warum? Weshalb? Was ist geschehn? Was sagt ich?
Hab ich –? Was hab ich denn –?
PROTHOE.
Um eines Siegs,
Der deine junge Seele flüchtig reizt,
Willst du das Spiel der Schlachten neu beginnen?
Weil unerfüllt ein Wunsch, ich weiß nicht welcher,
Dir im geheimen Herzen blieb, den Segen,
Gleich einem übellaunigen Kind, hinweg,
Der deines Volks Gebete krönte, werfen?
PENTHESILEA.
Ha, sieh! Verwünscht das Los mir dieses Tages!
Wie mit dem Schicksal heut, dem tückischen,
Sich meiner Seele liebste Freundinnen
Verbünden, mir zu schaden, mich zu kränken!
Wo sich die Hand, die lüsterne, nur regt,
Den Ruhm, wenn er bei mir vorüberfleucht,
Bei seinem goldnen Lockenhaar zu fassen,
Tritt eine Macht mir hämisch in den Weg –
– Und Trotz ist, Widerspruch, die Seele mir!
Hinweg!
PROTHOE für sich.
Ihr Himmlischen, beschützet sie!
PENTHESILEA.
Denk ich bloß mich, sind's meine Wünsche bloß,
Die mich zurück aufs Feld der Schlachten rufen?
Ist es das Volk, ist's das Verderben nicht,
Das in des Siegs wahnsinniger Berauschung,
Hörbaren Flügelschlags, von fern ihm naht?
Was ist geschehn, daß wir zur Vesper schon,
Wie nach vollbrachter Arbeit ruhen wollen?
Gemäht liegt uns, zu Garben eingebunden,
Der Ernte üpp'ger Schatz, in Scheuern hoch,
Die in den Himmel ragen, aufgetürmt:
Jedoch die Wolke heillos überschwebt ihn,
Und den Vernichtungsstrahl droht sie herab.
Die Jünglingsschar, die überwundene,
Ihr werdet sie, bekränzt mit Blumen nicht,
Bei der Posaunen und der Zimbeln Klang,
Zu euren duft'gen Heimatstälern führen.
Aus jedem tück'schen Hinterhalt hervor,
Der sich ihm beut, seh ich den Peleïden
Auf euren frohen Jubelzug sich stürzen;
Euch und dem Trosse der Gefangenen,
Bis zu den Mauern Themiscyras folgen;
Ja in der Artemis geweihtem Tempel
Die Ketten noch, die rosenblütenen,
Von ihren Gliedern reißen und die unsern
Mit erzgegoßner Fessel Last bewuchten.
Soll ich von seiner Fers, ich Rasende,
Die nun fünf schweißerfüllte Sonnen schon
An seinem Sturze rüttelte, entweichen:
Da er vom Windzug eines Streiches muß,
Getroffen, unter meines Rosses Huf,
Wie eine reife Südfrucht, niederfallen?
Nein, eh ich, was so herrlich mir begonnen,
So groß, nicht endige, eh ich nicht völlig
Den Kranz, der mir die Stirn umrauscht', erfasse,
Eh ich Mars' Töchter nicht, wie ich versprach,
Jetzt auf des Glückes Gipfel jauchzend führe,
Eh möge seine Pyramide schmetternd
Zusammenbrechen über mich und sie:
Verflucht das Herz, das sich nicht mäß'gen kann.
PROTHOE.
Dein Aug, o Herrscherin, erglüht ganz fremd,
Ganz unbegreiflich, und Gedanken wälzen,
So finster, wie der ew'gen Nacht entstiegen,
In meinem ahndungsvollen Busen sich.
Die Schar, die deine Seele seltsam fürchtet,
Entfloh rings vor dir her, wie Spreu vor Winden;
Kaum daß ein Speer sich noch erblicken läßt.
Achill, so wie du mit dem Heer dich stelltest,
Von dem Skamandros ist er abgeschnitten;
Reiz ihn nicht mehr, aus seinem Blick nur weiche:
Den ersten Schritt, beim Jupiter, ich schwör's,
In seine Danaerschanze setzt er hin.
Ich will, ich, dir des Heeres Schweif beschirmen.
Sich, bei den Göttern des Olymps, nicht einen
Gefangenen entreißt er dir! Es soll
Der Glanz, auch meilenfernhin, seiner Waffen,
Dein Heer nicht schrecken, seiner Rosse ferner Tritt
Dir kein Gelächter einer Jungfrau stören:
Mit meinem Haupt steh ich dir dafür ein!
PENTHESILEA indem sie sich plötzlich zu Asteria wendet.
Kann das geschehn, Asteria?
ASTERIA.
Herrscherin –
PENTHESILEA.
Kann ich das Heer, wie Prothoe verlangt,
Nach Themiscyra wohl zurücke führen?
ASTERIA.
Vergib, wenn ich in meinem Fall, o Fürstin –
PENTHESILEA.
Sprich dreist. Du hörst.
PROTHOE schüchtern.
Wenn du den Rat willst gütig
Versammelt aller Fürstinnen befragen. So wird –
PENTHESILEA.
Den Rat hier dieser will ich wissen!
– Was bin ich denn seit einer Handvoll Stunden?
Pause, in welcher sie sich sammelt.
– – Kann ich das Heer, du sprichst, Asteria,
Kann ich es wohl zurück zur Heimat führen?
ASTERIA.
Wenn du so willst, o Herrscherin, so laß
Mich dir gestehn, wie ich des Schauspiels staune,
Das mir in die ungläub'gen Sinne fällt.
Vom Kaukasus, mit meinem Völkerstamm,
Um eine Sonne später aufgebrochen,
Konnt ich dem Zuge deines Heeres nicht,
Der reißend wie ein Strom dahinschoß, folgen.
Erst heute, weißt du, mit der Dämmerung,
Auf diesen Platz schlagfertig treff ich ein;
Und jauchzend schallt aus tausend Kehlen mir
Die Nachricht zu: Der Sieg, er sei erkämpft,
Beschlossen schon, auf jede Forderung
Der ganze Amazonenkrieg. Erfreut,
Versichr ich dich, daß das Gebet des Volks sich dir
So leicht, und unbedürftig mein, erfüllt,
Ordn ich zur Rückkehr alles wieder an;
Neugierde treibt mich doch, die Schar zu sehen,
Die man mir als des Sieges Beute rühmt;
Und eine Handvoll Knechte, bleich und zitternd,
Erblickt mein Auge, der Argiver Auswurf,
Auf Schildern, die sie fliehend weggeworfen,
Von deinem Kriegstroß schwärmend aufgelesen.
Vor Trojas stolzen Mauern steht das ganze
Hellenenheer, steht Agamemnon noch,
Stehn Menelaus, Ajax, Palamed;
Ulysses, Diomedes, Antilochus,
Sie wagen dir ins Angesicht zu trotzen:
Ja jener junge Nereïdensohn,
Den deine Hand mit Rosen schmücken sollte,
Die Stirn baut er, der Übermüt'ge, dir;
Den Fußtritt will er, und erklärt es laut,
Auf deinen königlichen Nacken setzen:
Und meine große Arestochter fragt mich,
Ob sie den Siegesheimzug feiern darf?
PROTHOE leidenschaftlich.
Der Königin, du Falsche, sanken Helden
An Hoheit, Mut und Schöne –
PENTHESILEA.
Schweig, Verhaßte!
Asteria fühlt, wie ich, es ist nur einer,
Hier mir zu sinken wert: und dieser eine,
Dort steht er noch im Feld der Schlacht und trotzt!
PROTHOE.
Nicht von der Leidenschaft, o Herrscherin,
Wirst du dich –
PENTHESILEA.
Natter! Deine Zunge nimm gefangen!
– Willst du den Zorn nicht deiner Königin wagen!
Hinweg!
PROTHOE.
So wag ich meiner Königin Zorn!
Eh will ich nie dein Antlitz wiedersehen,
Als feig, in diesem Augenblick, dir eine
Verräterin schmeichlerisch zur Seite stehn.
Du bist, in Flammen wie du loderst, nicht
Geschickt, den Krieg der Jungfraun fortzuführen;
So wenig, wie, sich mit dem Spieß zu messen,
Der Löwe, wenn er von dem Gift getrunken,
Das ihm der Jäger tückisch vorgesetzt.
Nicht den Peliden, bei den ew'gen Göttern,
Wirst du in dieser Stimmung dir gewinnen:
Vielmehr, noch eh die Sonne sinkt, versprech ich,
Die Jünglinge, die unser Arm bezwungen,
So vieler unschätzbaren Mühen Preis,
Uns bloß, in deiner Raserei, verlieren.
PENTHESILEA.
Das ist ja sonderbar und unbegreiflich!
Was macht dich plötzlich denn so feig?
PROTHOE.
Was mich? –
PENTHESILEA.
Wen überwandst du, sag mir an?
PROTHOE.
Lykaon,
Den jungen Fürsten der Arkadier.
Mich dünkt, du sahst ihn.
PENTHESILEA.
So, so. War es jener,
Der zitternd stand, mit eingeknicktem Helmbusch,
Als ich mich den Gefangnen gestern –
PROTHOE.
Zitternd!
Er stand so fest, wie je dir der Pelide!
Im Kampf von meinen Pfeilen heiß getroffen,
Sank er zu Füßen mir, stolz werd ich ihn,
An jenem Fest der Rosen, stolz, wie eine,
Zu unserm heil'gen Tempel führen können.
PENTHESILEA.
Wahrhaftig? Wie du so begeistert bist. –
Nun denn – er soll dir nicht entrissen werden!
– Führt aus der Schar ihn den Gefangenen,
Lykaon, den Arkadier herbei!
– Nimm, du Unkriegerische Jungfrau, ihn,
Entfleuch, daß er dir nicht verlorengehe,
Aus dem Geräusch der Schlacht mit ihm, bergt euch
In Hecken von süß duftendem Holunder,
In der Gebirge fernsten Kluft, wo ihr
Wollüstig Lied die Nachtigall dir flötet,
Und feir' es gleich, du Lüsterne, das Fest,
Das deine Seele nicht erwarten kann.
Doch aus dem Angesicht sei ewig mir,
Sei aus der Hauptstadt mir verbannt, laß den
Geliebten dich und seine Küsse, trösten,
Wenn alles, Ruhm dir, Vaterland und Liebe,
Die Königin, die Freundin untergeht.
Geh und befreie – geh! ich will nichts wissen!
Von deinem hassenswürd'gen Anblick mich!
MEROE.
Oh, Königin!
EINE ANDERE FÜRSTIN aus ihrem Gefolge.
Welch ein Wort sprachst du?
PENTHESILEA.
Schweigt, sag ich!
Der Rache weih ich den, der für sie fleht!
EINE AMAZONE tritt auf.
Achilles nahet dir, o Herrscherin!
PENTHESILEA.
Er naht – Wohlauf, ihr Jungfraun, denn zur Schlacht! –
Reicht mir der Spieße treffendsten, o reicht
Der Schwerter wetterflammendstes mir her!
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,
Den einen heißersehnten Jüngling siegreich
Zum Staub mir noch der Füße hinzuwerfen.
Das ganze Maß von Glück erlaß ich euch,
Das meinem Leben zugemessen ist. –
Asteria! Du wirst die Scharen führen.
Beschäftige den Griechentroß und sorge
Daß sich des Kampfes Inbrunst mir nicht störe.
Der Jungfraun keine, wer sie immer sei,
Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil
Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag ich!
Der seiner Locken eine mir berührt!
Ich nur, ich weiß den Göttersohn zu fällen.
Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,
Soll mit der sanftesten Umarmung ihn
(Weil ich mit Eisen ihn umarmen muß!)
An meinen Busen schmerzlos niederziehn.
Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall,
Daß seiner Glieder keines sich verletze.
Blut meines Herzens mißt ich ehr, als seines.
Nicht eher ruhn will ich, bis ich aus Lüften,
Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn
Zu mir herabgestürzt; doch liegt er jetzt
Mit eingeknickten Fittichen, ihr Jungfraun,
Zu Füßen mir, kein Purpurstäubchen missend,
Nun dann, so mögen alle Seligen
Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,
Zur Heimat geht der Jubelzug, dann bin ich
Die Königin des Rosenfestes euch! – Jetzt kommt! –
Indem sie abgehen will, erblickt sie die weinende Prothoe, und wendet sich unruhig. Darauf plötzlich, indem sie ihr um den Hals fällt.
Prothoe! Meiner Seelen Schwester!
Willst du mir folgen?
PROTHOE mit gebrochener Stimme.
In den Orkus dir!
Ging ich auch zu den Seligen ohne dich?
PENTHESILEA.
Du Bessere, als Menschen sind! Du willst es?
Wohlan, wir kämpfen, siegen miteinander,
Wir beide oder keine, und die Losung
Ist: Rosen für die Scheitel unsrer Helden,
Oder Zypressen für die unsrigem.
Alle ab.
Sechster Auftritt
Die Oberpriesterin der Diana mit ihren Priesterinnen treten auf. Ihnen folgen eine Schar junger Mädchen mit Rosen in Körben auf den Köpfen, und die Gefangenen, geführt von einigen bewaffneten Amazonen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfraun,
Laßt jetzt die Frucht mich eurer Wandrung sehn.
Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt,
Beschattet von der Pinie, sind wir sicher:
Hier schüttet eure Ernte vor mir aus.
EIN JUNGES MÄDCHEN ihren Korb ausschüttend.
Sieh, diese Rosen pflückt ich, heil'ge Mutter!
EIN ANDERES ebenso.
Hier diesen Schoß voll ich!
EIN DRITTES.
Und diesen ich!
EIN VIERTES.
Und diesen ganzen üpp'gen Frühling ich!
Die andern jungen Mädchen folgen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Das blüht ja wie der Gipfel von Hymetta!
Nun solch ein Tag des Segens, o Diana!
Ging deinem Volke herrlich noch nicht auf.
Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben;
Nicht, von der Pracht, der doppelten, geblendet,
Weiß ich, wem schönrer Dank gebühren mag. –
Doch ist dies euer ganzer Vorrat, Kinder?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Mehr nicht, als du hier siehst, war aufzufinden.
DIE OBERPRIESTERIN.
So waren eure Mütter fleißiger.
DAS ZWEITE MÄDCHEN.
Auf diesen Feldern, heil'ge Priestrin, ernten
Gefangne leichter auch, als Rosen, sich.
Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings,
Die Saat der jungen Griechen steht, die Sichel
Nur einer muntern Schnitterin erwartend,
So blüht so sparsam in den Tälern rings,
Und so verschanzt, versichr ich dich, die Rose,
Daß man durch Pfeile sich und Lanzen lieber,
Als ihr Geflecht der Dornen schlagen möchte.
– Sieh nur die Finger an, ich bitte dich.
DAS DRITTE MÄDCHEN.
Auf eines Felsens Vorsprung wagt ich mich,
Um eine einz'ge Rose dir zu pflücken.
Und blaß nur, durch des Kelches Dunkelgrün,
Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur,
Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht.
Doch greif ich sie, und strauchl und sinke plötzlich
In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes
Glaubt ich, Verlorne, in den Schoß zu sinken.
Mein Glück doch war's, denn eine Rosenpracht
Stand hier im Flor, daß wir zehn Siege noch
Der Amazonen hätten feiern können.
DAS VIERTE MÄDCHEN.
Ich pflückte dir, du heil'ge Priesterin,
Dir pflückt ich eine Rose nur, nur eine;
Doch eine Rose ist's, hier diese, sieh!
Um eines Königs Scheitel zu bekränzen:
Nicht schöner wünscht Penthesilea sie,
Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt.
DIE OBERPRIESTERIN.
Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt,
Sollst du die königliche Ros ihr reichen.
Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt.
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Zukünftig, wenn, beim Zimbelnschlag, von neuem
Das Amazonenheer ins Schlachtfeld rückt,
Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das versprichst du,
Durch Rosenpflücken bloß und Kränzewinden,
Den Sieg der Mütter zu verherrlichen.
Sich, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieß schon,
Und sausend trifft die Schleuder mir das Ziel:
Was gilt's? Mir selbst schon blüht ein Kranz zusammen,
– Und tapfer im Gedräng schon mag er kämpfen,
Der Jüngling, dem sich diese Sehne strafft.
DIE OBERPRIESTERIN.
Meinst du? – Nun freilich wohl, du mußt es wissen,
– Hast du die Rosen schon drauf angesehn?
– Den nächsten Lenz, sobald sie wieder reif,
Sollst du den Jüngling, im Gedräng dir suchen.
Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen drängen:
Die Rosen schnell zu Kränzen eingewunden!
DIE MÄDCHEN durcheinander.
Fort zum Geschäft! Wie greifen wir es an?
DAS ERSTE MÄDCHEN zum zweiten.
Komm her, Glaukothoe!
DAS DRITTE zum vierten.
Komm, Charmion!
Sie setzen sich paarweise.
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Wir – der Ornythia winden wir den Kranz,
Die sich Alcest, mit hohen Büschen, fällte.
DAS DRITTE.
Und wir – Parthenion, Schwester: Athenäus,
Mit der Medus' im Schilde, soll sie fesseln.
DIE OBERPRIESTERIN zu den bewaffneten Amazonen.
Nun? Wollt ihr eure Gäste nicht erheitern?
– Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr Jungfraun,
Als müßt ich das Geschäft der Lieb euch lehren! –
Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen wagen?
Nicht hören, was die Schlachtermüdeten,
Was sie begehren? Wünschen? Was sie brauchen?
DIE ERSTE AMAZONE.
Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd'ge.
DIE ZWEITE.
Bös sind sie uns.
DIE DRITTE.
Wenn man sich ihnen nahet,
So wenden sich die Trotzigen schmähnd hinweg.
DIE OBERPRIESTERIN.
Ei, wenn sie bös euch sind, bei unsrer Göttin,
So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr
So heftig sie im Kampfgewühl getroffen?
Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu trösten:
So werden sie nicht unerbittlich sein.
DIE ERSTE AMAZONE zu einem gefangenen Griechen.
Willst du auf weichen Teppichen, o Jüngling,
Die Glieder ruhn? Soll ich von Frühlingsblumen,
Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir,
Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?
DIE ZWEITE ebenso.
Soll ich das duftendste der Perseröle
In Wasser mischen, frisch dem Quell entschöpft,
Und dir den staubbedeckten Fuß erquicken?
DIE DRITTE.
Doch der Orange Saft verschmähst du nicht
Mit eigner Hand dir liebend dargebracht?
DIE DREI AMAZONEN.
Sprecht! Redet! Womit dient man euch?
EIN GRIECHE.
Mit nichts!
DIE ERSTE AMAZONE.
Ihr sonderbaren Fremdlinge! Was härmt euch?
Was ist's, da uns der Pfeil im Köcher ruht,
Daß ihr vor unserm Anblick euch entsetzt?
Ist es die Löwenhaut, die euch erschreckt? –
Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest du?
DER GRIECHE nachdem er sie scharf angesehn.
Wem winden jene Kränze sich? Sagt an!
DIE ERSTE AMAZONE.
Wem? Euch! Wem sonst?
DER GRIECHE.
Uns! und das sagt ihr noch,
Unmenschliche! Wollt ihr, geschmückt mit Blumen,
Gleich Opfertieren, uns zur Schlachtbank führen?
DIE ERSTE AMAZONE.
Zum Tempel euch der Artemis! Was denkt ihr?
In ihren dunkeln Eichenhain, wo eurer
Entzücken ohne Maß und Ordnung wartet!
DER GRIECHE erstaunt, mit unterdrückter Stimme, zu den andern Gefangenen.
War je ein Traum so bunt, als was hier wahr ist?
Siebenter Auftritt
Eine Hauptmännin tritt auf. Die Vorigen.
DIE HAUPTMÄNNIN.
Auf diesem Platz, Hochwürd'ge, find ich dich!
– Inzwischen sich, auf eines Steinwurfs Nähe,
Das Heer zur blutigen Entscheidung rüstet!
DIE OBERPRIESTERIN.
Das Heer! Unmöglich! Wo?
DIE HAUPTMÄNNIN.
In jenen Gründen,
Die der Skamandros ausgeleckt.
Wenn du Dem Wind, der von den Bergen weht, willst horchen,
Kannst du den Donnerruf der Königin,
Gezückter Waffen Klirren, Rosse wiehern,
Drommeten, Tuben, Zimbeln und Posaunen,
Des Krieges ganze ehrne Stimme hören.
EINE PRIESTERIN.
Wer rasch erfleucht den Hügel dort?
DIE MÄDCHEN.
Ich! Ich!
Sie ersteigen den Hügel.
DIE OBERPRIESTERIN.
Der Königin! – Nein, sprich! Es ist unglaublich –
– Warum, wenn noch die Schlacht nicht ausgewütet,
Das Fest der Rosen ordnete sie an?
DIE HAUPTMÄNNIN.
Das Rosenfest – Gab sie Befehl denn wem?
DIE OBERPRIESTERIN.
Mir! Mir!
DIE HAUPTMÄNNIN.
Wo? Wann?
DIE OBERPRIESTERIN.
Vor wenigen Minuten
In jenes Obelisken Schatten stand ich,
Als der Pelid, und sie, auf seiner Ferse,
Den Winden gleich, an mir vorüberrauschten.
Und ich: wie geht's? fragt ich die Eilende.
Zum Fest der Rosen, rief sie, wie du siehst!
Und flog an mir vorbei und jauchzte noch:
Laß es an Blüten nicht, du Heil'ge, fehlen!
DIE ERSTE PRIESTERIN zu den Mädchen.
Seht ihr sie? sprecht!
DAS ERSTE MÄDCHEN auf dem Hügel.
Nichts, gar nichts sehen wir!
Es läßt kein Federbusch sich unterscheiden.
Ein Schatten überfleucht von Wetterwolken
Das weite Feld ringsher, das Drängen nur
Verwirrter Kriegerhaufen nimmt sich wahr,
Die im Gefild des Tods einander suchen.
DIE ZWEITE PRIESTERIN.
Sie wird des Heeres Rückzug decken wollen.
DIE ERSTE.
Das denk ich auch. –
DIE HAUPTMÄNNIN.
Zum Kampf steht sie gerüstet,
Ich sag's euch, dem Peliden gegenüber,
Die Königin, frisch, wie das Perserroß,
Das in die Luft hoch aufgebäumt sie trägt,
Den Wimpern heißre Blick', als je, entsendend,
Mit Atemzügen, freien, jauchzenden,
Als ob ihr junger kriegerischer Busen
Jetzt in die erste Luft der Schlachten käme.
DIE OBERPRIESTERIN.
Was denn, bei den Olympischen, erstrebt sie?
Was ist's, da rings, zu Tausenden, uns die
Gefangenen in allen Wäldern wimmeln,
Das ihr noch zu erringen übrigbleibt?
DIE HAUPTMÄNNIN.
Was ihr noch zu erringen übrigbleibt.
DIE MÄDCHEN auf dem Hügel.
Ihr Götter!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Nun? Was gibt's? Entwich der Schatten?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
O ihr Hochheiligen, kommt doch her!
DIE ZWEITE PRIESTERIN.
So sprecht!
DIE HAUPTMÄNNIN.
Was ihr noch zu erringen übrigbleibt?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Seht, seht, wie durch der Wetterwolken Riß,
Mit einer Masse Licht, die Sonne eben
Auf des Peliden Scheitel niederfällt!
DIE OBERPRIESTERIN.
Auf wessen?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Seine, sagt ich! Wessen sonst?
Auf einem Hügel leuchtend steht er da,
In Stahl geschient sein Roß und er, der Saphir,
Der Chrysolith wirft solche Strahlen nicht!
Die Erde rings, die bunte, blühende,
In Schwärze der Gewitternacht gehüllt;
Nichts als ein dunkler Grund nur, eine Folie,
Die Funkelpracht des Einzigen zu heben!
DIE OBERPRIESTERIN.
Was geht dem Volke der Pelide an?
– Ziemt's einer Tochter Ares', Königin,
Im Kampf auf einen Namen sich zu stellen?
Zu einer Amazone.
Fleuch gleich, Arsinoe, vor ihr Antlitz hin,
Und sag in meiner Göttin Namen ihr,
Mars habe seinen Bräuten sich gestellt:
Ich forderte, bei ihrem Zorn sie auf,
Den Gott bekränzt zur Heimat jetzt zu führen,
Und unverzüglich ihm, in ihrem Tempel,
Das heil'ge Fest der Rosen zu eröffnen!
Die Amazone ab.
Ward solch ein Wahnsinn jemals noch erhört!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Ihr Kinder! Seht ihr noch die Königin nicht?
DAS ERSTE MÄDCHEN auf dem Hügel.
Wohl, wohl! Das ganze Feld erglänzt – da ist sie!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Wo zeigt sie sich?
DAS MÄDCHEN.
An aller Jungfraun Spitze!
Seht, wie sie in dem goldnen Kriegsschmuck funkelnd,
Voll Kampflust ihm entgegen tanzt! Ist's nicht,
Als ob sie, heiß von Eifersucht gespornt,
Die Sonn im Fluge übereilen wollte,
Die seine jungen Scheitel küßt! O seht!
Wenn sie zum Himmel auf sich schwingen wollte,
Der hohen Nebenbuhlrin gleich zu sein,
Der Perser könnte, ihren Wünschen frönend,
Geflügelter sich in die Luft nicht heben!
DIE OBERPRIESTERIN zur Hauptmännin.
War keine unter allen Jungfraun denn,
Die sie gewarnt, die sie zurückgehalten?
DIE HAUPTMÄNNIN.
Es warf ihr ganzes fürstliches Gefolge
Sich in den Weg ihr: hier auf diesem Platze
Hat Prothoe ihr Äußerstes getan.
Jedwede Kunst der Rede ward erschöpft,
Nach Themiscyra sie zurückzuführen.
Doch taub schien sie der Stimme der Vernunft:
Vom giftigsten der Pfeile Amors sei,
Heißt es, ihr jugendliches Herz getroffen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Was sagst du?
DAS ERSTE MÄDCHEN auf dem Hügel.
Ha, jetzt treffen sie einander!
Ihr Götter! Haltet eure Erde fest –
Jetzt, eben jetzt, da ich dies sage, schmettern
Sie, wie zwei Sterne, aufeinander ein!
DIE OBERPRIESTERIN zur Hauptmännin.
Die Königin, sagst du? Unmöglich, Freundin!
Von Amors Pfeil getroffen – wann? Und wo?
Die Führerin des Diamantengürtels?
Die Tochter Mars', der selbst der Busen fehlt,
Das Ziel der giftgefiederten Geschosse?
DIE HAUPTMÄNNIN.
So sagt des Volkes Stimme mindestens,
Und Meroe hat es eben mir vertraut.
DIE OBERPRIESTERIN.
Es ist entsetzlich!
DIE AMAZONE kehrt wieder zurück.
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Nun? was bringst du? Rede!
DIE OBERPRIESTERIN.
Ist es bestellt? Sprachst du die Königin?
DIE AMAZONE.
Es war zu spät, Hochheilige, vergib.
Ich konnte sie, die von dem Troß der Frauen
Umschwärmt, bald hier, bald dort erschien, nicht treffen.
Wohl aber Prothoe, auf einen Augenblick
Traf ich, und sagt ihr, was dein Wille sei;
Doch sie entgegnete – ein Wort, nicht weiß ich,
Ob ich in der Verwirrung recht gehört.
DIE OBERPRIESTERIN.
Nun, welch ein Wort?
DIE AMAZONE.
Sie hielt, auf ihrem Pferde
Und sah, es schien, mit tränenvollen Augen,
Der Königin zu. Und als ich ihr gesagt,
Wie du entrüstet, daß die Sinnberaubte
Den Kampf noch um ein einzeln Haupt verlängre,
Sprach sie: geh hin zu deiner Priesterin,
Und heiße sie daniederknieen und beten,
Daß ihr dies eine Haupt im Kampf noch falle;
Sonst keine Rettung gibt's, für sie und uns.
DIE OBERPRIESTERIN.
O sie geht steil-bergab den Pfad zum Orkus!
Und nicht dem Gegner, wenn sie auf ihn trifft,
Dem Feind in ihrem Busen wird sie sinken.
Uns alle reißt sie in den Abgrund hin;
Den Kiel seh ich, der uns Gefesselte
Nach Hellas trägt, geschmückt mit Bändern höhnend,
Im Geiste schon den Hellespont durchschäumen.
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Was gilt's? Dort naht die Unheilskunde schon.
Achter Auftritt
Eine Oberste tritt auf, die Vorigen.
DIE OBERSTE.
Flieh! Rette die Gefangnen, Priesterin!
Das ganze Heer der Griechen stürzt heran.
DIE OBERPRIESTERIN.
Ihr Götter des Olymps! Was ist geschehn?
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Wo ist die Königin?
DIE OBERSTE.
Im Kampf gefallen,
Das ganze Amazonenheer zerstreut.
DIE OBERPRIESTERIN.
Du Rasende! Was für ein Wort sprachst du?
DIE ERSTE PRIESTERIN zu den bewaffneten Amazonen.
Bringt die Gefangenen fort!
Die Gefangenen werden abgeführt.
DIE OBERPRIESTERIN.
Sag an: wo? wann?
DIE OBERSTE.
Laß kurz das Ungeheuerste dir melden!
Achill und sie, mit vorgelegten Lanzen,
Begegnen beide sich, zween Donnerkeile,
Die aus Gewölken ineinander fahren;
Die Lanzen, schwächer als die Brüste, splittern:
Er, der Pelide, steht, Penthesilea,
Sie sinkt, die Todumschattete, vom Pferd.
Und da sie jetzt, der Rache preisgegeben,
Im Staub sich vor ihm wälzt, denkt jeglicher,
Zum Orkus völlig stürzen wird er sie;
Doch bleich selbst steht der Unbegreifliche,
Ein Todesschatten da, ihr Götter! ruft er,
Was für ein Blick der Sterbenden traf mich!
Vom Pferde schwingt er eilig sich herab;
Und während, von Entsetzen noch gefesselt,
Die Jungfraun stehn, des Wortes eingedenk
Der Königin, kein Schwert zu rühren wagen,
Dreist der Erblaßten naht er sich, er beugt
Sich über sie, Penthesilea! ruft er,
In seinen Armen hebt er sie empor,
Und laut die Tat, die er vollbracht, verfluchend,
Lockt er ins Leben jammernd sie zurück!
DIE OBERPRIESTERIN.
Er – was? Er selbst?
DIE OBERSTE.
Hinweg, Verhaßter! donnert
Das ganze Heer ihm zu; dankt mit dem Tod ihm,
Ruft Prothoe, wenn er vom Platz nicht weicht:
Den treffendsten der Pfeile über ihn!
Und mit des Pferdes Huftritt ihn verdrängend,
Reißt sie die Königin ihm aus dem Arm.
Indes erwacht die Unglückselige,
Man führt sie röchelnd, mit zerrißner Brust,
Das Haar verstört vom Scheitel niederflatternd,
Den hintern Reihn zu, wo sie sich erholt;
Doch er, der unbegriffne Doloper –
Ein Gott hat, in der erzgekeilten Brust,
Das Herz in Liebe plötzlich ihm geschmelzt –
Er ruft: verweilet, meine Freundinnen!
Achilles grüßt mit ew'gem Frieden euch!
Und wirft das Schwert hinweg, das Schild hinweg,
Die Rüstung reißt er von der Brust sich nieder,
Und folgt – mit Keulen könnte man, mit Händen ihn,
Wenn man ihn treffen dürfte, niederreißen –
Der Kön'gin unerschrocknen Schrittes nach:
Als wüßt er schon, der Rasende, Verwegne,
Daß unserm Pfeil sein Leben heilig ist.
DIE OBERPRIESTERIN.
Und wer gab den wahnsinnigen Befehl?
DIE OBERSTE.
Die Königin! Wer sonst?
DIE OBERPRIESTERIN.
Es ist entsetzlich!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Seht, seht! Da wankt, geführt von Prothoe,
Sie selbst, das Bild des Jammers, schon heran!
DIE ZWEITE.
Ihr ew'gen Himmelsgötter! Welch ein Anblick!
Neunter Auftritt
Penthesilea, geführt von Prothoe und Meroe, Gefolge treten auf
PENTHESILEA mit schwacher Stimme.
Hetzt alle Hund' auf ihn! Mit Feuerbränden
Die Elefanten peitschet auf ihn los!
Mit Sichelwagen schmettert auf ihn ein,
Und mähet seine üpp'gen Glieder nieder!
PROTHOE.
Geliebte! Wir beschwören dich –
MEROE.
Hör uns!
PROTHOE.
Er folgt dir auf dem Fuße, der Pelide;
Wenn dir dein Leben irgend lieb, so flieh!
PENTHESILEA.
Mir diesen Busen zu zerschmettern, Prothoe!
– Ist's nicht, als ob ich eine Leier zürnend
Zertreten wollte, weil sie still für sich,
Im Zug des Nachtwinds, meinen Namen flüstert?
Dem Bären kauert ich zu Füßen mich,
Und streichelte das Panthertier, das mir
In solcher Regung nahte, wie ich ihm.
MEROE.
So willst du nicht entweichen?
PROTHOE.
Willst nicht fliehen?
MEROE.
Willst dich nicht retten?
PROTHOE.
Was kein Name nennt,
Auf diesem Platz hier soll es sich vollbringen?
PENTHESILEA.
Ist's meine Schuld, daß ich im Feld der Schlacht
Um sein Gefühl mich kämpfend muß bewerben?
Was will ich denn, wenn ich das Schwert ihm zücke?
Will ich ihn denn zum Orkus niederschleudern?
Ich will ihn ja, ihr ew'gen Götter, nur
An diese Brust will ich ihn niederziehn!
PROTHOE.
Sie rast –
DIE OBERPRIESTERIN.
Unglückliche!
PROTHOE.
Sie ist von Sinnen!
DIE OBERPRIESTERIN.
Sie denkt nichts, als den einen nur.
PROTHOE.
Der Sturz
Hat völlig ums Bewußtsein sie gebracht.
PENTHESILEA mit erzwungener Fassung.
Gut. Wie ihr wollt. Sei's drum. Ich will mich fassen.
Dies Herz, weil es sein muß, bezwingen will ich's,
Und tun mit Grazie, was die Not erheischt.
Recht habt ihr auch. Warum auch wie ein Kind gleich,
Weil sich ein flücht'ger Wunsch mir nicht gewährt,
Mit meinen Göttern brechen? Kommt hinweg.
Das Glück, gesteh ich, wär mir lieb gewesen;
Doch fällt es mir aus Wolken nicht herab,
Den Himmel drum erstürmen will ich nicht.
Helft mir nur fort von hier, schafft mir ein Pferd,
So will ich euch zurück zur Heimat führen.
PROTHOE.
Gesegnet sei, o Herrscherin, dreimal
Ein Wort, so würdig königlich, als dies.
Komm, alles steht zur Flucht bereit –
PENTHESILEA da sie die Rosenkränze in der Kinder Händen erblickt, mit plötzlich aufflammendem Gesicht.
Ha, sieh!
Wer gab Befehl, die Rosen einzupflücken?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Das fragst du noch, Vergessene? Wer sonst,
Als nur –
PENTHESILEA.
Als wer?
DIE OBERPRIESTERIN.
– Das Siegsfest sollte sich,
Das heißersehnte, deiner Jungfraun feiern!
War's nicht dein eigner Mund, der's so befahl?
PENTHESILEA.
Verflucht mir diese schnöde Ungeduld!
Verflucht, im blutumschäumten Mordgetümmel,
Mir der Gedanke an die Orgien!
Verflucht, im Busen keuscher Arestöchter,
Begierden, die, wie losgelaßne Hunde,
Mir der Drommete erzne Lunge bellend,
Und aller Feldherrn Rufen, überschrein! –
Der Sieg, ist er erkämpft mir schon, daß mit
Der Hölle Hohn schon der Triumph mir naht?
– Mir aus den Augen!
Sie zerhaut die Rosenkränze.
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Herrscherin! Was tust du?
DAS ZWEITE die Rosen wieder aufsuchend.
Der Frühling bringt dir rings, auf Meilenferne,
Nichts für das Fest mehr –
PENTHESILEA.
Daß der ganze Frühling
Verdorrte! Daß der Stern, auf dem wir atmen,
Geknickt, gleich dieser Rosen einer, läge!
Daß ich den ganzen Kranz der Welten so,
Wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte!
– O Aphrodite!
DIE OBERPRIESTERIN.
Die Unselige!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Verloren ist sie!
DIE ZWEITE.
Den Erinnyen
Zum Raub ist ihre Seele hingegeben!
EINE PRIESTERIN auf dem Hügel.
Der Peleïd, ihr Jungfraun, ich beschwör euch,
Im Schuß der Pfeile naht er schon heran!
PROTHOE.
So fleh ich dich auf Knieen – rette dich!
PENTHESILEA.
Ach, meine Seel ist matt bis in den Tod!
Sie setzt sich.
PROTHOE.
Entsetzliche! Was tust du?
PENTHESILEA.
Flieht, wenn ihr wollt.
PROTHOE.
Du willst –?
MEROE.
Du säumst –?
PROTHOE.
Du willst –?
PENTHESILEA.
Ich will hier bleiben.
PROTHOE.
Wie, Rasende!
PENTHESILEA.
Ihr hört's. Ich kann nicht stehen.
Soll das Gebein mir brechen? Laßt mich sein.
PROTHOE.
Verlorenste der Fraun! Und der Pelide,
Er naht, du hörst, im Pfeilschuß –
PENTHESILEA.
Laßt ihn kommen.
Laßt ihn den Fuß gestählt, es ist mir recht,
Auf diesen Nacken setzen. Wozu auch sollen
Zwei Wangen länger, blühnd wie diese, sich
Vom Kot, aus dem sie stammen, unterscheiden?
Laßt ihn mit Pferden häuptlings heim mich schleifen,
Und diesen Leib hier, frischen Lebens voll,
Auf offnem Felde schmachvoll hingeworfen,
Den Hunden mag er ihn zur Morgenspeise,
Dem scheußlichen Geschlecht der Vögel, bieten.
Staub lieber, als ein Weib sein, das nicht reizt.
PROTHOE.
O Königin!
PENTHESILEA indem sie sich den Halsschmuck abreißt.
Weg ihr verdammten Flittern!
PROTHOE.
Ihr ew'gen Götter dort! Ist das die Fassung,
Die mir dein Mund soeben angelobt?
PENTHESILEA.
Vom Haupt, ihr auch – was nickt ihr? Seid verflucht mir,
Hülflosere, als Pfeil und Wangen, noch!
– Die Hand verwünsch ich, die zur Schlacht mich heut
Geschmückt, und das verräterische Wort,
Das mir gesagt, es sei zum Sieg, dazu.
Wie sie mit Spiegeln mich, die Gleißnerinnen,
Umstanden, rechts und links, der schlanken Glieder
In Erz gepreßte Götterbildung preisend. –
Die Pest in eure wilden Höllenkünste!
GRIECHEN außerhalb der Szene.
Vorwärts, Pelide, vorwärts! Sei getrost!
Nur wenig Schritte noch, so hast du sie.
DIE PRIESTERIN auf dem Hügel.
Diana! Königin! Du bist verloren,
Wenn du nicht weichst!
PROTHOE.
Mein Schwesterherz! Mein Leben!
Du willst nicht fliehn? nicht gehn?
PENTHESILEA die Tränen stürzen ihr aus den Augen, sie lehnt sich an einen Baum.
PROTHOE plötzlich gerührt, indem sie sich neben ihr nieder setzt.
Nun, wie du willst.
Wenn du nicht kannst, nicht willst – sei's! Weine nicht.
Ich bleibe bei dir. Was nicht möglich ist,
Nicht ist, in deiner Kräfte Kreis nicht liegt,
Was du nicht leisten kannst: die Götter hüten,
Daß ich es von dir fordre! Geht, ihr Jungfraun,
Geht; kehrt in eure Heimatsflur zurück:
Die Königin und ich, wir bleiben hier.
DIE OBERPRIESTERIN.
Wie, du Unsel'ge? Du bestärkst sie noch?
MEROE.
Unmöglich wär's ihr, zu entfliehn?
DIE OBERPRIESTERIN.
Unmöglich,
Da nichts von außen sie, kein Schicksal, hält,
Nichts als ihr töricht Herz –
PROTHOE.
Das ist ihr Schicksal!
Dir scheinen Eisenbanden unzerreißbar,
Nicht wahr? Nun sieh: sie bräche sie vielleicht,
Und das Gefühl doch nicht, das du verspottest.
Was in ihr walten mag, das weiß nur sie,
Und jeder Busen ist, der fühlt, ein Rätsel.
Des Lebens höchstes Gut erstrebte sie,
Sie streift', ergriff es schon: die Hand versagt ihr,
Nach einem andern noch sich auszustrecken. –
Komm, magst du's jetzt an meiner Brust vollenden.
– Was fehlt dir? Warum weinst du?
PENTHESILEA.
Schmerzen, Schmerzen –
PROTHOE.
Wo?
PENTHESILEA.
Hier.
PROTHOE.
Kann ich dir Lindrung –?
PENTHESILEA.
Nichts, nichts, nichts.
PROTHOE.
Nun, fasse dich; in kurzem ist's vollbracht.
DIE OBERPRIESTERIN halblaut.
Ihr Rasenden zusamt –!
PROTHOE ebenso.
Schweig bitt ich dich.
PENTHESILEA.
Wenn ich zur Flucht mich noch – wenn ich es täte:
Wie, sag, wie faßt ich mich?
PROTHOE.
Du gingst nach Pharsos.
Dort fändest du, denn dorthin wies ich es,
Dein ganzes Heer, das jetzt zerstreut, zusammen.
Du ruhtest dich, du pflegtest deiner Wunden,
Und mit des nächsten Tages Strahl, gefiel's dir,
Nähmst du den Krieg der Jungfraun wieder auf.
PENTHESILEA.
Wenn es mir möglich wär –! Wenn ich's vermöchte –!
Das Äußerste, das Menschenkräfte leisten,
Hab ich getan – Unmögliches versucht –
Mein Alles hab ich an den Wurf gesetzt;
Der Würfel, der entscheidet, liegt, er liegt:
Begreifen muß ich's – – und daß ich verlor.
PROTHOE.
Nicht, nicht, mein süßes Herz! Das glaube nicht.
So niedrig schlägst du deine Kraft nicht an.
So schlecht von jenem Preis nicht wirst du denken,
Um den du spielst, als daß du wähnen solltest,
Das, was er wert, sei schon für ihn geschehn.
Ist diese Schnur von Perlen, weiß und rot,
Die dir vom Nacken rollt, der ganze Reichtum,
Den deine Seele aufzubieten hat?
Wie viel, woran du gar nicht denkst, in Pharsos,
Endlos für deinen Zweck noch ist zu tun!
Doch freilich wohl – jetzt ist es fast zu spät.
PENTHESILEA nach einer unruhigen Bewegung.
Wenn ich rasch wäre – – Ach es macht mich rasend!
– Wo steht die Sonne?
PROTHOE.
Dort, dir grad im Scheitel,
Noch eh die Nacht sinkt, träfest du dort ein.
Wir schlössen Bündnis, unbewußt den Griechen,
Mit den Dardanischen, erreichten still
Die Bucht des Meers, wo jener Schiffe liegen;
Zur Nachtzeit, auf ein Merkmal, lodern sie
In Flammen auf, das Lager wird erstürmt,
Das Heer, gedrängt zugleich von vorn und hinten,
Zerrissen, aufgelöst, ins Land zerstreut,
Verfolgt, gesucht, gegriffen und bekränzet
Jedwedes Haupt, das unsrer Lust gefiel.
O selig wär ich, wenn ich dies erlebte!
Nicht ruhn wollt ich, an deiner Seite kämpfen,
Der Tage Glut nicht scheuen, unermüdlich,
Müßt ich an allen Gliedern mich verzehren,
Bis meiner lieben Schwester Wunsch erfüllt,
Und der Pelid ihr doch, nach so viel Mühen,
Besiegt zuletzt zu Füßen niedersank.
PENTHESILEA die währenddessen unverwandt in die Sonne gesehen.
Daß ich mit Flügeln weit gespreizt und rauschend,
Die Luft zerteilte –!
PROTHOE.
Wie?
MEROE.
– Was sagte sie?
PROTHOE.
Was siehst du, Fürstin –?
MEROE.
Worauf heftet sich –?
PROTHOE.
Geliebte, sprich!
PENTHESILEA.
Zu hoch, ich weiß, zu hoch –
Er spielt in ewig fernen Flammenkreisen
Mir um den sehnsuchtsvollen Busen hin.
PROTHOE.
Wer, meine beste Königin?
PENTHESILEA.
Gut, gut.
– Wo geht der Weg?
Sie sammelt sich und steht auf.
MEROE.
So willst du dich entschließen?
PROTHOE.
So hebst du dich empor? – Nun, meine Fürstin,
So sei's auch wie ein Riese! Sinke nicht,
Und wenn der ganze Orkus auf dich drückte!
Steh, stehe fest, wie das Gewölbe steht,
Weil seiner Blöcke jeder stürzen will!
Beut deine Scheitel, einem Schlußstein gleich,
Der Götter Blitzen dar, und rufe, trefft!
Und laß dich bis zum Fuß herab zerspalten,
Nicht aber wanke in dir selber mehr,
Solang ein Atem Mörtel und Gestein,
In dieser jungen Brust, zusammenhält.
Komm. Gib mir deine Hand.
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