Folgt mir, Brüder!

 

Alle ab.

 

 

Szene: Zimmer in einem Dorf.

 

Dritter Auftritt

Ein Hofkavalier in Stiefeln und Sporen tritt auf. – Ein Bauer und seine Frau sitzen an einem Tisch und arbeiten.

 

HOFKAVALIER.

Glück auf, ihr wackern Leute! Habt ihr Platz,

In eurem Hause Gäste aufzunehmen?

DER BAUER.

O ja! Von Herzen.

DIE FRAU.

Darf man wissen, wen?

HOFKAVALIER.

Die hohe Landesmutter! Keinen Schlechtern! –

Am Dorftor brach die Achse ihres Wagens,

Und weil wir hören, daß der Sieg erfochten,

So braucht es weiter dieser Reise nicht.

BEIDE stehen auf.

Der Sieg erfochten? – Himmel!

HOFKAVALIER.

Das wißt ihr nicht?

Das Heer der Schweden ist aufs Haupt geschlagen,

Wenn nicht für immer, doch auf Jahresfrist,

Die Mark vor ihrem Schwert und Feuer sicher!

– Doch seht! da kömmt die Landesfürstin schon.

 

 

Vierter Auftritt

Die Kurfürstin, bleich und verstört. Prinzessin Natalie und mehrere Hofdamen folgen. – Die Vorigen.

 

KURFÜRSTIN unter der Tür.

Bork! Winterfeld! Kommt: gebt mir euren Arm!

NATALIE zu ihr eilend.

O meine Mutter!

DIE HOFDAMEN.

Gott! Sie bleicht! Sie fällt!

 

Sie unterstützen sie.

 

KURFÜRSTIN.

Führt mich auf einen Stuhl, ich will mich setzen.

– Tot, sagt er; tot?

NATALIE.

O meine teure Mutter!

KURFÜRSTIN.

Ich will den Unglücksboten selber sprechen.

 

 

Fünfter Auftritt

Rittmeister von Mörner tritt verwundet auf, von zwei Reutern geführt. – Die Vorigen.

 

KURFÜRSTIN.

Was bringst du, Herold des Entsetzens, mir?

MÖRNER.

Was diese Augen, leider, teure Frau,

Zu meinem ew'gen Jammer, selbst gesehn.

KURFÜRSTIN.

Wohlan! Erzähl!

MÖRNER.

Der Kurfürst ist nicht mehr!

NATALIE.

O Himmel!

Soll ein so ungeheurer Schlag uns treffen?

 

Sie bedeckt sich das Gesicht.

 

KURFÜRSTIN.

Erstatte mir Bericht, wie er gesunken!

– Und wie der Blitzstrahl, der den Wandrer trifft,

Die Welt noch einmal purpurn ihm erleuchtet,

So laß dein Wort sein; Nacht, wenn du gesprochen,

Mög über meinem Haupt zusammenschlagen.

MÖRNER tritt, geführt von den beiden Reutern, vor ihr.

Der Prinz von Homburg war, sobald der Feind,

Gedrängt von Truchß, in seiner Stellung wankte,

Auf Wrangel in die Ebne vorgerückt;

Zwei Linien hatt er, mit der Reuterei,

Durchbrochen schon, und auf der Flucht vernichtet,

Als er auf eine Feldredoute stieß.

Hier schlug so mörderischer Eisenregen

Entgegen ihm, daß seine Reuterschar,

Wie eine Saat, sich knickend niederlegte:

Halt mußt er machen zwischen Busch und Hügeln,

Um sein zerstreutes Reutercorps zu sammeln.

NATALIE zur Kurfürstin.

Geliebte! Fasse dich!

KURFÜRSTIN.

Laß, laß mich, Liebe!

MÖRNER.

In diesem Augenblick, dem Staub entrückt,

Bemerken wir den Herrn, der, bei den Fahnen

Des Truchßschen Corps, dem Feind entgegenreitet;

Auf einem Schimmel herrlich saß er da,

Im Sonnenstrahl, die Bahn des Siegs erleuchtend.

Wir alle sammeln uns, bei diesem Anblick,

Auf eines Hügels Abhang, schwer besorgt,

Inmitten ihn des Feuers zu erblicken:

Als plötzlich jetzt der Kurfürst, Roß und Reuter,

In Staub vor unsern Augen niedersinkt;

Zwei Fahnenträger fielen über ihn,

Und deckten ihn mit ihren Fahnen zu.

NATALIE.

O meine Mutter!

ERSTE HOFDAME.

Himmel!

KURFÜRSTIN.

Weiter! Weiter!

MÖRNER.

Drauf faßt, bei diesem schreckenvollen Anblick,

Schmerz, unermeßlicher, des Prinzen Herz;

Dem Bären gleich, von Wut gespornt und Rache,

Bricht er mit uns auf die Verschanzung los:

Der Graben wird, der Erdwall, der sie deckt,

Im Anlauf überflogen, die Besatzung

Geworfen, auf das Feld zerstreut, vernichtet,

Kanonen, Fahnen, Pauken und Standarten,

Der Schweden ganzes Kriegsgepäck, erbeutet:

Und hätte nicht der Brückenkopf am Rhyn

Im Würgen uns gehemmt, so wäre keiner,

Der an dem Herd der Väter, sagen könnte:

Bei Fehrbellin sah ich den Helden fallen!

KURFÜRSTIN.

Ein Sieg, zu teu'r erkauft! Ich mag ihn nicht.

Gebt mir den Preis, den er gekostet, wieder.

 

Sie sinkt in Ohnmacht.

 

ERSTE HOFDAME.

Hilf, Gott im Himmel! Ihre Sinne schwinden.

 

Natalie weint.

 

 

Sechster Auftritt

Der Prinz von Homburg tritt auf. – Die Vorigen.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

O meine teuerste Natalie!

 

Er legt ihre Hand gerührt an sein Herz.

 

NATALIE.

So ist es wahr?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Oh! könnt ich sagen: nein!

Könnt ich mit Blut, aus diesem treuen Herzen,

Das seinige zurück ins Dasein rufen! –

NATALIE trocknet sich die Tränen.

Hat man denn schon die Leiche aufgefunden?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ach, mein Geschäft, bis diesen Augenblick,

War Rache nur an Wrangel; wie vermocht ich,

Solch einer Sorge mich bis jetzt zu weihn?

Doch eine Schar von Männern sandt ich aus,

Ihn, im Gefild des Todes, aufzusuchen:

Vor Nacht noch zweifelsohne trifft er ein.

NATALIE.

Wer wird, in diesem schauderhaften Kampf,

Jetzt diese Schweden niederhalten? Wer

Vor dieser Welt von Feinden uns beschirmen,

Die uns sein Glück, die uns sein Ruhm erworben?

DER PRINZ VON HOMBURG nimmt ihre Hand.

Ich, Fräulein, übernehme eure Sache!

Ein Engel will ich, mit dem Flammenschwert,

An eures Throns verwaiste Stufen stehn!

Der Kurfürst wollte, eh das Jahr noch wechselt,

Befreit die Marken sehn; wohlan! ich will der

Vollstrecker solchen letzten Willens sein!

NATALIE.

Mein lieber, teurer Vetter!

 

Sie zieht ihre Hand zurück.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Natalie!

 

Er hält einen Augenblick inne.

 

Wie denkt Ihr über Eure Zukunft jetzt?

NATALIE.

Ja, was soll ich, nach diesem Wetterschlag,

Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen?

Mir ruht der Vater, mir die teure Mutter,

Im Grab zu Amsterdam; in Schutt und Asche

Liegt Dortrecht, meines Hauses Erbe, da;

Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren,

Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien,

Wo er die eignen Kinder retten soll:

Und jetzt sinkt mir die letzte Stütze nieder,

Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt.

Ich ward zum zweiten Male heut verwaist.

DER PRINZ VON HOMBURG schlägt einen Arm um ihren Leib.

O meine Freundin! Wäre diese Stunde

Der Trauer nicht geweiht, so wollt ich sagen:

Schlingt Eure Zweige hier um diese Brust,

Um sie, die schon seit Jahren, einsam blühend,

Nach eurer Glocken holden Duft sich sehnt!

NATALIE.

Mein lieber, guter Vetter!

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Wollt Ihr? Wollt Ihr?

NATALIE.

– Wenn ich ins innre Mark ihr wachsen darf?

 

Sie legt sich an seine Brust.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wie? Was war das?

NATALIE.

Hinweg!

DER PRINZ VON HOMBURG hält sie.

In ihren Kern!

In ihres Herzens Kern, Natalie!

 

Er küßt sie; sie reißt sich los.

 

O Gott, wär er jetzt da, den wir beweinen,

Um diesen Bund zu schauen! Könnten wir

Zu ihm aufstammeln: Vater, segne uns!

 

Er bedeckt sein Gesicht mit seinen Händen; Natalie wendet sich wieder zur Kurfürstin zurück.

 

 

Siebenter Auftritt

Ein Wachtmeister tritt eilig auf. – Die Vorigen.

 

WACHTMEISTER.

Mein Prinz, kaum wag ich, beim lebend'gen Gott,

Welch ein Gerücht sich ausstreut, Euch zu melden!

– Der Kurfürst lebt!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Er lebt!

WACHTMEISTER.

Beim hohen Himmel!

Graf Sparren bringt die Nachricht eben her.

NATALIE.

Herr meines Lebens! Mutter; hörtest du's?

 

Sie stürzt vor der Kurfürstin nieder und umfaßt ihren Leib.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nein, sag –! Wer bringt mir –?

WACHTMEISTER.

Graf Georg von Sparren,

Der ihn in Hackelwitz beim Truchßschen Corps,

Mit eignem Aug, gesund und wohl, gesehn!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Geschwind! Lauf, Alter! Bring ihn mir herein!

 

Wachtmeister ab.

 

 

Achter Auftritt

Graf Georg von Sparren und der Wachtmeister treten auf. – Die Vorigen.

 

KURFÜRSTIN.

O stürzt mich zweimal nicht zum Abgrund nieder!

NATALIE.

Nein, meine teure Mutter!

KURFÜRSTIN.

Friedrich lebt?

NATALIE hält sie mit beiden Händen aufrecht.

Des Daseins Gipfel nimmt Euch wieder auf!

WACHTMEISTER auftretend.

Hier ist der Offizier!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Herr Graf von Sparren!

Des Herrn Durchlaucht habt Ihr frisch und wohlauf,

Beim Truchßschen Corps, in Hackelwitz, gesehn?

GRAF SPARREN.

Ja, mein erlauchter Prinz, im Hof des Pfarrers,

Wo er Befehle gab, vom Stab umringt,

Die Toten beider Heere zu begraben!

DIE HOFDAMEN.

O Gott! An deine Brust –

 

Sie umarmen sich.

 

KURFÜRSTIN.

O meine Tochter!

NATALIE.

Nein, diese Seligkeit ist fast zu groß!

 

Sie drückt ihr Gesicht in der Tante Schoß.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Sah ich von fern, an meiner Reuter Spitze,

Ihn nicht, zerschmettert von Kanonenkugeln,

In Staub, samt seinem Schimmel, niederstürzen?

GRAF SPARREN.

Der Schimmel, allerdings, stürzt', samt dem Reuter,

Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nicht? Nicht der Herr?

NATALIE.

O Jubel!

 

Sie steht auf und stellt sich an die Seite der Kurfürstin.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Sprich! Erzähle!

Dein Wort fällt schwer wie Gold in meine Brust!

GRAF SPARREN.

O laßt die rührendste Begebenheit,

Die je ein Ohr vernommen, Euch berichten!

Der Landesherr, der, jeder Warnung taub,

Den Schimmel wieder ritt, den strahlendweißen,

Den Froben jüngst in England ihm erstand,

War wieder, wie bis heut noch stets geschah,

Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln.

Kaum konnte, wer zu seinem Troß gehörte,

Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn;

Granaten wälzten, Kugeln und Kartätschen,

Sich wie ein breiter Todesstrom daher,

Und alles, was da lebte, wich ans Ufer:

Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht,

Und, stets den Freunden winkend, rudert' er,

Getrost den Höhn zu, wo die Quelle sprang.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Beim Himmel, ja! Ein Grausen war's, zu sehn.

GRAF SPARREN.

Stallmeister Froben, der, beim Troß der Suite,

Zunächst ihm folgt, ruft dieses Wort mir zu:

»Verwünscht sei heut mir dieses Schimmels Glanz

Mit schwerem Gold in London jüngst erkauft!

Wollt ich doch funfzig Stück Dukaten geben,

Könnt ich ihn mit dem Grau der Mäuse decken.«

Er naht, voll heißer Sorge, ihm und spricht:

»Hoheit, dein Pferd ist scheu, du mußt verstatten,

Daß ich's noch einmal in die Schule nehme!«

Mit diesem Wort entsitzt er seinem Fuchs,

Und fällt dem Tier des Herren in den Zaum.

Der Herr steigt ab, still lächelnd, und versetzt:

»Die Kunst, die du ihn, Alter, lehren willst,

Wird er, solang es Tag ist, schwerlich lernen.

Nimm, bitt ich, fern ihn, hinter jenen Hügeln,

Wo seines Fehls der Feind nicht achtet, vor.«

Dem Fuchs drauf sitzt er auf, den Froben reitet,

Und kehrt zurück, wohin sein Amt ihn ruft.

Doch Froben hat den Schimmel kaum bestiegen,

So reißt, entsendet aus der Feldredoute,

Ihn schon ein Mordblei, Roß und Reuter, nieder.

In Staub sinkt er, ein Opfer seiner Treue,

Und keinen Laut vernahm man mehr von ihm.

 

Kurze Pause.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Er ist bezahlt! – Wenn ich zehn Leben hätte,

Könnt ich sie besser brauchen nicht, als so!

NATALIE.

Der wackre Froben!

KURFÜRSTIN.

Der Vortreffliche!

NATALIE.

Ein Schlechtrer wäre noch der Tränen wert!

 

Sie weinen.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Genug! Zur Sache jetzt. Wo ist der Kurfürst?

Nahm er in Hackelwitz sein Hauptquartier?

GRAF SPARREN.

Vergib! der Herr ist nach Berlin gegangen,

Und die gesamte Generalität

Ist aufgefordert, ihm dahin zu folgen.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wie? Nach Berlin! – Ist denn der Feldzug aus?

GRAF SPARREN.

Fürwahr, ich staune, daß dir alles fremd! –

Graf Horn, der schwed'sche General, traf ein;

Es ist im Lager, gleich nach seiner Ankunft,

Ein Waffenstillstand ausgerufen worden.

Wenn ich den Marschall Dörfling recht verstanden,

Ward eine Unterhandlung angeknüpft:

Leicht, daß der Frieden selbst erfolgen kann.

KURFÜRSTIN.

O Gott, wie herrlich klärt sich alles auf!

 

Sie steht auf.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Kommt, laßt sogleich uns nach Berlin ihm folgen!

– Räumst du, zu rascherer Beförderung, wohl

Mir einen Platz in deinem Wagen ein?

– Zwei Zeilen nur an Kottwitz schreib ich noch,

Und steige augenblicklich mit dir ein.

 

Er setzt sich nieder und schreibt.

 

KURFÜRSTIN.

Von ganzem Herzen gern!

DER PRINZ VON HOMBURG legt den Brief zusammen und übergibt ihn dem Wachtmeister; indem er sich wieder zur Kurfürstin wendet, und den Arm sanft um Nataliens Leib legt:

Ich habe so

Dir einen Wunsch noch schüchtern zu vertraun,

Dess' ich mich auf der Reis entlasten will.

NATALIE macht sich von ihm los.

Bork! Rasch! Mein Halstuch, bitt ich!

KURFÜRSTIN.

Du? Einen Wunsch mir?

ERSTE HOFDAME.

Ihr tragt das Tuch, Prinzessin, um den Hals!

DER PRINZ VON HOMBURG zur Kurfürstin.

Was? Rätst du nichts?

KURFÜRSTIN.

Nein, nichts!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was? Keine Silbe? –

KURFÜRSTIN abbrechend.

Gleichviel! – Heut keinem Flehenden auf Erden

Antwort ich: nein! was es auch immer sei;

Und dir, du Sieger in der Schlacht, zuletzt!

– Hinweg!

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Mutter! Welch ein Wort sprachst du?

Darf ich's mir deuten, wie es mir gefällt?

KURFÜRSTIN.

Hinweg, sag ich! Im Wagen mehr davon!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Kommt, gebt mir Euren Arm! – O Cäsar Divus!

Die Leiter setz ich an, an deinen Stern!

 

Er führt die Damen ab; alle folgen.

Szene: Berlin. Lustgarten vor dem alten Schloß. Im Hintergrunde die Schloßkirche, mit einer Treppe. Glockenklang; die Kirche ist stark erleuchtet; man sieht die Leiche Frobens vorübertragen, und auf einen prächtigen Katafalk, niedersetzen.

 

 

Neunter Auftritt

Der Kurfürst, Feldmarschall Dörfling, Obrist Hennings, Graf Truchß, und mehrere andere Obristen und Offiziere treten auf. Ihm gegenüber zeigen sich einige Offiziere mit Depeschen. – In der Kirche sowohl als auf dem Platz Volk jeden Alters und Geschlechts.

 

DER KURFÜRST.

Wer immer auch die Reuterei geführt,

Am Tag der Schlacht, und, eh der Obrist Hennings

Des Feindes Brücken hat zerstören können,

Damit ist aufgebrochen, eigenmächtig,

Zur Flucht, bevor ich Ordre gab, ihn zwingend,

Der ist des Todes schuldig, das erklär ich,

Und vor ein Kriegsgericht bestell ich ihn.

– Der Prinz von Homburg hat sie nicht geführt?

GRAF TRUCHSS.

Nein, mein erlauchter Herr!

DER KURFÜRST.

Wer sagt mir das?

GRAF TRUCHSS.

Das können Reuter dir bekräftigen,

Die mir's versichert, vor Beginn der Schlacht.

Der Prinz hat mit dem Pferd sich überschlagen,

Man hat verwundet schwer, an Haupt und Schenkeln,

In einer Kirche ihn verbinden sehn.

DER KURFÜRST.

Gleichviel. Der Sieg ist glänzend dieses Tages,

Und vor dem Altar morgen dank ich Gott.

Doch wär er zehnmal größer, das entschuldigt

Den nicht, durch den der Zufall mir ihn schenkt:

Mehr Schlachten noch, als die, hab ich zu kämpfen,

Und will, daß dem Gesetz Gehorsam sei.

Wer's immer war, der sie zur Schlacht geführt,

Ich wiederhol's, hat seinen Kopf verwirkt,

Und vor ein Kriegsrecht hiemit lad ich ihn.

– Folgt, meine Freunde, in die Kirche mir!

 

 

Zehnter Auftritt

Der Prinz von Homburg, drei schwed'sche Fahnen in der Hand, Obrist Kottwitz, mit deren zwei, Graf Hohenzollern, Rittmeister Golz, Graf Reuß, jeder mit einer Fahne, mehrere andere Offiziere, Korporale und Reuter, mit Fahnen, Pauken und Standarten, treten auf.

 

FELDMARSCHALL DÖRFLING sowie er den Prinzen erblickt.

Der Prinz von Homburg! – Truchß! Was machtet Ihr?

DER KURFÜRST stutzt.

Wo kommt Ihr her, Prinz?

DER PRINZ VON HOMBURG einige Schritte vorschreitend.

Von Fehrbellin, mein Kurfürst,

Und bringe diese Siegstrophäen dir.

 

Er legt die drei Fahnen vor ihm nieder; die Offiziere, Korporale und Reuter folgen, jeder mit der ihrigen.

 

DER KURFÜRST betroffen.

Du bist verwundet, hör ich, und gefährlich?

– Graf Truchß!

DER PRINZ VON HOMBURG heiter.

Vergib!

GRAF TRUCHSS.

Beim Himmel, ich erstaune!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mein Goldfuchs fiel, vor Anbeginn der Schlacht;

Die Hand hier, die ein Feldarzt mir verband,

Verdient nicht, daß du sie verwundet taufst.

DER KURFÜRST.

Mithin hast du die Reuterei geführt?

DER PRINZ VON HOMBURG sieht ihn an.

Ich? Allerdings! Mußt du von mir dies hören?

– Hier legt ich den Beweis zu Füßen dir.

DER KURFÜRST.

– Nehmt ihm den Degen ab. Er ist gefangen.

FELDMARSCHALL erschrocken.

Wem?

DER KURFÜRST tritt unter die Fahnen.

Kottwitz! Sei gegrüßt mir!

GRAF TRUCHSS für sich.

O verflucht!

OBRIST KOTTWITZ.

Bei Gott, ich bin aufs äußerste –!

DER KURFÜRST er sieht ihn an.

Was sagst du? –

Schau, welche Saat für unsern Ruhm gemäht!

– Die Fahn ist von der schwed'schen Leibwacht! Nicht?

 

Er nimmt eine Fahne auf, entwickelt und betrachtet sie.

 

OBRIST KOTTWITZ.

Mein Kurfürst?

FELDMARSCHALL.

Mein Gebieter?

DER KURFÜRST.

Allerdings!

Und zwar aus König Gustav Adolfs Zeiten!

– Wie heißt die Inschrift?

OBRIST KOTTWITZ.

Ich glaube –

FELDMARSCHALL.

Per aspera ad astra.

DER KURFÜRST.

Das hat sie nicht bei Fehrbellin gehalten. –

 

Pause.

 

OBRIST KOTTWITZ schüchtern.

Mein Fürst, vergönn ein Wort mir –!

DER KURFÜRST.

Was beliebt? –

Nehmt alles, Fahnen, Pauken und Standarten,

Und hängt sie an der Kirche Pfeiler auf;

Beim Siegsfest morgen denk ich sie zu brauchen!

 

Der Kurfürst wendet sich zu den Courieren, nimmt ihnen die Depeschen ab, erbricht, und liest sie.

 

OBRIST KOTTWITZ für sich.

Das, beim lebend'gen Gott, ist mir zu stark!

 

Der Obrist nimmt, nach einigem Zaudern, seine zwei Fahnen auf; die übrigen Offiziere und Reuter folgen; zuletzt, da die drei Fahnen des Prinzen liegen bleiben, hebt Kottwitz auch diese auf, so daß er nun fünf trägt.

 

EIN OFFIZIER tritt vor den Prinzen.

Prinz, Euren Degen, bitt ich.

HOHENZOLLERN mit seiner Fahne, ihm zur Seite tretend.

Ruhig, Freund!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Träum ich? Wach ich? Leb ich? Bin ich bei Sinnen?

GOLZ.

Prinz, gib den Degen, rat ich, hin und schweig!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich, ein Gefangener?

HOHENZOLLERN.

So ist's!

GOLZ.

Ihr hört's!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Darf man die Ursach wissen?

HOHENZOLLERN mit Nachdruck.

Jetzo nicht!

– Du hast zu zeitig, wie wir gleich gesagt,

Dich in die Schlacht gedrängt; die Ordre war,

Nicht von dem Platz zu weichen, ungerufen!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Helft Freunde, helft! Ich bin verrückt.

GOLZ unterbrechend.

Still! Still!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Sind denn die Märkischen geschlagen worden?

HOHENZOLLERN stampft mit dem Fuß auf die Erde.

Gleichviel! – Der Satzung soll Gehorsam sein.

DER PRINZ VON HOMBURG mit Bitterkeit.

So – so, so, so!

HOHENZOLLERN entfernt sich von ihm.

Es wird den Hals nicht kosten.

GOLZ ebenso.

Vielleicht, daß du schon morgen wieder los.

 

Der Kurfürst legt die Briefe zusammen, und kehrt sich wieder in den Kreis der Offiziere zurück.

 

DER PRINZ VON HOMBURG nachdem er sich den Degen abgeschnallt.

Mein Vetter Friedrich will den Brutus spielen,

Und sieht, mit Kreid auf Leinewand verzeichnet,

Sich schon auf dem kurul'schen Stuhle sitzen:

Die schwed'schen Fahnen in dem Vordergrund,

Und auf dem Tisch die märk'schen Kriegsartikel.

Bei Gott, in mir nicht findet er den Sohn,

Der, unterm Beil des Henkers, ihn bewundre.

Ein deutsches Herz, von altem Schrot und Korn,

Bin ich gewohnt an Edelmut und Liebe,

Und wenn er mir, in diesem Augenblick,

Wie die Antike starr entgegenkömmt,

Tut er mir leid, und ich muß ihn bedauren!

 

Er gibt den Degen an den Offizier und geht ab.

 

DER KURFÜRST.

Bringt ihn nach Fehrbellin, ins Hauptquartier,

Und dort bestellt das Kriegsrecht, das ihn richte.

 

Ab in die Kirche. Die Fahnen folgen ihm, und werden, während er mit seinem Gefolge an dem Sarge Frobens niederkniet und betet, an den Pfeilern derselben aufgehängt. Trauermusik.

 

 

Dritter Akt

 

Szene: Fehrbellin. Ein Gefängnis.

 

Erster Auftritt

Der Prinz von Homburg. – Im Hintergrunde zwei Reuter, als Wache. – Der Graf von Hohenzollern tritt auf.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Sieh da! Freund Heinrich! Sei willkommen mir!

Nun, des Arrestes bin ich wieder los?

HOHENZOLLERN erstaunt.

Gott sei Lob, in der Höh!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was sagst du?

HOHENZOLLERN.

Los?

Hat er den Degen dir zurückgeschickt?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mir? Nein.

HOHENZOLLERN.

Nicht?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nein!

HOHENZOLLERN.

– Woher denn also los?

DER PRINZ VON HOMBURG nach einer Pause.

Ich glaubte, du, du bringst es mir. – Gleichviel!

HOHENZOLLERN.

– Ich weiß von nichts.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Gleichviel, du hörst; gleichviel!

So schickt er einen andern, der mir's melde.

 

Er wendet sich und holt Stühle.

 

Setz dich! – Nun, sag mir an, was gibt es Neues?

– Der Kurfürst kehrte von Berlin zurück?

HOHENZOLLERN zerstreut.

Ja. Gestern abend.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ward beschloßnermaßen,

Das Siegsfest dort gefeiert? – – Allerdings!

– Der Kurfürst war zugegen in der Kirche?

HOHENZOLLERN.

Er und die Fürstin und Natalie. –

Die Kirche war, auf würd'ge Art, erleuchtet;

Battrieen ließen sich, vom Schloßplatz her,

Mit ernster Pracht bei dem Tedeum hören.

Die schwed'schen Fahnen wehten und Standarten,

Trophäenartig, von den Pfeilern nieder,

Und auf des Herrn ausdrücklichem Befehl,

Ward deines, als des Siegers Namen –

Erwähnung von der Kanzel her getan.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Das hört ich! – – Nun, was gibt es sonst; was bringst du?

– Dein Antlitz, dünkt mich, sieht nicht heiter, Freund!

HOHENZOLLERN.

– Sprachst du schon wen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Golz, eben, auf dem Schlosse,

Wo ich, du weißt es, im Verhöre war.

 

Pause.

 

HOHENZOLLERN sieht ihn bedenklich an.

Was denkst du, Arthur, denn von deiner Lage,

Seit sie so seltsam sich verändert hat?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich? Nun, was du und Golz – die Richter selbst!

Der Kurfürst hat getan, was Pflicht erheischte,

Und nun wird er dem Herzen auch gehorchen.

Gefehlt hast du, so wird er ernst mir sagen,

Vielleicht ein Wort von Tod und Festung sprechen:

Ich aber schenke dir die Freiheit wieder –

Und um das Schwert, das ihm den Sieg errang,

Schlingt sich vielleicht ein Schmuck der Gnade noch;

– Wenn der nicht, gut; denn den verdient ich nicht!

HOHENZOLLERN.

O Arthur!

 

Er hält inne.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nun?

HOHENZOLLERN.

– Dess' bist du so gewiß?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich denk's mir so! Ich bin ihm wert, das weiß ich,

Wert wie ein Sohn; das hat seit früher Kindheit,

Sein Herz in tausend Proben mir bewiesen.

Was für ein Zweifel ist's, der dich bewegt?

Schien er am Wachstum meines jungen Ruhms

Nicht mehr fast, als ich selbst, sich zu erfreun?

Bin ich nicht alles, was ich bin, durch ihn?

Und er, er sollte lieblos jetzt die Pflanze,

Die er selbst zog, bloß, weil sie sich ein wenig

Zu rasch und üppig in die Blume warf,

Mißgünstig in den Staub daniedertreten?

Das glaubt ich seinem schlimmsten Feinde nicht,

Viel wen'ger dir, der du ihn kennst und liebst.

HOHENZOLLERN bedeutend.

Du standst dem Kriegsrecht, Arthur, im Verhör,

Und bist des Glaubens noch?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Weil ich ihm stand! –

Bei dem lebend'gen Gott, so weit geht keiner,

Der nicht gesonnen wäre, zu begnad'gen!

Dort eben, vor der Schranke des Gerichts,

Dort war's, wo mein Vertraun sich wiederfand.

War's denn ein todeswürdiges Verbrechen,

Zwei Augenblicke früher, als befohlen,

Die schwed'sche Macht in Staub gelegt zu haben?

Und welch ein Frevel sonst drückt meine Brust?

Wie könnt er doch vor diesen Tisch mich laden,

Von Richtern, herzlos, die den Eulen gleich,

Stets von der Kugel mir das Grablied singen,

Dächt er, mit einem heitern Herrscherspruch,

Nicht, als ein Gott in ihren Kreis zu treten?

Nein, Freund, er sammelt diese Nacht von Wolken

Nur um mein Haupt, um wie die Sonne mir,

Durch ihren Dunstkreis strahlend aufzugehn:

Und diese Lust, fürwahr, kann ich ihm gönnen!

HOHENZOLLERN.

Das Kriegsrecht gleichwohl, sagt man, hat gesprochen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich höre, ja; auf Tod.