Alle schrien, wie aus einem Munde:

»Hauptmann! laß uns angreifen.«

Sogleich rief er ihnen zu, sich links zu schwenken, und zog ins Tal hinab.

Sie waren einige hundert Schritte weit marschiert, als sie ein Papier auf der Erde liegen sahen. Altaverde hob es auf und gab es Rinaldo. Dieser entfaltete das Papier und las:

»Im Namen der Regierung wird hierdurch einem jeden von Rinaldinis Bande Verzeihung und Freiheit angeboten, der freiwillig zu den Truppen übergeht und seinen Anführer verläßt. Wer Rinaldinis Kopf mit sich bringt, erhält noch, außer dem Geschenke seiner Freiheit, eine Belohnung von 500 Stück Zechinen.«

Rinaldo steckte das Papier zu sich und sagte:

»Kameraden! dieses Papier verspricht euch Freiheit und Verzeihung, wenn ihr zu den Truppen übergehen, und euch auf Treu und Glauben selbst in ihre Hände liefern wollt.«

»Hat es der Großherzog unterschrieben?« – fragte Alsetto.

»Es ist ein Wisch ohne Ort, ohne Datum und Unterschrift«; – – antwortete Rinaldo.

»Daß wir doch Narren wären«, – schrie Altaverde, – »und leichtgläubig auf die Anforderung eines verzagten Unteroffiziers unser Leben in die Schanze schlügen! – Das hat ein Kerl geschrieben, dem es bange wird, gegen uns zu fechten. Kämen wir hinüber, so wüßte kein Teufel etwas von dem Versprechen; man lachte uns aus und knüpfte uns zum Spaße auf, was wir auch verdienten. – Hauptmann! Zerreiß den Wisch in Stücke und laß uns Pfropfe daraus machen. Wir wollen die Versprecher mit ihren Versprechungen auf die Pelze brennen!«

»Kameraden!« – begann Rinaldo, – »Meine Meinung ist, uns nach der Grenze des Kirchenstaates zu wenden und uns durch die Miliz in die Marleischen Waldungen zu schlagen.«

»Nur zu! nur darauf los!« – schrien alle.

Sie durchkreuzten das Tal und schlichen sich an dem entgegengesetzten Berge hin. Beinahe hatten sie ihn schon umgangen, als sie, nahe an der Grenze, auf ein Piket Miliz stießen. Dieses griffen sie unvermutet und rasch an und warfen es zurück. Aber nun trafen sie auf ein Detaschement, das, über anderthalbhundert Mann stark, rasch auf sie los rückte.

»Kameraden!« – schrie Rinaldini, – »jetzt wehrt euch wie brave Männer! Mit drei Schritten sind wir über der Grenze, und die Waldungen liegen kaum hundert Schritte weit von uns. – Bekommen sie uns lebendig, so verlieren wir unser Leben auf der Marterbank oder unter Henkershänden. Also laßt uns lieber als brave Männer mit dem Säbel in der Faust sterben. – Aber nur mutig! Wir schlagen uns gewiß durch. – Frisch darauf los!«

Mit dem letzten Worte gab er das Signal mit einem Pistolenschusse, stürzte auf die Soldaten los und seine Gesellen ihm nach. Die Furie, mit der es geschah, machte die Soldaten anfangs bestürzt. Sie fingen wirklich an zu weichen, als einer ihrer Offiziere ihnen ihre Feigheit vorwarf, an die Spitze trat und sie gegen die Wütenden führte.

Nun kam es zu einem fürchterlichen Gemetzel. Alsette stürzte an Rinaldos Seite nieder und drei seiner Gesellen zugleich mit ihm. Altaverde, Cinthio, Severo und Rinaldo fochten wie Löwen.

Es regnete Kugeln, und Hiebe fielen hageldicht. Mit gespaltenem Schädel stürzte Severo, und zwölf seiner Kameraden, von Kugeln und Hieben getroffen, neben ihm. Rinaldo drängte sich mit seinem zusammengeschmolzenen Haufen auf die Flanke der Truppen und erreichte endlich glücklich die Grenze, aber getrennt von den Seinigen. – Hier fielen ihn zwei Dragoner an. Er schoß den einen vom Pferde, und der zweite sprengte zurück. – Matt und kraftlos erreichte Rinaldo den Wald, kroch in einen dichten Busch und sank atemlos, mit hochaufklopfendem Herzen, beinahe ohne Bewußtsein nieder.

 

Als er wieder zu sich kam, war es hoch am Mittag, und er fühlte sich gequält von brennendem Durste. Er raffte sich auf und wankte tiefer in den Wald hinein bis zu einer Quelle, wo er sich niederwarf und sich erquickte. Er durchsuchte seine Taschen und fand ein paar Stückchen Zwieback, die er mit dem größten Hunger verschluckte. Dann kroch er einem Busche zu und stellte Überlegungen an. – Der Hunger aber trieb ihn bald wieder aus dem Busche. Er machte sich auf, untersuchte sein Gewehr, füllte seine Feldflasche mit Wasser und schlich weiter fort.

Er war nicht lange gegangen, als er Geräusch vernahm. Er stellte sich auf die Lauer und sah endlich einen Bauer mit einem Korbe ganz ruhig einhergehen. Diesem ging er entgegen und fragte ihn, ob er etwas zu essen bei sich habe?

Der Bauer sah ihn mit großen Augen an und sagte endlich, er trage Käse und Würste in die benachbarte Stadt.