– Als er seinen Durst gestillt und seine Flasche gefüllt hatte, ging er weiter, schnitt aber Merkzeichen in die Bäume, um den Weg zu den Ruinen wieder zurückfinden zu können.

Gegen Mittag nahte er sich der Fahrstraße, die durch den Wald ging, und lagerte sich hinter einem Busche.

Hier hatte er nicht lange gelegen, als er in der Entfernung Menschenstimmen und Glockengeklingel von Maultieren vernahm. Beide näherten sich immer mehr, und endlich kam ein Zug Zigeuner zum Vorschein.

Die Gesellschaft bestand aus drei Männern, zwei alten Weibern, einem Paar erwachsenen Mädchen, vier Kindern, einem bepackten Maultier, zwei Hunden und einigen Murmeltieren.

Sie schienen die Gegend zu kennen, bogen waldein und zogen nach der Quelle zu, die Rinaldo eben verlassen hatte. – Die Hunde witterten ihn kaum, als sie ein schreckliches Gebell erhoben und auf ihn losfuhren. Der eine von den Männern griff nach einer Flinte.

Rinaldo schlug auf die Hunde los und trat aus dem Busche hervor.

»Heda! Wer bist du?« schrie ihm der eine Zigeuner entgegen.

»Ruft eure Hunde zurück«, – rief ihm Rinaldo zu, – »oder ich schieße sie nieder!«

Sie lockten die Hunde an sich, und die Weiber nahmen sie fest. – Rinaldo trat ihnen näher und sagte ganz entschlossen:

»Wir werden schwerlich etwas von einander zu fürchten haben.«

»Wer bist du?« fragte der Zigeuner wieder.

»Ein Mann, der keine Furcht kennt.«

ZIGEUNER Ich weiß nicht, was ich von dir denken soll.

RINALDO Gib mir einen Schluck Likör, wenn du welchen hast.

ZIGEUNER Den kannst du bekommen, wenn du ihn bezahlen willst.

RINALDO Schenk ein!

ZIGEUNER Donnerwetter! Kerl, du kommst mir vor wie einer, der – etwas begangen hat, weshalb er mit der lieben Justiz in Unfrieden lebt.

RINALDO Schenk' ein!

ZIGEUNER Ja, ja, Bursch! Einer von Rinaldinis Bande bist du gewiß?

RINALDO Was geht uns beide Rinaldini an?

ZIGEUNER Mich wenigstens so viel wie ein paar tausend Zechinen, wenn ich seinen Kopf liefern könnte. –

RINALDO Ah so! – Das ist aber zu spät.

ZIGEUNER Zu spät? Ich denke, er wird immer noch früh genug an den Galgen kommen.

RINALDO Nun nicht, da er in dem letzten Gefecht von Toscanischen Soldaten niedergehauen worden ist. Da war ich dabei.

ZIGEUNER Du bist also einer von seiner Bande?

RINALDO Donnerwetter! Sag das noch einmal, und ich schlage dir den Kopf ein. Was denkst du von mir? – Ich bin der Förster des nächsten Grenzorts und war mit meinen Leuten gegen Rinaldini aufgeboten. Ich denke, wir haben einen heißen Tag gehabt, und du Schuft willst da –

ZIGEUNER Nun, nun! Ich bitte um Verzeihung, man kann sich –

RINALDO Raisonniere nicht und schenk ein! – Das ist eins. – Numero zwei: Zeigt eure Pässe vor. Wir haben geschärfte Befehle erhalten, euch Landstreichern auf der Fährte zu sein.

EINE ZIGEUNERIN Ein deliziöses Likörchen! – Für den Herrn Förster, ganz umsonst.

RINALDO Ich nehme nichts geschenkt und kenne meine Pflicht. – Noch eins. Schenk' ein, alte Sibylle!

ZIGEUNERIN Mit Vergnügen, allerliebster Herr Förster!

RINALDO Sind das deine Töchter, alte Nachteule?

ZIGEUNERIN Die kleine ist meine Tochter. Die große ist eine Anverwandte. Eine vater- und mutterlose Waise. – Sie heißt wie ihre Schutzpatronin: Rosalie, ist eine gute Christin, siebzehn Jahre alt und hat ein vortreffliches Herz. – Soll ich noch eins einschenken?

RINALDO Meinetwegen!

ZIGEUNERIN Rosalie! Ein Stückchen Reiskuchen für den Herrn Förster.

ROSALIE Hier, Herr Förster! – Wohl bekomm's

RINALDO Höre Mädchen! bist du denn wirklich getauft?

ZIGEUNERIN Vergebe Euch der Himmel diese Frage! – Zu Macerata ist sie gar schön und christlich getauft worden, wie ihr Taufzeugnis besagt.

ROSALIE Ja, gewiß und wahrhaftig!

RINALDO Nun? Was bin ich schuldig?

ZIGEUNERIN Ah papperlapapp! Nichts. Wir werden dem Herrn Förster doch nicht gar Geld abnehmen.

RINALDO Ich nehme nichts von euch geschenkt. – Sucht eure Pässe herbei. Was habt ihr da alles in den Körben? – Teufel und alle Wetter! Wie kommt ihr denn zu den großen Wachskerzen? Die habt ihr gewiß gestohlen.

ZIGEUNERIN Gott bewahre! Herr Förster, was denkt Ihr von uns? – Wir haben sie gekauft. Wir brauchen dieselben bei Sturmnächten im Walde.

RINALDO Ich will euch zwei Stück davon abkaufen.

ZIGEUNERIN Sie stehen zu Diensten.

RINALDO Das Brot kaufe ich euch auch ab.

ZIGEUNERIN Nach Belieben.

RINALDO Nun macht mir die Rechnung. – Hurtig! und die Pässe heraus! – Wollt ihr mir das ganze Fläschchen Likör lassen?

ZIGEUNERIN Warum nicht?

ZIGEUNER Der Herr Förster taugt gut auf einen Jahrmarkt.

RINALDO Ja, ich kaufe alles, was mir gefällt. Ich kaufe euch auch das Mädchen ab, wenn ihr mir sie lassen wollt, und wenn sie mit mir gehen will. Ich brauche so ein Mädchen in der Wirtschaft.

ROSALIE Wenn ich Lohn bekomme, gehe ich mit.

RINALDO Das versteht sich.

ZIGEUNERIN Ihr könnt das arme Ding bekommen. Aber – es ist eine Bedingung dabei. Ihr fragt nicht weiter nach unsern Pässen.

RINALDO Aha! – Nun, meinetwegen! Aber nehmt euch in acht, daß ihr nicht der Miliz in die Hände fallt. – Es wird heute gestreift.

ZIGEUNERIN So wollen wir machen, daß wir aus dem Walde kommen.

RINALDO Das rate ich euch selbst. – Hier ist Geld für's Mädchen und ein Paar Paoli für meine Zeche.

ZIGEUNERIN Nun, – so bedanken wir uns.

ROSALIE Lebt wohl!

ZIGEUNERIN Führe dich hübsch auf und mache uns keine Schande! – Wie heißt der Ort, wohin Ihr sie führt, Herr Förster?

RINALDO Nach Sarsiglia, wo ich Förster bin. – Die ganze Gegend kennt mich.

ZIGEUNERIN 's ist nur, daß wir wissen, wo wir uns nach dem Mädchen erkundigen können.

RINALDO Schon recht! Gott befohlen!

ROSALIE Nochmals; lebt wohl!

Die Zigeuner machten sich sogleich auf den Weg.

Rosalie nahm ihr Bündelchen, sprang neben Rinaldo her, der den Weg nach den Schloßtrümmern einschlug und war sehr aufgeräumt und munter.

 

Sie bewunderte die Ruinen, meinte, hier müsse es sich gut für Zigeuner hausen lassen, und warf sich neben Rinaldo nieder, der sich ins Gras streckte.

ER Bist du wirklich gern mit mir gegangen?

SIE Sonst würde ich ja nicht so freudig sein. Das Leben, das ich bisher geführt habe, hat mir schon längst nicht mehr gefallen wollen.