Fällst du, so ist es nicht deine Schuld. – Gehe hin und diene einem Staate mit Gut und Blut, mit Leib und Leben, mit Denken, Wissen, Wirken und Wollen, nach allen deinen Kräften, und vermodere, wenn's Glück gut ist, im Kerker unschuldig. Oder, gibt es keine Beispiele? Die alte und neue Geschichte wird dir welche zeigen. Wie so mancher Wohltäter eines Staates starb in Ketten? – Stirbst du so, so kannst du wenigstens nicht über Undank klagen.
RINALDO Ich kenne dich, wenn du in's Deraisonnieren kommst.
ALTAVERDE Und ich dich auch, wenn du in's Grübeln kommst. – Mein Deraisonnieren, wie du es nennst, macht mich zum Stoiker. Dein Grübeln taugt nichts, und macht dich unleidlich. – Was wärst du denn jetzt wohl, wenn du in Ostiala geblieben wärst und deines Vaters Ziegen länger gehütet hättet?
RINALDO Was ich jetzt nicht bin. Ein ehrlicher Mensch.
ALTAVERDE Du hast Handlungen ausgeübt, um die dich die edelsten Menschen beneiden müssen.
RINALDO Sie haben keinen Wert. Ein Räuber übte sie aus.
ALTAVERDE Das kann wahrlich den edlen Handlungen nichts von ihrem Werte benehmen! –
RINALDO Wer ein unedles Gewerbe treibt, kann nebenbei kein edles treiben.
ALTAVERDE Verflucht! was du da sagst! – Sind dir nicht Freudentränen geflossen? Hat man dich nicht im Gebete eingeschlossen? Hat man dich nicht gesegnet?
RINALDO Ach! man wußte nicht, daß man einen Räuber segnete.
ALTAVERDE Martere dich nicht selbst ab!
RINALDO O! mein Geschick, hätten sie mich bei meinen Ziegen gelassen! – Ich sage dir, ich kann mich meiner Taten weder rühmen noch freuen, denn, wenn auch einige darunter gut gewesen sein sollten, so waren doch der bösen weit mehrere, die mich einst noch zum Rabensteine führen werden.
ALTAVERDE Bist du schon dort? – Laß mich schlafen. – Gute Nacht!
Altaverde schlief wirklich gleich ein. Rinaldo ergriff seufzend seine Gitarre, spielte und sang:
Ach! wie war ich sonst so fröhlich
In der Unschuld Blumental!
Kannte keine bangen Sorgen,
Kannte weder Leid noch Qual.
Frohe Unschuld scherzte traulich,
Scherzte hold und sanft mit mir;
Und umgeben mit Verbrechen,
Sitz' ich jetzo klagend hier.
Heiter blickt' ich sonst zum Himmel,
Selbst, wie er, so klar und rein,
Konnte meine sanfte Seele
Seiner Reinheit Spiegel sein.
Und jetzt finster, wie die Nächte,
Die mein Unmut hier durchwacht,
Hat das Laster meine Seele
Dunkler als die Nacht gemacht.
Von mir floh mit bangem Beben,
Von mir wich mein guter Geist.
Ich empfinde, voll Verzweiflung,
Wie die Ruh sich von mir reißt.
Blumenketten sind zerrissen,
Und des Lasters Fessel drückt,
Ach! mit namenlosen Schmerzen
Nieder, was mich sonst beglückt.
Da schlug eine von den wachsamen Doggen, die vor dem Feuer lagen, an. Altaverde fuhr auf, griff nach dem Rohre, und Rinaldo hatte noch nicht sein Wer da? gerufen, als er schon das Zeichen erhielt, es nahe sich einer ihrer Kameraden. Die Hunde schwiegen, und Nikolo trat herzu.
NIKOLO Ich habe euch melden sollen, daß in der Ferne Maultierglocken gehört werden.
ALTAVERDE Ihr liegt doch noch alle bei der Klause?
NIKOLO So ziemlich. – Pietro und Giambattista ausgenommen, die auf's Kundschaften ausgegangen sind, sind die andern dreißig noch alle beisammen.
ALTAVERDE Ist Girolamo bei euch?
NIKOLO Ja. – Er freut sich schon auf die Maultiere.
RINALDO Altaverde! wenn du doch zu ihm gingst. Du kennst Girolamo und weißt, daß Behutsamkeit seine Sache nicht ist. – Schicke mir Cinthio. Ich will ihn hier erwarten. – Ach! wenn ihr Blut schonen könnt, –
ALTAVERDE Ja doch! wenn's sein kann.
Sie gingen. – Rinaldo warf Holz ins Feuer, legte sich unter einen Baum und zog den Mantel über den Kopf. Über ihn dahin brauste wild der Sturm, und laut auf knisterte das dürre Holz im Feuer.
»Ach!« – seufzte er; – »all' ihr Heiligen und guten Engel! beschützt mich! betete ich sonst mit Zuversicht, wenn ich meine Augen schließen wollte. Jetzt kann ich nicht beten und kein Auge schließen. O! daß ich weinen könnte!«
Die Hunde schlugen an. Er warf den Mantel von sich, fuhr auf und griff nach den Pistolen. Die Hunde sprangen einen Menschen an. Rinaldo rief sie zurück, trat näher und sah einen ehrwürdigen Greis, mit weißem Haar und Barte, in einem braunen Gewande, vor sich stehen. Er hielt in der Rechten einen Stab, in der Linken eine ausgelöschte Laterne, und ein kleines Hündchen kroch ängstlich an ihn an.
»Wer bist du?« – redete ihn Rinaldo an, als die Doggen zum Schweigen gebracht waren.
DER GREIS Ich bin unter dem Namen des Bruders vom Berge Oriolo bekannt, komme aus dem nächsten Städtchen, wo ich mir, wie gewöhnlich, meinen kleinen, nötigen Proviant bestellt habe, und wandere meiner Klause zu. Der Sturm hat mir das Licht meiner Laterne ausgelöscht, und, so gut ich auch sonst die Gegend kenne, bin ich doch, wie ich jetzt merke, auf einen Abweg geraten. Erlaube mir mein Licht anzuzünden. Ich will mich dann schon wieder finden.
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