– Schlaf wohl!

RINALDO Alter! wofür siehst du mich an?

DER GREIS Ich bin froh, dich bei diesem Feuer gefunden zu haben, weil ich nun wieder Licht habe.

RINALDO Wer glaubst du wohl, daß ich bin?

DER GREIS Es kann mir einerlei sein, zu wissen, wer du bist, oder nicht bist. – Die Menschenkenntnis interessiert mich jetzt nicht mehr.

RINALDO Ich bin in Verlegenheit.

DER GREIS Die Menschen in der Welt sind das gewöhnlich. – Ich beklage dich.

RINALDO Mein Schicksal zwingt mich, in den Tälern der Appeninen umherzuirren. Und Rinaldini, der berüchtigte Räuber, soll diese Täler unsicher machen.

DER GREIS So sagt man.

RINALDO Ich fürchte diesen grausamen Mann.

DER GREIS Grausam soll er eben nicht sein, wie es heißt. Ich bin ihm selbst zu Gefallen gegangen. Ich wollte ihn um einen Sicherheitsbrief für meine Hütte bitten.

RINALDO Irre dich nicht in ihm.

DER GREIS So hat es auch nichts zu sagen. – Die Handvoll Jahre, die ich noch zu leben habe, mag er mir nehmen, wenn es Gottes Wille ist. Er wird sie dereinst doch wieder bezahlen müssen. – Steckt er meine Hütte in Brand, so baue ich eine andere. Geld findet er bei mir nicht. Und schlägt er mir mein Paar Ziegen tot, so beschenken mich die Bauern der Nachbarschaft, die mich lieben, gewiß wieder mit einem Paar andern. – Wie Gott will!

RINALDO Hast du Mangel?

DER GREIS Wer entbehren kann, hat nie Mangel.

RINALDO Ich möchte gern eine gute Handlung ausüben. Nimm diese Börse.

DER GREIS Ich mache nicht gern Schulden, die ich nicht bezahlen kann. Ich brauche auch kein Geld. – Schlaf wohl!

Er ging, und Rinaldo wagte es nicht, ihn länger aufzuhalten. – Er warf sich wieder unter dem Baume nieder. Als die Hunde abermals anschlugen, brach schon der Morgen an, und CINTHIO kam.

 

CINTHIO Hauptmann, was fehlt dir? Warum willst du nicht mehr gern bei deinen Leuten sein? Du suchst die Einsamkeit, und fällst uns allen auf.

RINALDO Mir selbst am stärksten. – Ich weiß nicht, wie mir ist.

CINTHIO Altaverde nennt dich verliebt.

RINALDO Auch das bin ich.

CINTHIO Nun! Das ist kein Unglück.

RINALDO Vor vier Tagen lustwandelte ich in einem kleinen Tale, und sah ein Mädchen – Ach Cinthio! es war ein Engel – Sie suchte Beeren. Ich sprach mit ihr. Sie sprach mit mir. So spricht die Unschuld mit dem Laster. – Unsre Leute kamen. Ich mußte sie verlassen, habe sie seit der Zeit nicht wieder gesehen, und weiß nicht, wer und wo sie zu finden ist.

CINTHIO So vergiß sie.

RINALDO Kann ich?

CINTHIO Der Mensch kann alles, was er will.

RINALDO Das ist nicht wahr. Sonst könnte ich ein ehrlicher Mann werden.

CINTHIO Mache durch dergleichen Reden die Unsrigen nicht mißmutig. Den Schaden für dich selbst, kannst du berechnen. Rinaldo streckte sich schweigend unter den Baum und entschlummerte endlich. Als er erwachte, schien die Sonne. Sturm und Wolken waren entflohen. Cinthios Gesellschaft hatte sich um zwei seiner Kameraden vermehrt. Sie saßen mit ihm am Feuer und kochten Schokolade.

CINTHIO Guten Morgen! Hauptmann!

DIE ANDERN Guten Morgen!

RINALDO Ich danke euch.