Ritter Blaubart
Tieck, Ludwig
Ritter Blaubart
Ludwig Tieck
Ritter Blaubart
Ein Ammenmärchen in vier Akten
Personen.
Peter Berner, ein Ritter, genannt der Blaubart.
Mechthilde, seine Haushälterin.
Anton,
Simon,
Leopold , von Friedheim.
Anne,
Agnes, , ihre Schwestern.
Heymon,
Konrad , von Wallenrod.
Martin von Felsberg.
Hans von Marlof.
Brigitte, seine Tochter.
Reinhold, sein Sohn.
Kaspar, sein Knappe.
Ein Ratgeber.
Klaus, ein Narr.
Ein Arzt.
Ritter.
Knechte.
Prolog
Der Zauberstab des Dichters schließt uns oft
Die fernsten, wundervollsten Welten auf,
Und trunken kehrt der Blick aus Sonnenschein
Aus fremden Blumen, schöngeformten Bäumen
Und Kriegen, Schlachten zu uns selbst zurück.
Doch fernab, heimlich im Gebüsch versteckt,
Liegt eine alte Grotte, lange nicht
Geöffnet, kaum ist noch die Tür zu kennen.
So dick von Efeu alles überwachsen,
Und wilde Nelken hängen rot herüber,
Und drinnen hört man seltsam leise Töne,
Die manchmal toben und dann musikalisch
Verhallen, wie gefangne Tiere winseln. –
Es ist der Kindheit zauberreiche Grotte,
In der der Schreck und liebe Albernheit
Verschlungen sitzen, dem, der nähertritt,
Ein altes Lied im leisen Tone summen.
Vergönnt dem Dichter, diese Tür zu öffnen,
Hört gerne zu dem lispelnden Gesang,
Der sich in wilden dunkeln Blumen wiegt.
Seht, wie mit Steinen und mit Muschelwerk
Die Wand ein eigensinn'ger Fleiß geputzt,
Wie Schatten auf- und abwärts schweben, laßt
Durch Traumgestalten euch ergötzen, stört
Mit hartem Ernste nicht die Gaukelnden.
Erster Akt
Erste Szene
Saal auf dem Schlosse Wallenrod.
Ritter Heymon von Wallenrod, sein Bruder Ritter Konrad, ihr Vetter Martin von Felsberg und andere Ritter.
HEYMON. Sind wir nun alle versammelt?
MARTIN. Es fehlt niemand.
HEYMON. So sage ich denn noch einmal öffentlich, wie ich es schon jedem besonders gesagt habe: Krieg! Fehde! – Wer ist der Peter Berner, daß er unsere Gebiete brandschatzen darf? Sollten wir immer in Furcht und Sorgen leben vor einem solchen Nichtswürdigen?
KONRAD. Vor einem Kerl, der nicht lesen, nicht beten kann? Vor einem Kerl, der einen blauen Bart hat? Vor einem, den Gott auf eine wunderbare Weise gezeichnet hat?
MARTIN. Wie sagt Ihr? Er hätte einen blauen Bart?
KONRAD. Freilich, und der sitzt ihm an einem verhenkerten Gesicht, an einem wahren Galgengesicht.
MARTIN. Ordentlich blau? Was man so blau nennt?
HEYMON. Ihr wundert Euch mit Recht, Vetter, und mein Bruder da hat ihn ganz richtig beschrieben. Er ist ein wilder, unumgänglicher Mensch und sieht aus wie der Satan.
KONRAD. Wie ihn Euch mein Bruder da eben ganz recht beschreibt, wie der leibhaftige Satan.
MARTIN. Gottes Werke sind doch wunderbar! – Hab' ich mein Lebtage von einem blauen Barte gehört?
KONRAD. Aber Bruder, ehe wir unsern Zug unternehmen, sollten wir doch noch unsern Ratgeber fragen.
MARTIN. Wer ist das?
HEYMON. Ein alter Mann und ganz weitläufiger Verwandter, er ist schon wie gesagt etwas stumpf und bei Jahren, und da hat er sich aufs Ratgeben gelegt. Aber er gibt Euch trefflichen Rat, das versichere ich Euch.
KONRAD. Er hat schon manchen wackern Rat gegeben, von dem es wohl gut gewesen wäre, wenn man ihn befolgt hätte.
HEYMON. Da kommt er eben her.
Der Ratgeber kommt herein.
HEYMON. Nun, setzt Euch, setzt Euch! – Jetzt also, meine versammelten Freunde, sind wir in der Absicht zusammengekommen, ein vernünftiges Wort miteinander zu reden! – Es klopft. Wer klopft denn da? – Nur herein.
Klaus, der Narr, tritt auf, er ist klein und ungestaltet, bucklig und hinkt auf einem Beine, geht sehr behende an einer Krücke.
KONRAD. Ah! Es ist unser Narr!
MARTIN. Ihr habt ja eine recht vollständige Haushaltung.
KONRAD. Gottlob! Wir lassen uns nichts abgehn. Ein kleiner Mann, der Narr, wie Ihr ihn da vor Euch seht, aber einen vortrefflichen, dauerhaften Witz hat er an sich. Man kann einen ganzen Abend über ihn lachen, wenn er auch kein Wort spricht. – Aber sonst ein gutes Gemüt.
KLAUS. Ist es erlaubt, ihr Herren, daß ein Narr in eine vernünftige Ratsversammlung kommt?
HEYMON. Wenn du dich ruhig verhalten willst.
KONRAD. Du lieber Gott! Er ist ein Narr, man muß ihm doch auch ein kleines, unschuldiges Vergnügen gönnen.
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