Ich glaube sogar, um die Wahrheit zu sagen, daß sie mich für einen erbärmlichen Faulenzer gehalten – für eine unnötige Last – für einen Hans-Guck-in-die-Luft, der zu weiter nichts taugte, als Luftschlösser zu bauen – und ziemlich froh war, mich los zu sein. Es war tiefe Nacht, als ich ihr Adieu sagte.

Ich hatte die drei Gläubiger, die mich so viel geärgert hatten, als Flügeladjutanten zu mir befohlen, wir vier packten uns nun den Ballon, die Gondel und alles Zubehör auf und begaben uns auf Umwegen an die Stelle, wo ich die übrigen Gegenstände schon versteckt hatte.

Wir fanden alles in bestem Zustande vor und machten uns gleich ans Werk.

Man schrieb den ersten April. Die Nacht war, wie ich schon sagte, dunkel, kein Stern stand am Himmel, und ein dünner Regen, der von Zeit zu Zeit niederging, belästigte uns sehr. Auch machte mir der Ballon Unruhe, der trotz des dreifachen Überzugs Feuchtigkeit anzuziehen schien. Ebenso konnte das Pulver leicht Schaden leiden.

Ich ließ deshalb meine drei Manichäer hart arbeiten, ließ sie Eis um das mittlere Faß aufhäufen und die Säure in den anderen Fässern rühren. Sie hörten nicht auf, mich mit Fragen zu belästigen, was ich denn mit all diesen Apparaten vorhabe, und waren sehr unzufrieden über die schwere Arbeit, die ich sie verrichten ließ. Sie könnten nicht verstehen, meinten sie, was dabei Gutes herauskommen könne daß ich sie bis auf die Haut naß werden lasse und zu Mitschuldigen an solch höllischem Zauberspuk mache. Ich wurde unruhig und arbeitete aus allen Kräften weiter, denn diese Dummköpfe glaubten wirklich, daß ich einen Pakt mit dem Teufel gemacht hätte und mein Tun nur Unheil bringen könne. Da ich fürchtete, sie würden mich im Stiche lassen, beruhigte ich sie ein wenig, indem ich versprach, sie, sobald ich nur die augenblickliche Angelegenheit geordnet, bis auf den letzten Heller zu bezahlen. Sie legten sich meine Worte natürlich auf ihre Weise aus und bildeten sich ohne Zweifel ein, daß ich bald durch meine Zaubereien in den Besitz großer Summen baren Geldes gelangen würde. Und in der Hoffnung, daß ich ihnen dann meine Schulden und sogar vielleicht noch ihre Dienstleistungen bezahlen würde, scherten sie sich den Teufel darum, was aus meiner Seele und meinem Corpus noch einmal werden würde.

Nach ungefähr vier und einer halben Stunde war der Ballon genügend gefüllt. Ich befestigte die Gondel an ihm und legte all mein Gepäck hinein: ein Teleskop, ein Barometer, an dem ich einige wichtige Umarbeitungen vorgenommen, ein ermometer, ein Elektrometer, einen Kompaß, eine Magnetnadel, eine Sekundenuhr, eine Glocke, ein Sprachrohr und so weiter, sowie einen gläsernen Globus, der luftleer gemacht und hermetisch verschlossen war, den Kondensierapparat, ungelöschten Kalk, ein großes Stück Siegellack, einen reichhaltigen Vorrat Wasser, genügende Lebensmittel, sowie Pemmican, welches in kleiner Masse sehr viel Nährstoff enthält. Außerdem nahm ich ein paar Tauben und eine Katze mit in die Gondel.

Der Tag begann zu dämmern, und es wurde hohe Zeit zum Aufbruch. Ich ließ wie zufällig eine brennende Zigarre zur Erde fallen, und als ich mich bückte, um sie aufzuheben, steckte ich dabei heimlich das Ende der Lunte in Brand, das, wie ich schon sagte, etwas über den unteren Rand eines der kleinen Fäßchen herausragte.

Ich tat dies, ohne daß einer meiner drei Quälgeister auch nur das geringste merkte. Dann sprang ich in die Gondel, zerschnitt das einzige Seil, das den Ballon an die Erde fesselte, und wurde zu meiner großen Freude mit größter Schnelligkeit nach oben getragen. Als ich die Erde verließ, zeigte das Barometer dreißig Zoll und das Centigradthermometer °.

Kaum war ich bis zu einer Höhe von fünfzig Ellen emporgestiegen, als unter mir mit schrecklichem Krachen und Donnern ein Feuerstrahl hochschoß, Kies, brennendes Holz, glühendes Metall und zerfetzte menschliche Gliedmaßen aufspie, so daß ich fühlte, wie mein Herz erbebte und ich mich vor Schreck zitternd auf den Boden der Gondel niederwarf. Es wurde mir klar, daß ich die Minen viel zu sehr geladen hatte, und daß ich die hauptsächlichsten Folgen der Explosion noch zu tragen habe. In weniger als einer Sekunde fühlte ich denn auch, wie mir all mein Blut in die Schläfen stürzte, und gleich darauf ging so eine gräßliche Erschütterung durch die Luft, als wollte sie das Firmament selber zerspalten. Als ich später Zeit zum Nachdenken hatte, führte ich die Heftigkeit der Explosion auf ihre wahre Ursache zurück. Ich befand mich nämlich gerade über derselben, also in ihrer direkten und stärksten Wirkungslinie; damals jedoch dachte ich nur daran, mein Leben zu schützen. Der Ballon fiel erst ein wenig zusammen, dann dehnte er sich wie wütend aus, kreiste mit schwindelnder Schnelligkeit um sich selbst herum nach oben, dann schwankte und torkelte er wie ein Betrunkener, schleuderte mich aus der Gondel heraus, wobei ich mich zufällig, in fürchterlicher Höhe, mit dem Kopfe nach unten, mit dem linken Fuß in einer drei Fuß langen, dünnen Schlinge verfing, die aus einer Lücke der Weidengeflechtgondel nahe an ihrem Boden heraushing. Es ist unmöglich – ganz unmöglich, sich auch nur eine einigermaßen entsprechende Vorstellung von meiner schrecklichen Situation zu machen. Ich schnappte krampfhaft nach Luft, ein Schauder, als läge ich im Fieber, durchrann meine Nerven, schüttelte meine Muskeln, ich fühlte, wie meine Augen aus den Höhlen hervortraten, ein gräßlicher Schwindel befiel mich, ich verlor das Bewußtsein, wurde ohnmächtig …

Wie lange ich in diesem Zustande blieb, ist nicht festzustellen.

Doch muß er eine beträchtliche Zeit angehalten haben, denn als ich wieder einigermaßen zu mir kam, war es ganz Tag geworden, und der Ballon befand sich in ungeheurer Höhe über dem unendlichen Ozean; weit und breit an den Grenzen des Horizonts war jede Spur von Land verschwunden. Diese Entdeckung ängstigte mich jedoch nicht so sehr, als ich eigentlich erwartet hätte. Vielleicht lag schon etwas Wahnsinn in der Gelassenheit, mit der ich meine Lage erwog.

Ich hob meine beiden Hände vor die Augen und fragte mich voll Erstaunen, woher es kommen könne, daß meine Adern so angeschwollen und meine Fingernägel so schwarz seien. Dann untersuchte ich genau meinen Kopf, bewegte ihn öfters hin und her, befühlte ihn mit gespannter Aufmerksamkeit, bis ich mich genügend davon überzeugt hatte, daß er nicht, wie ich vermutet, größer sei als mein Ballon.

Dann tastete ich gewohnheitsmäßig in den Hosentaschen herum, und als ich merkte, daß ich mein Notizbuch und meinen Zahnstocher verloren hatte, dachte ich angestrengt nach, auf welche Weise sie wohl verschwunden sein könnten; und als ich es mir nicht zu erklären vermochte, wurde ich tief bekümmert. Hierauf schien es mir, als empfände ich einen lebhaften Schmerz in meinem linken Knöchel, und eine dunkle Erkenntnis meiner Lage begann gleichzeitig in meinem Geiste zu dämmern.

Doch so seltsam es auch klingt – ich empfand weder Staunen noch Schrecken. Wenn ich überhaupt etwas spürte, so war es höchstens eine Art von Genugtuung über die Geschicklichkeit, die ich jetzt gleich entfalten wollte, um mich aus dem Dilemma zu befreien. Und keinen Augenblick lang schien mir meine Sicherheit auch nur im geringsten gefährdet. Einige Minuten überlegte ich, was nun zuerst zu tun sei.