A. P.] 

War es nicht anzunehmen, daß sich diese Symptome so steigern würden, daß sie endlich den Tod herbeiführten?

Nach reiflicher Überlegung schloß ich, daß dies nicht der Fall sein könne. Sie hatten ihren Ursprung ohne Zweifel in der fortschreitenden Verringerung des gewohnten Drucks der Atmosphäre auf die Oberfläche des Körpers und der unausbleiblichen Ausdehnung der an der Oberfläche liegenden Blutgefäße, nicht in einer positiven Auflösung des animalischen Systems, wie im Falle wirklicher Atemnot, wo die Dichtigkeit der Atmosphäre zur regelmäßigen Erneuerung des Blutes in den Herzkammern ungenügend ist. Den Fall, daß diese Erneuerung unmöglich sei, ausgenommen, sah ich keinen Grund, weshalb sich das Leben nicht selbst in einem Vacuum erhalten könne, denn die Ausdehnung und Zusammenziehung der Brust, die man gewöhnlich Atmen nennt, ist eine nur auf den Muskeln beruhende Handlung und die Ursache und nicht etwa die Wirkung des Atmens. Kurz, ich schloß: wenn sich der Körper einmal an das Verschwinden des Luftdruckes gewöhnt habe, so würden sich die Schmerzempfindungen nach und nach legen. So lange sie dauerten, wollte ich sie schon ertragen, – das traute ich meiner eisenfesten Konstitution schon zu.

Ich habe nun Euren Exzel enzen einige, doch durchaus nicht alle Gedanken mitgeteilt, die mich veranlaßten, den Plan einer Reise auf den Mond zu fassen. Ich möchte jetzt, wenn es Euren Exzel enzen genehm ist, das Resultat dieses Versuches, der an Kühnheit in den Annalen der Geschichte wohl nicht seinesgleichen findet, eingehend mitteilen.

Als ich die vorhin erwähnte Höhe, drei dreiviertel Meilen also, erreicht hatte, warf ich einige Federn aus der Gondel und sah, daß ich noch immer mit genügender Schnelligkeit stieg. Es schien also nicht nötig, Ballast auszuwerfen. Ich war sehr froh darüber, denn ich wollte soviel Gewicht, als nur möglich war, bei mir behalten, da ich ja keine positiven Beweise von der Anziehungskraft des Mondes und der Dichtigkeit seiner Atmosphäre hatte. Bis jetzt verspürte ich noch keinerlei körperliches Mißbehagen, ich atmete durchaus leicht und empfand auch keinen Kopfschmerz. Die Katze lag feierlich auf meinem Überrock, den ich abgelegt hatte, und sah die Tauben mit Blicken voll Nonchalance an. Diese letzteren hatte ich am Bein gefesselt, damit sie nicht fortfliegen konnten. Sie hüpften in der Gondel umher und pickten ein paar Reiskörner auf, die ich für sie am Boden hingestreut hatte.

Um sechs Uhr zwanzig Minuten wies das Barometer auf eine Höhe von   Fuß oder auf beinahe fünf Meilen. Die Perspektive schien unbegrenzt zu sein. Übrigens kann man mittelst der sphärischen Geometrie die Ausdehnung der Erdfläche, die mein Blick umschloß, leicht berechnen. Die konvexe Oberfläche eines Segmentes verhält sich zu der ganzen Oberfläche der Kugel wie der Sinus versus des Segmentes zum Durchmesser der Kugel. In meinem Falle also der Sinus versus – das heißt: die Dicke des Segmentes unter mir – fast meiner Höhe gleich oder der Höhe des Aussichtspunktes über der Oberfläche.

Wie fünf Meilen zu achttausend, so verhielt sich also der Teil, den ich überblickte, zur ganzen Oberfläche der Erde – ich überschaute, mit anderen Worten, den sechzehnhundertsten Teil der ganzen Erdoberfläche. Das Meer erschien mir glatt wie ein Spiegel, obwohl ich durch das Teleskop entdeckte, daß es sich in stürmischer Unruhe befand.

Das Schiff war nicht mehr sichtbar; ohne Zweifel hatte es seine Fahrt nach Osten geführt. Jetzt spürte ich auch mit Unterbrechungen heftige Kopfschmerzen, besonders in der Nähe der Ohren – doch konnte ich noch immer verhältnismäßig leicht atmen. Die Katze und die Tauben schienen keine Beschwerde zu empfinden.

Um zwanzig Minuten vor sieben trat der Ballon in eine große, dichte Wolke, die mich sehr belästigte, meinen Kondensierapparat beschädigte und mich bis auf die Haut durchnäßte. Es war ohne Zweifel eine seltsame Begegnung, denn ich hatte es nicht für möglich gehalten, daß eine Wolke dieser Art sich in so großer Höhe aufhalten konnte. Ich hielt es für das beste, zwei Stücke Ballast, von denen jedes fünf Pfund wog, auszuwerfen, so daß mir noch hundertundsechzig Pfund blieben. Ich ließ die Wolke denn auch bald unter mir und bemerkte, daß die Schnelligkeit des Aufstiegs bedeutend zugenommen.

Wenige Sekunden, nachdem ich von der Wolke fort war, sah ich, wie ein Blitz sie von einem Ende zum anderen durchschoß und die ganze ungeheure Masse entzündete, die bald wie ein riesiges glühendes Kohlenlager aussah. Dies geschah bei hellem Tage; und ich glaube, keine Phantasie könnte sich die Großartigkeit eines solchen Schauspiels zu dunkler Nachtzeit ausmalen. Die Hölle selbst hatte ihr getreues Abbild gefunden. Mir sträubten sich die Haare, und doch suchte ich mit meinen Blicken in die gähnenden Feuerabgründe hineinzutauchen und ließ meine Phantasie sich in den seltsamen Flammenhallen, purpurglühenden Meeren, wilden Lichtschlünden dieser furchtbaren Feuerwelt ergehen. Ich war ihr mit genauer Not entronnen. Wäre der Ballon nur noch eine kurze Zeit in der Wolke geblieben, das heißt, hätte mich die Nässe nicht dazu getrieben, Ballast auszuwerfen, so wäre ich unausbleiblich dem Untergang geweiht gewesen. Derartige Gefahren, an die fast niemand denkt, sind eigentlich die bedeutendsten, denen man sich bei einer solchen Ballonfahrt aussetzt. Ich hatte jedoch mittlerweile eine Höhe erlangt, die einen ähnlichen Unfall ausschloß und mich weiterer Besorgnisse enthob.

Wir stiegen rapide, und um sieben Uhr wies das Barometer auf eine Höhe von nicht weniger als neun und einer halben Meile.