Doch hatte dies nicht viel zu sagen.

Denn der Ballon hätte mir ja doch eine weitere Aussicht durch dieses obere Fenster unmöglich gemacht.

Ungefähr einen Fuß unter einem der seitlichen Fenster befand sich eine runde, im Durchmesser drei Zoll große Öffnung, deren kupferner Rand im Innern gerade in die Spirale einer Schraube paßte. In diesen Rand war die große Röhre des Kondensators eingeschraubt; der Apparat selbst stand natürlich innerhalb des Kautschukzimmers.

Durch einen in der Maschine geschaffenen leeren Raum zog man durch die Röhre eine Quantität der draußen befindlichen dünnen Atmosphäre in die Maschine. Dort wurde sie verdichtet und strömte wieder aus, um sich mit der unzureichenden Luft im Zimmer zu verbinden. Nachdem ich dies mehreremal wiederholt hatte, füllte ich den Raum endlich mit einer zum Einatmen ausreichend dichten Luft. In dem kleinen Zimmer jedoch mußte sie sich bald wieder verschlechtern und durch ihren wiederholten Kontakt mit den Lungen zuletzt ganz unbrauchbar werden. Deshalb mußte ich sie von Zeit zu Zeit durch ein im Boden der Gondel befindliches Ventil ausströmen lassen.

Um jedoch zu vermeiden, daß das Zimmer einmal einen Augenblick lang vollständig luftleer wurde, durfte die Reinigung nicht auf einmal vor sich Drehen, sondern mußte nach und nach geschehen, indem ich das Ventil nur auf Sekunden öffnete und dann so lange geschlossen hielt, bis ein paar kräftige Pumpenstöße des Kondensators für die entlassene verbrauchte Luft genügend frische, neue hereingelassen hatten. Meine Vorliebe für Experimente hatte mich bewogen, die Katze und ihre Jungen in einem kleinen Korbe außerhalb der Gondel an einem in der Nähe des unteren Ventils, durch das ich sie zu jeder Zeit füttern konnte, angebrachten Knopfe aufzuhängen. Ich tat es mittels eines der eben erwähnten Pflöcke, denn diese sowie der Ring waren überflüssig geworden, da die dichte Atmosphäre im Zimmer den Kautschuk oben von selbst kräftig ausdehnte.

Als ich alle Vorbereitungen getroffen und das Zimmer mit Luft gefüllt hatte, wies die Uhr auf zehn Minuten vor neun. Während der ganzen Zeit der Arbeit hatten mich die schmerzhaftesten Atembeschwerden gequält, und bitter bereute ich die Nachlässigkeit oder vielmehr die törichte Unvorsichtigkeit, eine so wichtige Sache bis auf den letzten Augenblick verschoben zu haben. Kaum war ich mit ihr fertig, so begann ich auch schon die Wohltaten meiner Erfindung zu genießen. Ich atmete vollständig frei und leicht und fühlte mich zu meiner angenehmen Überraschung von meinen heftigen Schmerzen fast ganz befreit. Ein leichtes Kopfweh und ein Gefühl von Fülle oder Ausdehnung in den Hand- und Fußgelenken, sowie in der Kehle, das war eigentlich alles, was mich jetzt noch belästigte. Ein großer Teil des aus Mangel an Luftdruck entstehenden Unbehagens war also vollständig verschwunden, und alle die Schmerzen, die ich während der letzten zwei Stunden empfunden hatte, mußte ich nur der Wirkung der ungenügenden Atmung zuschreiben.

Um zwanzig Minuten vor neun, das heißt also: kurz bevor ich die Mündung des Zimmers geschlossen, hatte das Quecksilber meines Barometers, dessen Konstruktion ich, wie ich schon erwähnte, bedeutend vervollkommnet hatte, seine äußerste Grenze erreicht und sank wieder nach unten. Es zeigte eine Höhe von   Fuß oder fünfundzwanzig Meilen an, und ich überschaute zu jener Zeit also nicht weniger als den dreihundertzwanzigsten Teil der ganzen Erdoberfläche. Um neun Uhr verlor ich nach Osten hin das Land aus den Augen, und ich bemerkte, daß der Ballon rapide nach Nordnordwesten steuerte. Der Ozean lag noch immer in scheinbar konkaver Gestalt unter mir, doch wurde mir die Aussicht oft durch sich hin und wider schiebende Wolkenmassen etwas benommen.

Um halb zehn wiederholte ich das Experiment, eine Handvoll Federn durch das Ventil fallen zu lassen. Sie schwebten nicht, wie ich erwartet hatte, sondern schossen senkrecht wie Kugeln mit der größten Schnelligkeit nach unten und waren in wenigen Sekunden meinen Blicken entschwunden. Ich wußte zuerst nicht, wie ich mir die sonderbare Erscheinung erklären sollte; denn ich vermochte doch nicht zu glauben, daß sich die Schnelligkeit in solch hohem Grade beschleunigt haben könne. Dann fiel mir ein, daß die Atmosphäre sich so verdünnt habe, daß sie selbst die Federn nicht mehr tragen könne, und dieselben mit größter Schnelligkeit fallen mußten; mich hatte nur die doppelte Schnelligkeit ihres Falles und meines Aufstiegs verblüfft.

Um zehn Uhr war nichts weiter zu verrichten, das meine Aufmerksamkeit erfordert hätte. Alles ging glatt – ich war überzeugt, daß der Ballon mit stetig zunehmender Geschwindigkeit stieg, obwohl ich keine Mittel mehr hatte, um die Steigerung der Schnelligkeit zu messen. Ich empfand keine Schmerzen, kein Unbehagen mehr, war in der besten Laune, seitdem ich Rotterdam verlassen, und beschäftigte mich damit, meine verschiedenen Apparate zu untersuchen und die Luft im Zimmer zu erneuern. Dies letztere beschloß ich regelmäßig alle vierzig Minuten zu tun, weniger, weil eine so häufige Erneuerung eine absolute Notwendigkeit gewesen, als um meiner Gesundheit willen. Und zwischendurch überließ ich mich dann meinen Gedanken. Meine Phantasie erging sich in den seltsamen, traumhaften Gefilden des Mondes, und meine Gedanken, jeder Fessel ledig, irrten durch die vielformigen Wunder des ewig sich wandelnden, schattenhaften Gestirns. Bald waren es eisgraue, ehrwürdige Wälder, zackige Abgründe, tosend ins Bodenlose fallende Wasserstürze. Dann kam ich plötzlich in mittäglich beglänzte, stille Einsamkeiten, in die kein Himmelswind jemals drang, wo sich Wiesen voll rotem Mohn ins Endlose dehnten, und hohe, schlanke, liliengleiche Blumen seit Ewigkeiten lautlos und ohne Regung standen. Dann wieder irrte ich umher, bis ich in ein Land kam, das war nur ein schweigender, düsterer See, von einem ruhevollen Wolkenstreif begrenzt. Doch nicht nur solche Szenerien zogen an mir vorüber. Bilder stellten sich mir vor, solch wüster Schrecknisse voll, daß meine Seele bei dem bloßen Gedanken, sie könnten zu Wirklichkeiten werden, in ihren Tiefen erschauderte. Doch durfte ich meine Gedanken nicht länger solchen Betrachtungen anheimgeben, denn die wirklichen und greifbaren Gefahren meiner Reise verlangten vor allem meine Aufmerksamkeit.

Als ich um fünf Uhr nachmittags wieder einmal die Atmosphäre im Zimmer erneuerte, benutzte ich die Gelegenheit, um die Katze und ihre Jungen durch das Ventil zu beobachten.