Mit anderen Worten: die Basis und Hypothenuse des angenommenen Dreiecks waren in diesem Falle im Vergleich zu der Senkrechten so unendlich lang, daß sie fast eine Parallele zu bilden schienen. Auf diese Weise scheint dem Luftschiffer der Horizont immer auf dem Niveau seiner Gondel zu liegen. Aber da der direkt unter ihm liegende Punkt sich scheinbar und wirklich in ungeheurer Entfernung von ihm befindet, so scheint er ihm natürlicherweise auch weit unter dem Horizont zu liegen. So muß er also den Eindruck bekommen, als sei die Erde von konkaver Gestalt, und dieser Eindruck wird so lange anhalten, bis seine Höhe in solchem Verhältnis zur Ausdehnung der Perspektive steht, daß die anscheinende Parallele von Basis und Hypothenuse verschwindet.

Meine Tauben schienen entsetzlich zu leiden, und ich beschloß, ihnen die Freiheit zu geben. Ich band zuerst ein schönes lachsgraues Exemplar los, und setzte es auf den Rand der Gondel. Sie schien sich in jämmerlichem Zustande zu befinden und blickte angstvoll um sich, schlug mit den Flügeln, gurrte laut, schien sich jedoch nicht entschließen zu können, die Gondel zu verlassen. Endlich nahm ich sie, und warf sie etwa sechs Ellen weit hinaus. Statt jedoch, wie ich erwartet hatte, eiligst nach unten zu schießen, machte sie unter durchdringendem, lautem Geschrei heftige Anstrengungen, wieder in die Gondel zu gelangen. Es gelang ihr auch endlich, den Rand wieder zu erreichen, doch kaum hatte sie sich dort niedergelassen, so sank ihr Köpfchen auf die Brust, und sie fiel tot auf den Boden der Gondel. Der anderen ging es nicht so schlimm. Um ihr eine Rückkehr in den Ballon unmöglich zu machen, schleuderte ich sie mit aller Kraft nach unten und sah zu meiner Freude, wie sie bald ganz natürlich ihre Flügel gebrauchte und eilends nach unten segelte. In kurzer Zeit war sie nicht mehr zu entdecken, und ich zweifle nicht, daß sie ihre Heimat bald wieder erreichte. Die Mieze, die sich von ihrem Unwohlsein bald wieder erholt hatte, tat sich an dem toten Vogel gütlich und schlief nach der Mahlzeit mit allen Zeichen der Zufriedenheit ein. Ihre Kleinen waren sehr lebhaft und schienen nicht die geringste Belästigung zu empfinden.

Um ein Viertel nach acht konnte ich nur noch mit fast unerträglichen Schmerzen atmen und stellte in der Gondel alle zum Kondensator gehörigen Apparate auf. Dieser Apparat bedarf einiger Erklärung, und ich muß Euren Exzellenzen zuerst mitteilen, daß ich anfangs die Absicht hatte, mich und die Gondel gegen die verfeinerte Atmosphäre gänzlich abzuschließen und in das Innere nur eine mit Hilfe des Kondensators genügend zusammengepreßte, zum Einatmen taugliche Luft einzulassen.

Zu diesem Zwecke hatte ich einen großen, luftdichten, biegsamen Sack aus Kautschuk mitgenommen, der der Form der Gondel vollständig angepaßt war, das heißt, man konnte ihn über ihren Boden, an den Seiten vorbei, bis an den oberen Rand oder Ring, an dem das Netz befestigt war, hinziehen und dort ebenfalls fest anschließen. Als ich den Sack über die Gondel gezogen und an allen Seiten hermetisch verschlossen hatte, mußte ich nun seine Spitze oder Mündung schließen, indem ich den Kautschuk auch über dem Ringe oder, mit anderen Worten, zwischen dem Netzwerk und dem Ring zusammenschloß. Wenn ich jedoch das Netz zu diesem Zwecke von dem Ringe trennte, wie sollte sich die Gondel mittlerweile halten? Das Netz war jedoch nicht durch ein einzelnes Tau an dem Ringe befestigt, sondern durch eine Reihe einzelner, aufzuknüpfender Schlingen. Ich löste von diesen immer nur wenige auf einmal und ließ die Gondel unterdessen an den anderen hängen. Nachdem ich so einen Teil des oberen Sackes hindurchgezogen hatte, knüpfte ich die Schlingen wieder an, nicht an den Ring, den ich ja wegen des unter ihm sich hinstreckenden Kautschuks nicht mehr erreichen konnte, sondern an eine Reihe etwa drei Fuß unterhalb der Sacköffnung an den Sack selbst angebrachter Knöpfe, deren Zwischenräume ich genau den Zwischenräumen der Schlingen angepaßt hatte. War ich damit fertig, so löste ich ein paar weitere Schlingen, zog ein weiteres Stück Kautschuk hindurch und befestigte die Schlingen wie vorhin an den Knöpfen. Auf diese Weise konnte ich den ganzen oberer« Teil des Sackes zwischen dem Netz und dem Ringe hindurchziehen. Der Ring mußte also zum Schluß in die Gondel fallen, und diese hing mit ihrem ganzen Inhalt an den Knöpfen. Auf den ersten Blick mag dies gefährlich erscheinen, war es jedoch nicht im geringsten, denn die Knöpfe waren nicht allein sehr stark, sondern auch so nahe aneinander angenäht, daß jeder nur einen sehr kleinen Teil des Gewichtes zu tragen hatte. Wäre die Gondel und ihr Inhalt auch dreimal so schwer gewesen, so hätte ich mich doch deswegen nicht im mindesten zu beunruhigen brauchen. Den Ring befestigte ich oben an der Decke des Kautschuksackes wieder, indem ich ihn fast ganz in seiner ursprünglichen Lage mittelst dreier leichter Stangen stützte.

Diese Vorrichtung hielt den Sack oben in genügender Ausdehnung und den unteren Teil des Netzes in der richtigen Lage. Jetzt blieb mir nichts weiter zu tun übrig, als die Mündung der ganzen Umhüllung zu schließen. Es gelang mir leicht, indem ich die Falten des Kautschuks zusammennahm und mittels einer Art feststehender Presse zusammenschloß.

An den Seiten dieser Kautschukmauer hatte ich drei runde Scheiben von dichtem, aber klarem Glase eingesetzt, die es mir ermöglichten, nach allen Richtungen auszuspähen. In dem Teil der Hülle, die den Boden bildete, befand sich ebenfalls ein solches Fenster, das gerade über einer Öffnung im Boden der Gondel angebracht war. Ich konnte also auch senkrecht nach unten sehen. Nur gerade über mir konnte ich wegen der besonderen dichten Art des Verschlusses keine ähnliche Vorrichtung anbringen, so daß mir die Dinge gerade über mir unsichtbar bleiben mußten.