Mein Bett auf dem Boden der Gondel war so angebracht, daß mein Kopf gerade unter dem Kruge lag. War die Stunde vergangen und der Krug gefüllt, so mußte er überlaufen, und das Wasser, das von einer Höhe von mehr als vier Fuß auf mein Gesicht fiel, mußte mich auch aus dem festesten Schlaf aufwecken.
Als ich meine Vorbereitungen beendigt hatte, war es elf Uhr geworden, und ich begab mich in vollem Vertrauen auf die Wirksamkeit meiner Erfindung zur Ruhe. Ich täuschte mich auch nicht. Pünktlich alle sechzig Minuten weckte mich mein treuer Chronometer, ich leerte den Krug wieder in das Faß zurück, pumpte neue Luft ins Zimmer und begab mich wieder zu Bett. Diese regelmäßigen Unterbrechungen im Schlafe ermüdeten mich weit weniger, als ich gedacht, und als ich mich gegen sieben Uhr endgültig wieder erhob, stand die Sonne schon mehrere Grad über der Linie meines Horizontes.
. April Mein Ballon war während der Nacht zu ungeheurer Höhe aufgestiegen, und die konvexe Gestalt der Erde zeigte sich auffallend deutlich. Unter mir, im Ozean, sah ich eine Reihe schwarzer Flecken; ohne Zweifel waren es Inselgruppen. Der Himmel über mir war gagatschwarz, die Sterne funkelten, wie ich es schon am ersten Tage meines Aufstiegs wahrgenommen. Weit gegen Norden bemerkte ich eine dünne, weiße, hell leuchtende Linie, und ich vermutete sofort, daß es die südliche Grenze des Polareismeeres sei. Dieser Anblick erregte meine Neugierde auf das mächtigste, denn ich hoffte, weiter gegen Norden getragen zu werden und mich vielleicht sogar einen Augenblick lang gerade über dem Pol zu befinden. Ich sah jedoch mit Verdruß, daß meine ungeheuere Höhe mich hindern mußte, wie ich es wünschte, genauere Beobachtungen anzustellen. Immerhin blieben mir noch viele Erkenntnisse vorbehalten.
Den ganzen Tag über ereignete sich nichts Außergewöhnliches.
Meine Apparate befanden sich alle in guter Ordnung, und der Ballon stieg stetig ohne merkbare Schwankung. Es wurde sehr kalt, und ich mußte mich fest in meinen Überrock einhüllen. Als sich die Erde wieder mit Dunkelheit bedeckte, legte auch ich mich zur Ruhe, obgleich es um mich her noch manche Stunde lang taghell war. Die Wasseruhr tat pünktlich ihre Pflicht, und ich schlief mit Ausnahme der stündlichen Unterbrechungen gesund bis zum anderen Morgen.
. April Ich stand in bester Gesundheit und Laune auf und erstaunte über die sonderbare Veränderung, die mit der See vor sich gegangen war. Sie hatte ihre tiefblaue Färbung, in der sie mir bis jetzt erschienen war, verloren, und blendete meine Augen durch ein hartes, grauweißes Licht.
Die konvexe Gestalt des Ozeans trat so offen zu Tage, daß sich seine fernen Wassermassen in den Abgrund des Horizontes hineinzustürzen schienen, und ich überraschte mich dabei, wie ich lauschte, ob ich das Echo der ungeheueren Katarakte nicht vernehmen könne. Die Inseln waren nicht mehr zu sehen; ob sie südöstlich hinter den Horizont gesunken waren oder die Höhe sie meinen Blicken entzog, vermag ich nicht zu sagen. Ich vermute jedoch das letztere.
Der Eisrand im Norden wurde immer deutlicher sichtbar. Die Kälte war nicht mehr so heftig. Es ereignete sich nichts Wichtiges, und ich vertrieb mir die Zeit mit Lesen, da ich mich mit Büchern für die Reise versorgt hatte.
. April Ich beobachtete das seltene Schauspiel eines Sonnenaufgangs, während die ganze sichtbare Erdoberfläche noch in Dunkelheit lag. Mit der Zeit jedoch verbreitete sich das Licht überall hin, und ich konnte im Norden wieder die Eislinie entdecken. Sie war deutlich sichtbar und erschien viel dunkler als das Wasser des Meeres. Augenscheinlich näherte ich mich ihr mit größter Schnelligkeit. Bildete mir ein, östlich sowohl wie westlich einen Streifen Land zu entdecken, doch war ich dessen nicht gewiß. Temperatur mäßig. Während des Tages ereignete sich nichts von Bedeutung. Ging früh zu Bett.
. April Bemerkte überrascht den Landstreifen in mäßiger Entfernung und ein ungeheueres Eisfeld, das sich bis zum nördlichen Horizont erstreckte.
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