Die Sonne steht gleich weit von beiden Polen über der Erde. Tag und Nacht sind gleich. Die Sonne scheint immer näher zu kommen, und immer höher am Himmel aufzusteigen, je mehr sich der rote Faden nähert. Der Tag und die Wärme nehmen zu, die Nacht und die Kälte nehmen ab.

Der Sommer beginnt um den 21. Juni, wenn der Faden am weitesten von dem Kruzifix entfernt, und am nächsten bei uns ist. Alsdann steht die Sonne am höchsten über dem Haupt des geneigten Lesers, und dieser Tag ist der längste. Sowie sich der Faden wieder hinauswindet, kommt die Sonne immer schiefer gegen uns zu stehen, und die Tage werden kürzer.

Der Herbst beginnt am 21. September. Tag und Nacht sind wieder gleich, weil die Sonne, besage des Fadens wieder über dem Kruzifix steht. Aber je weiter er alsdann jenseits hinauslauft gegen den andern Pol, desto tiefer stellt sich gegen uns die Sonne. Die Tage und die Wärme nehmen immer mehr ab, die Nächte und die Kühle nehmen zu.[23]

Der Winter beginnt, wenn am 20. Dezember der Faden am weitesten jenseits von uns entfernt ist. Der geneigte Leser verschläft alsdann die längste Nacht, und die Sonne steht so tief, daß sie ihm noch früh um 9 Uhr durch des Nachbarn Kaminhut in das Stüblein schauen kann, wenn die Fensterscheiben nicht gefroren sind.

Endlich wenn von diesem Tage an der Faden zurückkehrt, verlängern sich auch die Tage wieder. Am 22. Februar auf Petri Stuhlfeier kommt schon der Storch in seine alte Heimat zurück, und ungefähr am 20. März trifft der rote Faden wieder bei dem Kruzifix ein. Dies hat noch nie falliert.

Hieraus ist zu gleicher Zeit zu erkennen, daß nie auf der ganzen Erde die nämliche Jahrszeit herrscht. Denn zu gleicher Zeit, und in gleichem Maße, wie sich die Sonne von unserm Scheitelpunkt entfernt, oder wir von der Sonne, kommt sie höher über diejenige zu stehen, welche jenseits des Kruzifixes gegen den andern Pol hinaus wohnen, und umgekehrt ebenso.

Wenn hier die letzten Blumen verwelken, und das Laub von den Bäumen fällt, fängt dort alles an zu grünen und zu blühen. Wenn wir in unserm Winter die längste Nacht verschlafen, schimmert dort der längste Sommertag, und der Hausfreund kann sich nicht genug über die göttliche Weisheit verwundern, die mit einer Sonne auf der ganzen Erde ausreicht, und in die winterlichste Landschaften noch einen lustigen Frühling, und eine fröhliche Ernte bringen kann.

Soviel für diesmal von der Erde. Gleichwohl wenn ein Mensch von derselben sich aufheben, und in grader Linie langsam oder geschwind zum Abendstern aufsteigen könnte, der unter allen Sternen der nächste ist, so würde er noch merkwürdige Dinge sehen. Der Stern würde vor seinen Augen immer größer werden, zuerst wie der Mond, bald darauf wie ein großes Rad, zuletzt wie eine unübersehbare Kugel oder Fläche. Sein Licht würde ihm immer milder erscheinen, weil es sich immer über eine größere Fläche verbreitete, ja er würde in einer gewissen Entfernung davon schon Berge und Täler entdecken, und allerlei, und zuletzt auf einer neuen Erde landen. Aber in der nämlichen Proportion müßte unter[24] ihm die Erde immer kleiner werden, und glänzender ihr Licht, weil es sich auf einen kleinern Raum zusammendrängt. In einer gewissen Entfernung hätte sie für ihn noch den Umfang wie ein großes Rad, hernach wie eine Schützenscheibe, hernach wie der Mond, und endlich wenn er gelandet wäre, würde er sie weit draußen am Himmel, als einen lieblichen Stern unter den andern erblicken, und mit ihnen auf- und untergehn sehen. »Sieh dort«, würde er zu seinem ersten Bekannten sagen, mit dem er bekannt wird, »sieh jenen lieblichen Stern, dort bin ich daheim, und mein Vater und meine Mutter leben auch noch dort. Die Mutter ist eine geborne Soundso.« Es müßte ein wundersames Vergnügen sein, die Erde unter den Sternen des Himmels und ganz als ihresgleichen wandeln zu sehen, und der Hausfreund hat dem geneigten Leser diese Freude in dem Artikel von den Planeten zugedacht.

[1813]

 

Die Fortsetzung folgt [hier][25]

 

Zwei Gehülfen des Hausfreunds

Es wird in Zukunft bisweilen von einem Adjunkt die Rede sein, was der geneigte Leser nicht verstehen könnte, wenn es ihm nicht erklärt würde. Als nämlich der Hausfreund den rheinländischen Kalender noch schrieb, er schreibt ihn noch, hat er den Bezirk seiner Hausfreundschaft diesseits Rheins, wie die Franzosen das Land jenseits Rheins in zwei Provinzen geteilt, in die untere, und in die obere: und hat in die untere einen Statthalter gesetzt, einen Präfekt, der aber nicht will genannt sein, denn er ist kein Landskind. Auch nennt ihn der Hausfreund selber nicht leicht Statthalter, und niemand, sondern Adjunkt, denn selten ist jeder auf seinem Posten, sondern sitzen beieinander und schreiben miteinander neue hochdeutsche Reimen, oder sinnreiche Rätsel. Zum Exempel, »Adjunkt«, sagt der Hausfreund: »Ratet hin, ratet her, was ist das?[25]

 

Der arme Tropf

Hat keinen Kopf;

Das arme Weib

Hat keinen Leib,

Die arme Kleine

Hat keine Beine.

Sie ist ein langer Darm,

Doch schlingt sie einen Arm

Bedächtig in den andern ein.

Was mag das für ein Weiblein sein?«

 

»Hausfreund«, sagt der Adjunkt, »wenn Ihr mir einen Groschen leiht, so will ich Euch, für dieses Rätsel ein paar Bretzeln kaufen. Den Wein, den wir dazu trinken, bezahlt Ihr.