Wenn ihr auf einem sanftfahrenden Wagen, oder lieber in einem Schifflein auf dem Rhein fahrt, und ihr schließt die Augen zu, oder ihr schaut eurem Kameraden, der mit euch fahrt, steif auf einen Rockknopf, so merkt ihr nichts davon, daß ihr weiterkommt. Wenn ihr aber umschaut nach den Gegenständen, welche nicht selber bei euch auf dem Gefährte sind, da kommt euch das Ferne immer näher, und das Nahe und Gegenwärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt ihr erst, daß ihr vorwärts kommt, also auch die Erde. An der Erde selbst und allem was auf ihr ist, so weit man schauen kann, laßt sich ihre Bewegung nicht absehen; (denn die Erde ist selbst das große Gefährte, und alles was man auf ihr sieht, fahrt selber mit:) sondern man muß nach etwas schauen, das stehenbleibt, und nicht mitfahrt, und das sind eben nach Nro. 1 die Sonne und die Sterne, zum Beispiel der sogenannte Tierkreis. Denn 12 große Gestirne, welche man die 12 himmlische Zeichen nennt, stehn am Himmel in einem hohen Kreis um die Erde herum. Sie heißen: der Widder, der Stier, die Zwillinge, der Krebs, der Löwe, die Jungfrau, die Waage, der Skorpion, der Schütz, der Steinbock, der Wassermann, die Fische.
Eins folgt auf das andere, und das letzte schließt an das erste wieder an, nämlich die Fische an den Widder. Dies ist der Tierkreis. Er steht aber noch viel höher am Firmament als die Sonne, und sie steht von hier aus betrachtet immer zwischen den zwei Linien, die seinen Rand bezeichnen, und in einem Zeichen derselben. Denn ob sie gleich noch weit herwärts desselben steht, so meint man doch wegen der sehr großen Entfernung, sie befinde sich in dem Zeichen selbst. Wenn[21] sie aber heute in dem Zeichen des Steinbocks steht, so steht sie nach 30 Tagen nicht mehr im Zeichen des Steinbocks, sondern im nächsten, und je nach 30 Tagen immer in dem nächstfolgenden, und daran erkennt man, daß die Erde in ihrem Kreislauf unterdessen vorwärts gegangen sei. Es kann nicht fehlen. Zu dem allem sagt
Fünftes und letztens der Kopernikus wieder, wenn gleichwohl die Achse der Erdkugel gegen die Sonne waagrecht läge, und die Erde drehte sich auch so, und sie bewegte sich waagrecht in einer vollkommen runden Zirkellinie um die Sonne, also daß die Sonne genau im Mittelpunkt des Zirkelkreises stünde, so müßte jahraus jahrein, und auf allen Orten der Erde Tag und Nacht gleich sein. Ja es müßte mitten auf der Erde rechts und links um den roten Faden ein ewiger Sommer glühn, weiterhin zu beiden Seiten am Abhang der Kugel milderte und kühlte sich die Hitze ein wenig, je schiefer die Sonnenstrahlen herabfielen, und näher gegen die Pole hin herrschte ein Winter ohne Trost und ohne Ende. Aber es ist nicht so, sagt der Sternseher. Die Achse der Erde liegt nicht waagrecht und nicht senkrecht gegen die Sonne, sondern schief in einem Winkel von 67 Graden, wer's versteht. In dieser Richtung gegen die Sonne dreht sich die Erde in 24 Stunden um, in dieser Richtung wandelt sie in einem Jahr um die Sonne ebenfalls nicht senkrecht, sondern schief.
Wenn am 21. März der geneigte Leser sich vor den roten Adler stellt, vor das Wirtshaus, und sich mit dem Gesicht gegen Sonnenaufgang kehrt, so ist der Kreis, den an selbigem Tag der rote Faden um die Erde zieht noch 1470 Stunden Wegs, oder 735 Meilen rechts hinaus von ihm entfernt, sein Pol aber, dem er am nächsten ist, ist 1230 Stunden oder 615 Meilen von ihm entfernt links hinaus. In solchem Standpunkt steht der geneigte Leser am 21. März. Aber schon am 22. legt sich der Faden nicht mehr ganz an das bewußte Kruzifix, und an seinen Anfang an, sondern er lauft etwas herwärts gegen uns daran vorbei, und so windet er sich von 24 Stunden zu 24 Stunden in einer Schraubenlinie fort, und kommt immer näher gegen uns bis zum 21. Juni, und ist alsdann gleichwohl noch nicht bei uns, sondern ist uns nur ungefähr um 705[22] Stunden, oder 352 1/2 Meile näher gekommen. Aber vom 21. Juni an kehrt der Faden in den nämlichen Windungen wieder zurück, immer weiter von uns weg, bis er ungefähr am 21. September in gleicher Entfernung von beiden Polen wieder satt an dem Kruzifix vorbeistreift. Von dieser Zeit an wendet er sich jenseits gegen den andern Pol immer weiter und weiter von uns weg bis ungefähr zum 21. Dezember, wo er 1440 Stunden weit, rechts hinaus von uns entfernt ist, kehrt alsdann ebenso zurück, und trifft am 21. März wieder richtig bei dem Kruzifix ein. Aber bis zu uns kommt er nie, weil wir so weit von ihm weg wohnen, hinaus gegen den Pol.
Aus dieser figürlichen Vorstellung ist nun zu erkennen, was zwar der geneigte Leser schon weiß, daß er während des Kreislaufs der Erde nicht immer in der nämlichen Richtung gegen die Sonne bleiben könne, aber die Astronomen haben daraus berechnet, in welcher schiefen Linie die Erde binnen Jahresfrist die Sonne umlaufen muß, damit diese Veränderungen und die 4 Jahreszeiten zustande kommen.
Der Frühling beginnt um den 21. März, wann der rote Faden gerade auf das Kruzifix herabreicht.
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