Manchen Leuten erscheint die
plattdeutsche Sprache grob, und sie mögen sie nicht. Ich habe
diese Sprache immer geliebt; mein Vater sprach sie wie hochdeutsch,
sie, die »vollkommnere der beiden Schwestern«, wie
Klaus Groth sie genannt hat. Es ist die Sprache des Meeres. Das
Plattdeutsche kann alles sein: zart und grob, humorvoll und
herzlich, klar und nüchtern und vor allem, wenn man will,
herrlich besoffen. Die Prinzessin bog sich diese Sprache ins
Hochdeutsche um, wie es ihr paßte -- denn vom Missingschen
gibt es hundert und aber hundert Abarten, von Friesland über
Hamburg bis nach Pommern; da hat jeder kleine Ort seine
Eigenheiten. Philologisch ist dem sehr schwer beizukommen; aber mit
dem Herzen ist ihm beizukommen. Das also sprach die Prinzessin --
ah, nicht alle Tage! Das wäre ja unerträglich gewesen.
Manchmal, zur Erholung, wenn ihr grade so zu Mut war, sprach sie
missingsch; sie sagte darin die Dinge, die ihr besonders am Herzen
lagen, und daneben hatte sie im Lauf der Zeit schon viel von Berlin
angenommen. Wenn sie ganz schnell »Allmächtiger
Braten!« sagte, dann wußte man gut Bescheid. Aber
mitunter sprach sie doch ihr Platt oder eben jenes halbe Platt:
missingsch.
Das weiß ich noch wie heute... Das war, als wir uns
kennenlernten. Ich war damals zum Tee bei ihr und bot den diskret
lächerlichen Anblick eines Mannes, der balzt. Dabei sind wir
ja rechtschaffen komisch... Ich machte Plüschaugen und sprach
über Literatur -- sie lächelte. Ich erzählte Scherze
und beleuchtete alle Schaufenster meines Herzens. Und dann sprachen
wir von der Liebe. Das ist wie bei einer bayrischen Rauferei -- die
raufen auch erst mit Worten.
Und als ich ihr alles auseinandergesetzt hatte, alles, was ich
im Augenblick wußte, und das war nicht wenig, und ich war so
stolz, was für gewagte Sachen ich da gesagt hatte, und wie ich
das alles so genau und brennendrot dargestellt und vorgeführt
hatte, in Worten, so daß nun eigentlich der Augenblick
gekommen war, zu sagen: »Ja, also dann ...« -- da sah
mich die Prinzessin lange an. Und sprach: »Einen
weltbefohrnen dschungen Mann --!«
Und da war es aus. Und ich fand mich erst viel später bei
ihr wieder, immer noch lachend, und mit der erotischen Weihe war es
nichts geworden. Aber mit der Liebe war es etwas geworden.
Der Zug hielt.
Die Prinzessin fuhr auf, öffnete die Augen. »Wo sind
wir?« -- »Es sieht aus wie Stolp oder Stargard --
jedenfalls ist es etwas mit St«, sagte ich. -- »Wie
sieht es noch aus?« fragte sie. - »Es sieht aus«,
sagte ich und blickte auf die Backsteinhäuschen und den
trübsinnigen Bahnhof, »wie wenn hier die Unteroffiziere
geboren werden, die ihre Mannschaften schinden. Möchtest du
hier Mittag essen?« Die Prinzessin schloß sofort die
Augen. »Lydia«, sagte ich, »wir können auch
im Speisewagen essen, der Zug hat einen.« --
»Nein«, sagte sie. »Im Speisewagen werden die
Kellner immer von der Geschwindigkeit des Zuges angesteckt, und es
geht alles so furchtbar eilig -- ich habe aber einen langsamen
Magen ...« -- »Gut. Was liest du da übrigens,
Alte?« -- »Ich schlafe seit zwei Stunden auf einem
mondänen Roman. Der einzige Körperteil, mit dem man ihn
lesen kann...«, und dann machte sie die Augen wieder zu. Und
wieder auf. »Guck eins ... die Frau da! Die is aber
misogyn!« -- »Was ist sie?« -- »Misogyn ...
heißt das nicht mickrig? Nein, das habe ich mit den
Pygmäen verwechselt; das sind doch diese Leute, die auf
Bäumen wohnen ...
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