-- »Ich
bin keine Frau.« -- »Aber pedantisch!« --
»Erlaube mal«, sagte ich, »hier liegt ein
logischer Fehler vor. Es ist genauestens zu unterscheiden, ob pro
primo...« -- »Gib mal'n Kuß auf Lydia!«
sagte die Dame. Ich tat es, und der Chauffeur nuckelte leicht mit
dem Kopf, denn seine Scheibe vorn spiegelte.
Und dann hielt das Auto da, wo alle bessern Geschichten
anfangen: am Bahnhof.
3
Es ergab sich, daß der Gepäckträger Nr. 47 aus
Warnemünde stammte, und der Freude und des Geredes war kein
Ende, bis ich, diese landsmännische Idylle, der Zeit wegen,
unterbrach. »Fährt der Gepäckträger mit? Dann
könnt ihr euch ja vielleicht im Zug weiter unterhalten.«
-- »Olln Döskopp! Heww di man nich so!« sagte die
Prinzessin. Und: »Wi hemm noch bannig Tid!« der
Gepäckträger. Da schwieg ich überstimmt, und die
beiden begannen ein emsiges Palaver darüber, ob Korl
Düsig noch am »Strom« wohnte -- wissen Sie:
Düsig -- näää ... de Olsch! So, Gott sei Dank,
er wohnte noch da! Und hatte wiederum ein Kind hergestellt: der
Mann war achtundsiebzig Jahre und wurde von mir, hier an der
Gepäckausgabe, außerordentlich beneidet. Es war sein
sechzehntes Kind. Aber nun waren es nur noch acht Minuten bis zum
Abgang des Zuges, und... »Willst du Zeitungen haben,
Lydia?« -- Nein, sie wollte keine. Sie hatte sich etwas zum
Lesen mitgebracht - wir unterlagen beide nicht dieser
merkwürdigen Krankheit, plötzlich auf den Bahnhöfen
zwei Pfund bedrucktes Papier zu kaufen, von dem man vorher ziemlich
genau weiß: Makulatur. Also kauften wir Zeitungen.
Und dann fuhren wir -- allein im Abteil -- über Kopenhagen
nach Schweden. Vorläufig waren wir noch in der Mark
Brandenburg.
»Finnste die Gegend hier, Peter?« sagte die
Prinzessin. Wir hatten uns unter anderm auf Peter geeinigt -- Gott
weiß, warum.
Die Gegend? Es war ein heller, windiger Junitag -- recht frisch,
und diese Landschaft sah gut aufgeräumt und gereinigt aus --
sie wartete auf den Sommer und sagte: Ich bin karg.
»Ja...«, sagte ich. »Die Gegend...« --
»Du könntest für mein Geld wirklich etwas
Gescheiteres von dir geben«, sagte sie. »Zum Beispiel:
diese Landschaft ist wie erstarrte Dichtkunst, oder sie erinnert
mich an Fiume, nur ist da die Flora katholischer -- oder so.«
-- »Ich bin nicht aus Wien«, sagte ich. »Gott sei
Dank«, sagte sie. Und wir fuhren.
Die Prinzessin schlief. Ich denkelte so vor mich hin.
Die Prinzessin behauptete, ich sagte zu jeder von mir geliebten
Frau, aber auch zu jeder --: »Wie schön, daß du da
bist!« Das war eine pfundsdicke Lüge -- manchmal sagte
oder dachte ich doch auch: »Wie schön, daß du da
bist... und nicht hier!« -- aber wenn ich die Lydia so neben
mir sitzen sah, da sagte ich es nun wirklich. Warum --?
Natürlich deswegen. In erster Linie...? Ich weiß das
nicht. Wir wußten nur dieses; Eines der tiefsten Worte der
deutschen Sprache sagt von zwei Leuten, daß sie sich nicht
riechen können. Wir konnten es, und das ist, wenn es
anhält, schon sehr viel. Sie war mir alles in einem: Geliebte,
komische Oper, Mutter und Freund. Was ich ihr war, habe ich nie
ergründen können.
Und dann die Altstimme. Ich habe sie einmal nachts geweckt, und,
als, sie aufschrak: »Sag etwas!« bat ich. »Du
Dummer!« sagte sie. Und schlief lächelnd wieder ein.
Aber ich hatte die Stimme gehört, ich hatte ihre tiefe Stimme
gehört.
Und das dritte war das Missingsch.
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