Sieh
mal -- sie können das mit den Vaterländern doch nur
machen, wenn sie Feinde haben und Grenzen. Sonst wüßte
man nie, wo das eine anfängt und wo das andre aufhört.
Na, und das ginge doch nicht, wie ...?« Die Prinzessin fand,
daß es nicht ginge, und dann wurden wir auf die Fähre
geschoben.
Da standen wir in einem kleinen eisernen Tunnel, zwischen den
Dampferwänden. Rucks -- nun wurde der Wagen angebunden.
»Wissen möcht ich ...«, sagte die Prinzessin,
»warum ein Schiff eigentlich schwimmt. Es wiegt so viel: es
müßte doch untergehn. Wie ist das! Du bist doch einen
studierten Mann!« - »Es ist ... der Luftgehalt in den
Schotten ... also paß mal auf ... das spezifische Gewicht des
Wassers ... es ist nämlich die Verdrängung ...« -
»Mein Lieber«, sagte die Prinzessin, »wenn einer
übermäßig viel Fachausdrücke gebraucht, dann
stimmt da etwas nicht. Also du weißt es auch nicht. Peter,
daß du so entsetzlich dumm bist -- das ist schade. Aber man
kann ja wohl nicht alles beieinander haben.« Wir wandelten an
Bord.
Schiffslängs -- backbord -- steuerbord ... ganz leise
arbeiteten die Maschinen. Warnemünde blieb zurück,
unmerklich lösten wir uns vom Lande. Vorbei an der Mole da lag
die Küste.
Da lag Deutschland. Man sah nur einen flachen, bewaldeten
Uferstreifen und Häuser, Hotels, die immer kleiner wurden,
immer mehr zurückrückten, und den Strand ... War dies
eine ganz leise, winzige, eine kaum merkbare Schaukelbewegung? Das
wollen wir nicht hoffen.
Ich sah die Prinzessin an. Sie spürte sogleich, wohinaus
ich wollte. »Wenn du käuzest, min Jung«, sagte
sie, »das wäre ein Zückzeh fuh!« --
»Was ist das?« -- »Das ist
Französisch« -- sie war ganz aufgebracht -, »nu
kann der Dschung nich mal Französisch un hat sich do Jahrener
fünf in Paris feine Bildung bielernt ... Segg mohl, was hasse
da eigentlich inne ganze Zeit giemacht? Kann ich mi schon lebhaft
vorstelln! Ümme mit die kleinen Dirns umher, nöch? Du
bischa einen Wüstling! Wie sind denn nun die
Französinnen? Komm, erzähl es mal auf Lydia -- wir gehn
hier rauf und runter, immer das Schiff entlang, und wenn dir
schlecht wird, dann beugst du dich über die Reeling, das ist
in den Büchern immer so. Erzähl.«
Und ich erzählte ihr, daß die Französinnen sehr
vernünftige Wesen seien, mit einer leichten Neigung zu
Kapricen, die seien aber vorher einkalkuliert, und sie hätten
pro Stück meist nur einen Mann, den Mann, ihren Mann, der auch
ein Freund sein kann, natürlich -- und dazu vielleicht auch
anstandshalber einen Geliebten, und wenn sie untreu seien, dann
seien sie es mit leichtsinnigem Bedacht. Beinah jede zweite Frau
aber hätte einen Beruf. Und sie regierten das Land ohne
Stimmrecht -- aber eben nicht mit den Beinen, sondern durch ihre
Vernunft. Und sie seien liebenswürdige Mathematik und
hätten ein vernünftiges Herz, das manchmal mit ihnen
durchginge, doch pfiffen sie es immer wieder zurück. Ich
verstände sie nicht ganz.
»Es scheinen Frauen zu sein«, sagte Lydia.
Die Fähre schaukelte nicht grade -- sie deutete das nur an.
Auch ich deutete etwas an, und die Prinzessin befahl mich in den
Speiseraum. Da saßen sie und aßen, und mir wurde gar
nicht gut, als ich das sah -- denn sie essen viel Fettes in
Dänemark, und dieses war eine dänische Fähre. Die
Herrschaften aßen zur Zeit: Spickaal und Hering,
Heringsfilet, eingemachten Hering, dann etwas, was sie
»sild« nannten, ferner vom Baum gefallenen Hering und
Hering schlechthin. Auf festem Land eins immer besser als das
andre. Und dazu tranken sie jenen herrlichen Schnaps, für den
die nordischen Völker, wie sie da sind, ins Himmelreich kommen
werden. Die Prinzessin geruhte zu speisen.
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