Ich hätte gern ein paar Bemerkungen gemacht und den mürrischen Eigentümer um eine kurze Geschichte des Hauses gebeten, aber seine Haltung an der Tür schien meinen schleunigen Eintritt oder mein endgültiges Verschwinden zu
fordern, und ich hatte keine Lust, seine Ungeduld zu steigern, bevor ich das Allerheiligste besichtigt hatte.
Eine Stufe führte ohne irgendwelchen Vorraum oder Durch-gang in den Wohnraum der Familie, hierzulande ›das Haus‹
genannt. Es ist gewöhnlich Küche und Empfangszimmer in einem, doch glaube ich, daß in Wuthering Heights die Küche in einen anderen Teil des Hauses verbannt war; jedenfalls vernahm ich Geplapper von Stimmen und Geklapper von Kü-
chengeräten weiter innen im Hause. Auch bemerkte ich weder Anzeichen von Braten, Kochen oder Backen in der Nähe der riesigen Feuerstätte noch den Schimmer von kupfernen Bratpfannen und Zinndurchschlägen an der Wand. Von einem Ende allerdings wurde der starke Glanz des Lichtes und der Glut zurückgeworfen, und zwar von Reihen riesiger Zinnschüsseln, die sich zusammen mit silbernen Krü-
gen und Kannen auf einer gewaltigen Eichenanrichte reihen-weise fast bis zum Dach auürmten. Dieses war nie unter-zimmert worden; unverhüllt zeigte sich sein ganzes Gerippe dem forschenden Blick, bis auf die Stelle, wo es von einem hölzernen Gerüst verborgen wurde, das mit Haferkuchen und Bergen von Rinds-, Hammel- und Schweinskeulen beladen war. Über dem Kamin hingen mehrere alte Räuber-flinten und ein Paar Reiterpistolen, und auf dem Sims standen, wohl als Schmuck, drei mit grellen Farben bemalte Blechbüchsen. Der Fußboden war aus glattem weißem Stein; die hochlehnigen Stühle, schlicht in der Form, waren grün gestrichen; ein oder zwei schwarze Lehnstühle standen im Schatten. Unter der Anrichte lag eine riesige fahl-braune Hühnerhündin, umgeben von einem Gewimmel quie-kender Welpen, und in anderen Winkeln lagen noch mehr Hunde.
Das Zimmer und die Einrichtung hätten zu einem schlichten Landwirt des Nordens gepaßt, zu einem Mann mit sturem Gesichtsausdruck, dessen kräige Glieder sich in Kniehosen und Gamaschen gut ausnehmen. Männer dieser Art, im Lehnstuhl sitzend, den schäumenden Bierkrug vor sich auf dem runden Tisch, kann man im Umkreis von fünf oder sechs Meilen überall in diesen Bergen antreffen, wenn man sie zur richtigen Zeit nach dem Mittagbrot aufsucht. Aber Mr. Heathcliff
bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu seiner Behausung und seinem Lebensstil. Seinem Aussehen nach ist er ein dun-kelhäutiger Zigeuner, der Kleidung und dem Gehaben nach ein vornehmer Mann, das heißt in der Art vornehm, wie viele Landjunker es sind: vielleicht etwas schlampig, doch trotz der Vernachlässigung nicht übel aussehend, weil er ebenmäßig und gut gewachsen ist – und etwas mürrisch. Es ist möglich, daß er bei manchen Menschen im Verdacht eines ungebilde-ten Hochmuts steht; ich fühle in mir eine verwandte Saite klingen, die mir sagt, daß dem nicht so ist. Mein Gefühl sagt mir: seine Zurückhaltung entspringt einer Abneigung gegen Gefühlsäußerungen und Freundlichkeitsbekundungen. Er wird gleicherweise im verborgenen lieben und hassen und wird es als eine Art von Unverschämtheit erachten, wiederge-liebt oder -gehaßt zu werden. Aber halt, ich lasse mir zu sehr die Zügel schießen: ich statte ihn zu verschwenderisch mit meinen eigenen Charakterzügen aus. Vielleicht hat Mr.
Heathcliff ganz andere Gründe dafür, seine Hand zu verstek-ken, wenn er einen tri, der seine Bekanntscha sucht, als die, die mich bewegen. Ich will hoffen, daß ich mit meiner Veranlagung einzeln dastehe. Meine liebe Mutter pflegte zu sagen, ich würde niemals ein gemütliches Heim haben, und erst im letzten Sommer habe ich mich als unwürdig erwiesen, eines zu gründen.
Während ich einen Monat schönen Wetters an der See verleb-te, geriet ich in die Gesellscha eines bezaubernden Geschöpfes, einer wahren Göttin in meinen Augen, solange sie mir keine Aufmerksamkeit schenkte. Ich gab meiner Liebe nie mit Worten Ausdruck; doch wenn Blicke sprechen können, hätte auch der ärgste Dummkopf erraten, daß ich bis über beide Ohren verliebt war. Sie verstand mich schließlich und erwiderte meine Augensprache mit dem süßesten Blick, den man sich vorstellen kann. Und was tat ich? Ich gestehe es voller Scham: ich zog mich, zu Eis erstarrt, in mich selbst zurück wie eine Schnecke, zog mich bei jedem Blick abgekühlter und weiter zurück, bis die arme Unschuld schließlich anfing, ihren eigenen Sinnen zu mißtrauen und, niedergeschlagen und verwirrt, ihre Mutter überredete, die Zelte abzubrechen. Durch diese merkwürdige Veranlagung bin ich in den Ruf vorsätzli-
cher Herzenskälte gekommen, wie unverdient, kann nur ich allein ermessen.
Mein Wirt ging auf den Herdsitz zu, ich nahm am entgegenge-setzten Ende Platz und füllte eine Pause des Schweigens mit dem Versuch, die Hündin zu streicheln, die ihre Kinderstube verlassen hatte, wie ein Wolf von hinten an meine Beine her-angeschlichen war und ihre weißen Zähne zum Zuschnappen bleckte. Mein Streicheln veranlaßte ein langgezogenes tiefes Knurren.
Auch Mr.
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