Ich gehe, Herr?—Nehmt die Verschreibungen mit euch, und gebt wohl auf die Datums Acht.
Caphis.
Ich will, Herr.
Senator.
Geh.
(Sie gehen ab.)
Zweyte Scene.
(Verwandelt sich in Timons Halle.)
(Flavius tritt mit verschiednen Obligationen in der Hand auf.)
Flavius. Keine Sorge, kein Maaß noch Ziel! Er bekümmert sich so wenig um seine Ausgaben, daß er weder darauf denkt wie er sie bestreiten, noch wie er diesem Strom von Verschwendung Einhalt thun wolle. Niemals ist so viel Güte mit so viel Thorheit in einem Menschen beysammen gewesen—Was ist zu thun?—Er wird nicht hören, bis er fühlt; ich muß freymüthig mit ihm sprechen, wenn er von der Jagd heimkommt! O! weh! weh! weh! (Caphis, Isidor und Varro treten auf.)
Caphis.
Guten Abend, Varro; wie, kommt ihr auch um Geld zu fordern?
Varro.
Das wird vermuthlich euer Geschäft auch seyn?
Caphis.
Es ist nicht anders, und euers auch, Isidor?
Isidor.
So ist es.
Caphis.
Ich wollte, wir wären alle bezahlt.
Varro.
Mir ist nicht wohl bey der Sache.
Caphis.
Hier kommt der Lord. (Timon und sein Gefolge treten auf.)
Timon.
Sobald wir zu Mittag gegessen haben, wollen wir wieder fort. Mein
Alcibiades—Nun, was ist euer Begehren.
(Sie bieten ihm ihre Handschriften hin.)
Caphis.
Gnädiger Herr, hier ist eine Rechnung von gewissen Schulden —
Timon.
Schulden? Woher seyd ihr?
Caphis.
Von Athen, hier, Gnädiger Herr.
Timon.
Geht zu meinem Verwalter.
Caphis. Euer Gnaden wollen mir's zu gut halten, er hat mich diesen ganzen Monat durch von einem Tag auf den andern vertröstet; mein Herr wird durch eine dringende Veranlassung genöthiget, das Seinige einzufordern, und bittet demüthig, Euer Gnaden möchte, nach dero bekannten Großmuth ihm sein Recht angedeyhen lassen.
Timon.
Mein ehrlicher Freund, komm den nächsten Morgen wieder.
Caphis.
Nein, Gnädiger Herr—
Timon.
Mäßige dich, guter Freund.
Varro.
Eines gewissen Varro's Bedienter, gnädiger Herr.
Isidor.
Von Isidor, er bittet um schleunige Bezahlung.
Caphis.
Wenn Euer Gnaden die Noth wüßte, worinn mein Herr stekt. —
Varro. Die Verschreibung, gnädiger Herr, ist schon vor sechs Wochen verfallen —
Isidor.
Euer Haushofmeister weißt mich ab, und ich bin ausdrüklich zu Euer
Gnaden geschikt worden.
Timon.
Laßt mich nur zu Athem kommen,—
(zu seinen Begleitern)
Ich bitte euch, meine werthesten Herren, gehet hinein, ich werde euch in einem Augenblik aufwarten—
(Die Lords gehen ab.)
Kommt hieher;
(zu Flavius)
Wie geht das zu, daß ich auf eine so schimpfliche Art mit ungestümen Anfordrungen wegen Schulden, verfallnen Handschriften, und Vorenthaltung längst richtig zumachender Zahlungen angefallen werde?
Flavius. Mit eurer Erlaubniß, meine Herren; es ist izt keine gelegne Zeit für euer Geschäfte; wartet bis nach Mittag, damit ich Seiner Gnaden inzwischen begreiflich machen kan, warum ihr noch nicht bezahlt seyd.
Timon.
Thut das, meine Freunde.
(zu Flavius.)
Seht, daß ihnen wohl begegnet werde.
(Timon geht ab.)
Flavius.
Ich bitte euch, kommt herein.
(Flavius geht ab.)
Dritte Scene.
(Apemanthus und ein Harlequin zu den Vorigen.)
Caphis. Wartet, wartet, hier kommt der Narr mit Apemanthus, wir wollen ein wenig Spaß mit ihnen haben.
Varro.
An den Galgen mit ihm, er wird uns eins anhängen.
Isidor.
Daß ihn die Pest,—den Hund!
Varro.
Wie geht's, Narr?
Apemanthus.
Redst du mit deinem Schatten?
Varro.
Ich rede nicht mit dir.
Apemanthus.
Das ist wahr, du redst mit dir selbst. Komm, laß uns gehn.
(Zum Narren.)
Isidor.
Der Narr hangt schon an deinem Rüken.
Apemanthus.
Nein, du stehst einzeln.
Caphis.
Weil du noch nicht an ihm bist. Wo ist der Narr hingekommen?
Apemanthus.
Er hat die lezte Frage gethan. Arme Schelme und Wucherers Sclaven!
Kuppler zwischen Geld und Mangel!
Alle.
Was sind wir, Apemanthus?
Apemanthus.
Esel.
Alle.
Was?
Apemanthus.
Wenn ihr euch selbst kenntet, so brauchtet ihr mich nicht zu fragen.
Rede du mit ihnen, Narr.
Harlequin.
Was lebt ihr gutes, meine Herren?
Alle.
Grossen Dank, Narr; was macht eure Frau?
Narr.
Sie sezt eben Wasser über, um solche Hühnchen abzubrühen, wie ihr
seyd. Ich wünschte wir könnten das Vergnügen haben, euch zu
Corinth* zu sehen.
{ed.-* Ein unter gewissen Leuten übliches Wort anstatt Bordell, vermuthlich von der Ausgelassenheit dieser alten Griechischen Stadt hergenommen; wovon (Alexander ab Alexandro) sagt:(Corinthi super mille Prostitutae in templo Veneris assiduae degere & inflammata libidine quaestui meretricio operam dare & velut Sacrorum ministrae Deae famulari solebant.) Warbürton.}
Apemanthus.
Grossen Dank für den guten Wunsch! (Ein Page zu den Vorigen.)
Narr.
Seht, hier kommt meiner Frauen Page.
Page.
Wie geht's, Capitain, Was macht ihr in dieser weisen Gesellschaft?
Wie befindst du dich, Apemanthus?
Apemanthus. Ich wollt', ich hätte eine Ruthe in meinem Maul, um dir eine heilsame Antwort geben zu können.
Page.
Ich bitte dich Apemanthus, lies mir die Aufschrift auf diesen
Briefen; ich weiß nicht, wem jeder gehört.
Apemanthus.
Kanst du nicht lesen?
Page.
Nein.
Apemanthus.
Es wird also an dem Tag, da du gehängt werden wirst, nicht viel
Gelehrtheit sterben—Dieser ist an Lord Timon, dieser an Alcibiades.
Geh, du wardst ein Huren-Sohn gebohren, und wirst als ein Huren-
Wirth sterben.
Page.
Und du wardst als ein Hund geworffen, und wirst verhungern, wie ein
Hund. Antworte mir nicht, ich gehe.
(Er geht ab.)
Apemanthus.
Narr, ich will mit euch zum Lord Timon gehn.
Harlequin.
Wollt ihr mich dort verlassen?
Apemanthus.
Wenn Timon bey Hause ist—Ihr drey dient bey drey Wucherern?
Alle.
Ich wollte, sie dienten uns.
Apemanthus. Das wollt' ich auch—Ein so feiner Streich, als jemals ein Henker einem Dieb gespielt hat!
Harlequin.
Seyd ihr Drey Wucherers-Leute?
Alle.
Ja, Narr.
Harlequin. Ich glaub', es giebt in der ganzen Welt keinen Wucherer, der nicht einen Narren zum Diener hat. Meine Frau gehört auch in diese Zunft, und ich bin ihr Narr; wenn die Leute zu euern Herren gehn um Geld zu borgen, so kommen sie traurig, und gehn lustig fort; aber in meiner Frauen Haus gehn sie lustig hinein, und traurig wieder fort. Wißt ihr die Ursach?
Varro.
Ich könnte wol eine sagen.
Harlequin.
So thue es dann, damit wir sehen, daß du ein Hurenjäger und ein
Lumpenhund bist; wofür du aber, auch ohne das, nichts desto minder
gehalten werden sollst.
Varro.
Was ist ein Hurenjäger, Narr?
Harlequin. Ein Narr in hübschen Kleidern, und dir in etwas ähnlich. Es ist ein Geist; zuweilen läßt er sich in Gestalt eines Edelmanns sehen, zuweilen in Gestalt eines Advocaten, zuweilen in Gestalt eines Philosophen, mit zwey Steinen, ohne den Stein der Weisen zu rechnen. Sehr oft nimmt er die Gestalt eines Soldaten an, und überhaupt ist keine Gestalt, worinn der Mensch von achtzig Jahren bis zu dreyzehn, nur immer gesehen werden mag, in welcher dieser Geist nicht spüke.
Varro.
Du bist nicht ganz ein Narr.
Harlequin. Und du nicht ganz gescheidt; ich habe gerade so viel Narrheit, als dir an Gescheidtheit mangelt.
Apemanthus.
Das ist eine Antwort, deren Apemanthus sich nicht zu schämen hätte.
Alle.
Auf die Seite, auf die Seite, der Lord Timon kommt. (Timon und
Flavius treten auf.)
Apemanthus.
Komm mit mir, Narr, komm mit.
Harlequin. Einem Liebhaber, einem ältern Bruder, und einem Weibsbild folg' ich nicht allemal; izt will ich einmal einem Philosophen folgen.
Flavius
(zu den Vorigen.)
Seyd so gut, und spaziert ein wenig dort, ich will gleich mit euch reden.
(Die Gläubiger, Apemanthus und Harlequin, treten ab.)
Vierte Scene.
(Timon. Flavius.)
Timon.
Ihr sezt mich in Erstaunen: Warum habt ihr mir denn meine Umstände
nicht eher vollständig vorgelegt, damit ich meine Ausgaben nach dem
Ertrag meiner Mittel hätte einrichten können?
Flavius. Ich hab euch in manchen müßigen Stunden daran erinnert, aber ihr wolltet mich nicht anhören.
Timon. Ausflüchte! Ihr habt vielleicht gerade die Augenblike ausgesucht, da ich nicht bey guter Laune war; und izt bedient ihr euch dessen, euch selbst auf meine Unkosten zu entschuldigen.
Flavius. O! mein gnädiger Herr, ich brachte meine Rechnungen manchmal, und legte sie euch vor; ihr warfet sie weg, und sagtet, ihr verlasset euch auf meine Ehrlichkeit.
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