Wenn ihr, für irgend ein nichtswürdiges Geschenk von euern Freunden, mir so oder so viel dagegen zu geben befahlet, schüttelt' ich den Kopf und weinte; ja, ich übertrat oft die Geseze des Wohlstands und bat euch, ein wenig sparsamer im Austheilen zu seyn: Ich bekam nicht selten und nicht kleine Verweise, wenn ich Euch die Ebbe euers Vermögens, und die grosse Fluth eurer Schulden vorstellte. Mein allerliebstes Herr, ob ihr gleich izt zu spät höret, so ist doch noch izt eine Zeit; die Summe alles dessen, was ihr habt, mangelt nur eine Helfte, um alle eure Schulden zu bezahlen.

Timon.
Laßt alle meine ligende Güter verkauft werden.

Flavius. Sie sind meistens versezt, einige gar schon verfallen, oder sonst veräussert; und der Rest wird kümmerlich zureichen, die dringendsten Schulden zu verstopfen; die künftige Zeit rükt heran; wovon sollen wir unterdessen leben, und wie werden wir zulezt mit unsrer Rechnung bestehen können?

Timon.
Meine Ländereyen erstrekten sich bis nach Lacedämon.

Flavius. Ach, mein Gnädiger Herr, die Welt ist nur ein Wort; wäre sie ganz euer, so daß ihr sie in einem Athemzug weggeben könntet, wie schnell würde sie weg seyn!

Timon.
Ihr habt recht.

Flavius. Wofern ihr einigen Verdacht in meine Wirthschaft oder Treue sezet, so fordert mich vor die schärfesten Richter, und stellt mich auf die Probe. Die Götter seyen mir gnädig, so wie ich die Wahrheit sage! Wenn alle eure Vorraths-Kammern von schwelgerischen Prassern erschöpft wurden; wenn die Gewölbe und Deken in euern Sälen von Wein träuffelten, der in trunknem Muthwillen versprizt wurde; wenn jedes Zimmer von Lichtern funkelte, und von Spielleuten zertrappt wurde; zog ich mich oft in einen dunkeln Winkel unter dem Dach zurük, um meinen Thränen freyen Lauf zu lassen.

Timon.
Ich bitte dich, nichts mehr,

Flavius. Himmel! rief ich aus! wie gütig dieser Herr ist! Wie manche verschwenderische Bissen haben in dieser Nacht Sclaven und Bauren verschlukt! Wer ist izt nicht Timons? Welches Herz, welcher Kopf, welches Schwerdt, welches Vermögen und Ansehen steht nicht zu Timons Diensten? des grossen, des edeln, würdigen, königlichen Timons? Aber wenn die Mittel hin sind, die diese Lobsprüche erkauften, so ist auch der Athem hin, woraus diese Lobsprüche gemacht waren—Laßt nur eine einzige Winterwolke schaudern, so ligen alle diese Fliegen.

Timon. Komm, es ist genug geprediget! Mein Herz kan mir doch wegen meiner Gütigkeit keinen Vorwurf machen. Unweislich, nicht unedel hab' ich weggegeben; warum weinst du? Kanst du fähig seyn, dir einzubilden, es werde mir jemals an Freunden fehlen? Beruhige dich! Wenn ich die Gefässe meiner Liebe anzapfen, und den Inhalt ihrer Herzen durch Borgen auf die Probe sezen wollte, ich könnte mich ihrer Personen und ihres Vermögens so frey bedienen, als ich dir befehlen kan zu reden.

Flavius.
Die Götter geben daß die Erfahrung eure Hoffnung erfülle!

Timon. Und gewisser Maassen leisten mir diese Bedürfnisse einen Dienst, der sie in meinen Augen zu grossen Vortheilen macht; denn durch sie werd' ich Freunde bewähren. Ihr werdet sehen, wie sehr ihr euch über meine Glüks-Umstände betrügt; ich bin an Freunden reich. Herein, he! Flaminius, Servilius!

Fünfte Scene.
(Flaminius, Servilius, und andre Bediente treten auf.)

Servilius.
Gnädiger Herr—

Timon. Ich will euch an verschiedne Orte schiken; Ihr zu Milord Lucius— ihr zu Lord Lucullus, mit dem ich heut auf der Jagd war—ihr zu Sempronius; empfehlt mich ihrer Freundschaft; sagt ihnen, ich sey stolz darauf, daß ich endlich Gelegenheit finde, ihre Beyhülfe in einem mir zugestoßnen Geldmangel gebrauchen zu können; begehrt fünfzig Talente.

Flaminius.
Nach Euer Gnaden Befehl.

(Flaminius und Bediente gehen ab.)

Flavius (bey seite.)
Lord Lucius und Lucullus! Hum!

Timon. Ihr, mein Herr, geht zu den Senatoren, von denen ich, mit des Staats gröstem Vortheil, eine solche Gefälligkeit wohl verdient habe: Sagt ihnen, sie möchten mir augenbliklich tausend Talente schiken.

Flavius. Ich bin so kühn gewesen, (weil ich wußte, daß dieses der gewöhnlichste Weg ist) euern Namen und euer Sigel zu einem solchen Ansuchen bereits zu gebrauchen; allein, sie schüttelten die Köpfe, und ich kam nicht reicher zurük.

Timon.
Was sagst du? Ist das wahr? Ist's möglich?

Flavius. Sie antworteten alle aus einem Mund und mit einer vereinigten Stimme, sie seyen eben nicht versehen, sie brauchten Geld, könnten nicht thun was sie wollten; es sey ihnen leid—Ihr seyt ein Mann von Verdiensten—Aber doch möchten sie gewünscht haben—Sie wissen nicht—Es hätte etwas anders seyn mögen—ein edles Naturell könne sich verschlimmern—Wäre zu wünschen es wär' alles gut—Sey zu bedauren—Und hiemit geriethen sie über andre ernsthafte Materien, nachdem sie mich durch unfreundliche Blike und diese harten Brüche, mit gewissen halben Winken, und einem kaltsinnigen Kopfniken, zu erstarrendem Stillschweigen gebracht hatten.

Timon. Ihr Götter, vergeltet's ihnen!—Ich bitte dich, Mann, sey ruhig! Die Undankbarkeit ist bey diesen alten Gesellen etwas natürliches. Ihr Blut ist geronnen, es ist kalt, es fließt selten; der Mangel an freundlicher Wärme macht sie unfreundlich; die Natur, so wie sie nach und nach zur Erde herab sinkt, nimmt auch ihre Eigenschaften an, und wird schwer und unempfindlich. Geh zum Ventidius—Ich bitte dich, sey nicht traurig, du bist redlich und ohne Falsch; ich spreche von Herzen: Es ist nichts an dir auszusezen—Ventidius hat kürzlich seinen Vater begraben, durch dessen Tod er zu einem grossen Vermögen gekommen ist; wie er arm, im Gefängniß, und von jedermann verlassen war, half ich ihm mit fünf Talenten aus der Noth. Grüß' ihn in meinem Namen; sag ihm, irgend ein dringendes Bedürfniß sey seinem guten Freunde zugestossen, welches ihn nöthige sich dieser fünf Talente zu erinnern. Wenn du sie hast, so gieb sie diesen Leuten, die diesen Augenblik ihre Bezahlung fordern. Sage nur niemals, und denk' es auch nicht, daß Timons Glüksstand mitten unter seinen Freunden, einsinken könne.

(Er geht ab.)

Flavius. Wollte Gott, ich könnt' es nicht denken! Wie geneigt ist ein edles und gütiges Herz, alle andern auch dafür zu halten.

(Er geht ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene.
(Des Lucullus Haus in Athen.)
(Flaminius wartet auf Antwort, um vorgelassen zu werden; ein
 Bedienter kommt zu ihm.)

Bedienter. Ich hab euch bey meinem gnädigen Herrn angemeldt; er kommt eben selbst herab.

Flaminius.
Ich danke euch. (Lucullus tritt auf.)

Bedienter.
Hier ist Milord.

Lucullus. Einer von Lord Timons Leuten? ein Präsent, denk' ich; nun, es trift recht artig zu; ich träumte diese Nacht von einem silbernen Handbeken und einer Gießkannen. Flaminius, ehrlicher Flaminius, ihr seyd recht besonders willkommen, mein Herr;—(bringt mir einen Becher mit Wein)—Und wie befindet sich dann der würdigste, vollkommenste, großmüthigste Edelmann in ganz Athen, dein sehr gütiger lieber Herr und Meister?

Flaminius.
Er ist ganz wohl auf, was seine Gesundheit betrift.

Lucullus. Nun das freut mich ja recht, daß er wohl auf ist—und was hast du hier unter deinem Mantel, mein lieber Flaminius?

Flaminius. Mein Treue, nichts als einen leeren Beutel, Gnädiger Herr, Euer Gnaden zu bitten, daß ihr ihn aus Freundschaft für meinen Herrn füllen möchtet; der, da ihm eben eine dringende Noth zugestossen, mich zu Euer Gnaden geschikt hat, mit Bitte, ihm mit fünfzig Talenten auszuhelfen; nicht zweiflend, daß ihr ihm eure schleunige Beyhülfe nicht versagen werdet.

Lucullus. La, la, la, la,—Nicht zweiflend, sagt ihr? Ach, leider! der gute Herr, er ist ein wakrer Edelmann, das ist wahr; wenn er nur nicht eine so kostbare Haushaltung führte.