Tod und Teufel (Totentanz)

Wedekind, Frank

Tod und Teufel (Totentanz)

 

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Frank Wedekind

Tod und Teufel

Totentanz

Drei Szenen

 

Personen.

Der Marquis Casti Piani.

 

Fräulein Elfriede von Malchus.

 

Herr König.

 

Lisiska.

 

Drei Mädchen.

 

Szenerie.

 

Ein Zimmer mit verhängten Fenstern, in dem einander gegenüber zwei rote Polstersessel stehen. Im rechten sowie im linken Proszenium befindet sich je eine kleine Efeuwand, hinter der sich jemand verbergen kann, ohne gegen die Zuschauer verdeckt zu sein und ohne von der Bühne aus gesehen zu werden. Hinter diesen Efeuwänden stehen zwei rotgepolsterte Hockerl.

Mitteltür, Seitentüren.

 

 

Elfriede von Malchus sitzt in einem der Polstersessel. Man sieht ihr an, daß sie sich unbehaglich fühlt. Sie trägt ein modernes Reformkleid, dazu Hut, Mantel und Handschuhe.

 

ELFRIEDE. Wie lange will man mich hier noch warten lassen! Lange Pause, in der sie unbeweglich sitzen bleibt. Wie lange will man mich hier noch warten lassen! Lange Pause wie vorher. – Wie lange will man mich hier noch warten lassen! Nach einer Pause erhebt sie sich, zieht den Mantel aus und legt ihn über den Polstersessel, nimmt den Hut ab und legt ihn auf den Mantel. Darauf geht sie in sichtlicher innerer Erregung zweimal auf und ab. – Stehenbleibend. – Wie lange will man mich hier noch warten lassen!

 

Auf ihr letztes Wort tritt der Marquis Casti Piani durch die Mitteltür ein. Er ist ein Mann von hoher Statur, mit kahlem Schädel, hoher Stirn, großen, melancholischen, schwarzen Augen, starker Adlernase und starkem, herabhängendem schwarzen Schnurrbart. Er trägt schwarzen Gehrock, dunkle Phantasieweste, tiefgraue Beinkleider, Lackstiefel und schwarze Krawatte mit Brillantnadel.

 

CASTI PIANI mit Verbeugung. Sie wünschen, gnädige Frau?

ELFRIEDE erregt. Das habe ich vorhin der – Dame schon so klar wie nur irgendwie menschenmöglich auseinandergesetzt, weshalb ich hier bin.

CASTI PIANI. Die – Dame hat mir gesagt, weshalb Sie hier sind. Die Dame sagte mir auch, Sie seien Mitglied des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels.

ELFRIEDE. Das bin ich allerdings! Ich bin Mitglied des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Aber wenn ich es auch nicht wäre, hätte ich mir diesen Weg doch um keinen noch so hohen Preis ersparen können. Seit dreiviertel Jahren bin ich auf der Spur dieses unglücklichen Geschöpfes. Überall, wohin ich bis jetzt gekommen bin, hatte man das Mädchen immer kurz zuvor wieder in eine andere Stadt verschleppt. Aber in diesem Hause ist sie! Sie ist jetzt noch hier! Das hat mir die – Dame, die eben hier war, auch ohne Umschweife zugestanden. Die Dame gab mir die Versicherung, sie werde das Mädchen hierher in dieses Zimmer schicken, damit ich hier ungestört unter vier Augen mit ihm sprechen könne. Ich warte hier jetzt nur auf das Mädchen. Ich habe keine Lust und keine Veranlassung dazu, hier noch ein zweites Verhör über mich ergehen zu lassen.

CASTI PIANI. Ich bitte Sie, gnädiges Fräulein, sich nicht noch mehr zu erregen. Das Mädchen möchte Ihnen – anständig gekleidet vor Augen treten. Die Dame bat mich, aus Furcht, Sie könnten sich in Ihrer Aufregung zu irgendeiner überflüssigen Gewaltmaßregel hinreißen lassen, Ihnen das zu sagen und Ihnen über die Beklommenheit, die Ihnen das Warten in diesen Räumlichkeiten verursachen muß, möglichst hinwegzuhelfen.

ELFRIEDE aufgeregt auf und ab gehend. Ich bitte Sie, sich Ihre liebenswürdige Unterhaltung zu ersparen. Die Atmosphäre, die hier herrscht, hat für mich nichts Neues mehr.