Welch herrlichen, lebensfrischen Klang dann das Wort Freudenmädchen erhält! In der Geschichte des Paradieses steht, daß der Himmel dem Weib die Macht der Verführung verlieh. Das Weib verführt, wen es will. Das Weib verführt, wann es will. Es wartet nicht auf Liebe. Diese höllische Gefahr für unsere heilige Kultur bekämpft die bürgerliche Gesellschaft damit, daß sie das Weib in künstlicher Geistesumnachtung erzieht. Das heranwachsende Weib darf nicht wissen, was ein Weib zu sein bedeutet. Alle Staatsverfassungen könnten darüber den Hals brechen! Kein Henkerskniff ist der bürgerlichen Gesellschaft zu ihrer Verteidigung zu gemein! Mit jedem Kulturfortschritt dehnt sich der Liebesmarkt aus. Je klüger die Welt wird, um so größer der Liebesmarkt. Und diese Millionen von Freudenmädchen weist unsere gefeierte Kultur im Namen der Sittlichkeit auf den Hungertod hin oder raubt ihnen im Namen der Sittlichkeit Ehre und Lebensberechtigung, stößt sie im Namen der Sittlichkeit ins Tierreich hinab! Wie manches Jahrhundert lang soll noch himmelschreiende Unsittlichkeit die Welt mit dem Henkerbeile der Sittlichkeit verwüsten!
ELFRIEDE tonlos wimmernd. Heiraten Sie mich! Sie stehen außerhalb der Welt! Ich trage meine Hand heute zum erstenmal einem Manne an.
CASTI PIANI ihr das Haar streichelnd, ohne sie anzusehen. Brotkorbkultur! Brotkorbkultur! – Was wüßte die Welt von der ganzen Sittlichkeit, wenn der Mann die Liebe kommandieren könnte, wie er die Politik kommandiert!
ELFRIEDE. Ich erhoffe von unserer Ehe gar kein höheres Glück, als zeit meines Lebens so vor Ihnen auf den Knien liegend, Ihren Worten lauschen zu dürfen!
CASTI PIANI ohne sie anzusehen. Haben Sie sich denn je gefragt, was die Ehe ist?
ELFRIEDE. Ich hatte bis zu dieser Stunde keine Ursache, danach zu fragen. Sich erhebend. Sagen Sie es mir! Ich werde alles tun, um Ihren Anforderungen gerecht zu werden.
CASTI PIANI zieht sie auf seine Knie. Kommen Sie, mein Kind. Ich werde es Ihnen erklären. Da sich Elfriede einen Augenblick ziert. Halten Sie bitte still!
ELFRIEDE. Ich habe nie auf dem Knie eines Mannes gesessen.
CASTI PIANI. Geben Sie mir einen Kuß!
Elfriede küßt ihn.
CASTI PIANI. Danke. Sie zurückdrängend. Sie möchten wissen, was die Ehe ist? – Sagen Sie mir, wer stärker ist: ein Mensch, der einen Hund hat, oder ein Mensch, der keinen Hund hat?
ELFRIEDE. Der Mensch, der einen Hund hat, ist stärker.
CASTI PIANI. Und nun sagen Sie mir noch, wer stärker ist: ein Mensch, der einen Hund hat, oder ein Mensch, der zwei Hunde hat?
ELFRIEDE. Ich glaube, daß der Mensch, der einen Hund hat, stärker ist, denn zwei Hunde müssen eigentlich notwendig schon eifersüchtig aufeinander werden.
CASTI PIANI. Das wäre das wenigste. Aber zwei Hunden muß er zu fressen geben, sonst laufen sie davon, während der eine Hund für sich selber sorgt und seinen Herrn, wenn's not tut, auch noch bei Raubanfällen verteidigt.
ELFRIEDE.
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