Slops Sturze und seinem kläglichen Erscheinen im Hinterzimmer eine ausführliche Beschreibung, – möge nun seine Einbildungskraft auf diesem Wege eine Strecke weiter gehen.
Stelle sich der Leser also vor, daß Dr. Slop seine Geschichte erzählt hat, und zwar in solchen Worten und mit solchen Uebertreibungen, wie es seiner Phantasie gefällt; nehme er an, Obadiah habe seine Geschichte auch erzählt, und zwar mit solch' bedauerlichen Mienen und solch' scheinbarer Verwirrung, wie es ihm am besten scheinen mag, die beiden Gestalten einander gegenüberzustellen. Bilde er sich ein, daß mein Vater hinauf gegangen ist, im zu sehen, wie es mit meiner Mutter geht, und endlich (denn sonst wird des Sichvorstellens und Sicheinbildens zu viel), daß der Doktor rein gewaschen, gebürstet, getröstet, beglückwünscht und in ein Paar von Obadiahs Hosen gesteckt worden sei und nun eben der Thür zuschreite, um sich auf das Feld seiner Thätigkeit zu begeben.
Sachte, sachte, guter Dr. Slop! ziehe deine geburtshelferische Hand wieder ein – stecke sie vorsichtig in den Busen, damit sie warm bleibe; wenig weißt du, welche Hindernisse, welche verborgenen Gründe sich ihrem Wirken widersetzen. Wurdest du, mein lieber Doktor, mit den geheimen Artikeln des feierlichen Vertrages bekannt gemacht, kraft dessen du hier zur Stelle bist? Ahnest du wohl, daß eine Tochter Lucinens, geburtshelferischerweise, dir eben jetzt auf die Nase gesetzt wurde? Ach! es ist nur zu wahr! – Ueberdies, du großer Sohn des Pilumnus, was vermöchtest du zu vollbringen? Du bist ohne Waffen dahergekommen, dein tire-tête – deine neuerfundene Zange – deinen Haken – deine Klystierspritze, alle deine Heil- und Entbindungsinstrumente hast du zu Hause gelassen. Bei Gott! sie hängen in diesem selben Augenblicke in einem grünen Boysacke zwischen deinen Pistolen am Kopfende deines Bettes. Klingle – rufe! – schicke Obadiah auf dem Kutschenpferde danach, damit er sie so schnell als möglich bringe.
– Mach schnell, recht schnell, Obadiah, sagte mein Vater, ich gebe dir auch eine Krone. – Und ich auch eine, sagte mein Onkel Toby.
Siebenunddreißigstes Kapitel.
Bei Ihrer plötzlichen und unerwarteten Ankunft, sagte mein Onkel Toby zu Dr. Slop, als die drei jetzt wieder am Kamin saßen und mein Onkel an zu sprechen fing, – bei Ihrer plötzlichen und unerwarteten Ankunft mußte ich sogleich an den großen Stevenius denken, der, wie Sie wissen, einer meiner Lieblingsautoren ist.
Dann, setzte mein Vater hinzu, indem er eine Anwendung des argumentum ad crumenam machte – dann wette ich zwanzig Guineen gegen eine Krone (die Obadiah, wenn er zurück ist, gleich bekommen kann), daß dieser Stevenius irgend ein Ingenieur war, oder daß er etwas, direkt oder indirekt, über Befestigungskunst geschrieben hat.
Das hat er, erwiederte mein Onkel Toby. – Nun, ich wußte es, sagte mein Vater, obgleich ich, so wahr ich lebe, nicht einzusehen vermag, was für einen Zusammenhang es zwischen Dr. Slops Ankunft und einer Abhandlung über Befestigungskunst geben kann; aber ich befürchtete es. Man mag sprechen, wovon man will, Bruder, die Gelegenheit mag für Deinen Lieblingsgegenstand noch so ungeeignet und unpassend sein, Du ziehst ihn bei den Haaren herbei. Wahrlich, Bruder Toby, fuhr mein Vater fort, ich möchte meinen Kopf nicht so voll von Courtinen und Hornwerken haben. –
Das glaub' ich, unterbrach ihn Dr. Slop und lachte ganz unmäßig über seinen eigenen Witz.
Herr, sagte mein Onkel Toby und wandte sich zu Dr. Slop, die Courtinen, von denen mein Bruder Shandy spricht, haben nichts mit dem Bett zu thun, obgleich Du Cange, wie ich wohl weiß, sagt: »daß die Bettgardinen aller Wahrscheinlichkeit nach von jenen ihren Namen hätten«; noch haben die »Hornwerke«, von denen er sprach, irgend etwas mit dem Hornwerk der Hahnreischaft gemein, sondern Courtine, Herr, ist ein Wort, welches wir in der Befestigungskunst für jenen Theil des Walles oder der Brüstung gebrauchen, welcher zwischen zwei Bastionen liegt und dieselben mit einander verbindet. Selten werden die Belagernden ihren Angriff geradezu gegen die Courtine richten, da sie zu gut in der Flanke vertheidigt ist. – Das ist mit meinen Gardinen auch der Fall, sagte Dr. Slop lachend. – Um sie jedoch, fuhr mein Onkel Toby fort, noch mehr zu sichern, stellen wir gemeiniglich Ravelins davor, wobei wir nur darauf zu sehen haben, daß sie über den fossé oder Graben herausreichen. Die meisten Leute, die von der Befestigungskunst wenig verstehen, verwechseln gewöhnlich Ravelin und Halbmond miteinander, obgleich beides sehr verschiedene Dinge sind, nicht sowohl in Gestalt und Bauart, denn wir machen beide in allen Punkten ganz gleich: sie haben nämlich immer zwei Frontseiten, die einen hervorspringenden Winkel bilden, und dessen Kehlen nicht gerade, sondern halbmondförmig sind. – Worin besteht denn also der Unterschied? fragte mein Vater etwas ärgerlich. – In ihrer Lage, Bruder, erwiederte mein Onkel Toby; denn wenn ein Ravelin vor einer Courtine steht, so ist es ein Ravelin; steht er aber vor einer Bastion, so ist der Ravelin kein Ravelin, sondern ein Halbmond; ebenso ist ein Halbmond nur so lange ein Halbmond, als er vor einer Bastion steht: würde er seinen Ort wechseln und sich vor eine Courtine stellen, so könnte er nicht länger ein Halbmond bleiben, in diesem Falle wäre der Halbmond kein Halbmond, sondern nur ein Ravelin. – Ich meine, sagte mein Vater, diese edle Kunst der Vertheidigung hat ihre schwachen Seite, wie jede andere.
Was, fuhr mein Onkel Toby fort, aber das Hornwerk anbetrifft, (o weh! seufzte mein Vater,) von dem mein Bruder sprach, so ist dasselbe ein sehr wichtiger Theil eines Außenwerkes, der von den französischen Ingenieuren ouvrage à corne genannt wird, und wir errichten es gewöhnlich zur Deckung solcher Stellen, die wir für besonders schwach halten. Es wird aus zwei Schulterwehren oder Halbbastionen gebildet und sieht recht hübsch aus; wenn Sie einen kleinen Gang nicht scheuen, so mache ich mich verbindlich, Ihnen eins zu zeigen, das sich anzusehen lohnt. – Es ist nicht zu leugnen, fuhr mein Onkel Toby fort, daß gekrönte Hornwerke stärker sind, aber dann sind sie auch sehr ausgedehnt und nehmen viel Platz ein, und werden deshalb, meiner Ansicht nach, am besten angewandt, um die Front eines Lagers zu decken oder zu vertheidigen, was sonst durch die double tenaille geschieht. – Bei der Mutter, die uns gebar, rief mein Vater, unfähig länger an sich zu halten, Du könntest einen Heiligen wild machen, Bruder Toby; da bist Du nun, ehe man sich's versehen, nicht allein wieder mitten in das alte Thema hineingerathen, sondern Dein Kopf ist so voll von den verfluchten Befestigungswerken, daß weiter nichts fehlte, als Du entführtest mir auch noch, in diesem Augenblicke, wo meine Frau in den Wehen liegt und ihr Wimmern bis hieher dringt, den Geburtshelfer. – Accoucheur, wenn's beliebt, schob Dr. Slop ein. – Herzlich gern, erwiederte mein Vater, nennen Sie sich meinetwegen, wie Sie wollen; aber ich wünsche die ganze Befestigungskunst und ihre sämmtlichen Erfinder zum Teufel: sie hat den Tod Tausender verschuldet und wird auch der Nagel zu meinem Sarge sein.
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