Slop stieß – und wahrhaftig der Beweis für dieses Zusammentreffen war schmutzig genug und hätte um ein Haar breit recht tragisch werden können.
Denkt Euch nämlich – doch es wird besser sein, wenn ich ein neues Kapitel anfange.
Vierunddreißigstes Kapitel.
Denkt Euch also die kleine, untersetzte, unansehnliche Gestalt des Dr. Slop, kaum 41/2 Fuß hoch, mit breitem Rücken und einem anderthalb Fuß hervorstehenden Bauch, der einem Sergeanten des Leibkürassier-Regimentes Ehre gemacht hätte.
So waren die Umrisse von Dr. Slops Gestalt, die man, wie Ihr wissen müßt, wenn Ihr nämlich Hogarths Analyse der Schönheit gelesen habt, – und habt Ihr sie nicht gelesen, so thut's! – ebenso gut mit drei als dreihundert Strichen karrikiren und dem Geiste darstellen kann.
Stellt Euch also eine solche Gestalt vor, die dem Dr. Slop angehört, der jetzt langsam, Schritt vor Schritt, durch den tiefsten Koth auf den vertebris eines ganz kleinen Pony dahergeritten kam, eines ganz kleinen Pony von leidlicher Farbe, aber von einer Stärke, – du lieber Gott! – die unter einer solchen Last auch zum kleinsten Trab nicht hingereicht hätte, wären selbst die Straßen in einem trabbareren Zustande gewesen. Sie waren es aber nicht. Denkt Euch nun Obadiah auf einem wahren Unthier von Kutschenpferd, in vollem Galopp so schnell als möglich in entgegengesetzter Richtung reitend.
Schenken Sie, Sir, diesem Bilde einen Augenblick Ihre werthgeschätzte Aufmerksamkeit! Hätte Dr. Slop unsern Obadiah aus meilenweiter Entfernung in einem engen Wege so durch Dick und Dünn patschend und spritzend auf sich losstürmen sehen, würde da, frage ich, ein derartiges Phänomen mit einem solchen Wirbel von Koth und Wasser rund um seine Axe nicht ein Gegenstand viel gerechterer Befürchtung für ihn gewesen sein, als der schlimmste Whistonsche Komet? Gar nicht zu reden vom Kern, d.h. von Obadiah und seinem Pferde. Meiner Ansicht nach hätte der Wirbel allein hingereicht, wenn auch nicht den Doktor selbst, doch seinen Pony ganz einzuhüllen und mit sich fortzureißen. Stellen Sie sich nun den haarsträubenden Schreck und die Wasserscheu des Dr. Slop vor, wenn ich Ihnen sage (was ich hiemit thue), daß derselbe, nichts Böses ahnend, auf Shandy-Hall zuritt und sich dem Hause auf fünfzig, der plötzlichen Wendung des Weges um die Gartenecke aber auf fünf Ellen genähert hatte, als Obadiah auf seinem Kutschenpferde in wüthendem Galopp um die Ecke bog, – bautz – grade auf ihn los! – In der ganzen Schöpfung, glaube ich, kann man sich nichts denken, was unfähiger und weniger unvorbereitet gewesen wäre, einen solchen Stoß aufzufangen, als Dr. Slop.
Was konnte er thun? er bekreuzte sich † – Pah! – Aber der Doktor, Sir, war Katholik. – Schadet nichts, er hätte sich lieber am Sattelknopf festhalten sollen. – Gewiß, und wie der Ausgang zeigte, hätte er lieber gar nichts thun sollen; denn bei dem Bekreuzen ließ er seine Reitpeitsche fallen, und als er versuchte, sie zwischen Sattel und Knie aufzufangen, verlor er den Steigbügel und dadurch das feste Gesäß – und zu all diesen Verlusten (die, nebenbei gesagt, beweisen, wie wenig das Kreuzschlagen taugt) verlor der arme Doktor noch seine Geistesgegenwart. So, ohne Obadiahs Anprall abzuwarten, überließ er den Pony seinem Schicksale, indem er ihn in der Diagonale verließ, in der Art etwa, wie ein Ballen Wolle zur Erde fällt, glücklicherweise ohne alle weitere Folgen, als die, daß er mit seiner Breitseite zwölf Zoll tief in dem Koth zu liegen kam.
Obadiah nahm vor dem Dr. Slop zweimal die Mütze ab, einmal als derselbe fiel, das zweite Mal als er ihn festsitzen sah. – Unzeitige Höflichkeit! Hätte der Bursche nicht lieber vom Pferde steigen und dem Doktor helfen können? – Sir, er that Alles, was die Umstände ihm erlaubten, denn der Schuß, in welchem das Kutschenpferd sich befand, war so heftig, daß ihm jenes vor der Hand unmöglich war; er ritt erst dreimal im Kreise um Dr. Slop herum, bevor es ihm gelang, sein Pferd zum Stehen zu bringen, und das war dann mit einer solchen Kothexplosion verbunden, daß Obadiah lieber eine Meile weg hätte sein sollen. Kurz, nimmer wurde ein Dr. Slop so besudelt und transsubstantiirt, seit Transsubstantiationen überhaupt Mode geworden sind.
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Als Dr. Slop in das Hinterzimmer trat, wo mein Vater und mein Onkel Toby über das Wesen der Frauen diskutirten, war es schwer zu sagen, was mehr ihr Erstaunen errege, sein Aussehen oder sein Erscheinen überhaupt; denn da der Unfall sich so nahe bei dem Hause ereignet hatte, so führte Obadiah, dem es unnütz erschien, den Doktor wieder auf das Pferd zu setzen, diesen unabgewischt, ungebürstet und ungesäubert, mit allen Schmutz- und Kothflecken, so wie er war, in die Stube herein.
Bewegungslos und sprachlos, wie Hamlets Geist, stand er anderthalb Minuten lang in der ganzen Majestät des Straßenkothes auf der Thürschwelle (während Obadiah ihn immer noch bei der Hand hielt); sein Hintertheil war ganz beschmiert, und an jedem andern Theile seines Körpers war er durch Obadiahs Anhalten des Pferdes so bespritzt, daß man ohne reservatio mentalis hätte schwören können, jeder Tropfen Koth müsse getroffen haben.
Eine herrliche Gelegenheit für meinen Onkel Toby, seinerseits über meinen Vater zu triumphiren; denn kein Mensch, der Dr. Slop in dieser Brühe gesehen hätte, würde meines Onkels Meinung haben bestreiten mögen: daß seine Schwägerin einen solchen Dr. Slop wahrscheinlich nicht wolle so nahe kommen lassen. – Aber das wäre ein argumentum ad hominem gewesen, und da mein Onkel Toby darin nicht erfahren war, so wird man vielleicht meinen, er habe es deshalb nicht angewandt. – Nein, – der wahre Grund war, – es lag nicht in seiner Natur, Jemand zu beleidigen.
Dr. Slops Erscheinen zu dieser Zeit war nicht weniger räthselhaft als die Art und Weise, in welcher es geschah, obgleich mein Vater es sich, durch ein wenig Nachdenken, wohl hätte erklären können; denn er hatte, vor einer Woche etwa, Dr. Slop angezeigt, daß meine Mutter sich in allernächster Zeit erwarte, und da der Doktor seitdem nichts weiter gehört hatte, so war es natürlich und aufmerksam von ihm, daß er, wie geschehen, nach Shandy-Hall geritten kam, um zu sehen, wie die Sachen stünden.
Aber meines Vaters Geist schlug bei der Untersuchung eine falsche Richtung ein; gerade wie der Hyperkritikus blieb er bei dem Läuten der Glocke und dem Klopfen an die Thür hängen, – verglich den Unterschied der Zeit und faßte diesen Punkt so ausschließlich ins Auge, daß er nicht im Stande war, an etwas Anderes zu denken, – eine sehr allgemeine Schwäche großer Mathematiker, die mit solcher Gewalt und Gründlichkeit ihre Sätze demonstriren, daß sie dabei ihre ganze Kraft erschöpfen und ihnen keine mehr nachbleibt, dieselben auch nützlich anzuwenden.
Das Läuten der Glocke und das Klopfen an die Thür hatte mit gleicher Gewalt auch das Sensorium meines Onkels Toby getroffen, aber es regte einen ganz andern Gedankengang an; die beiden unvereinbaren Lufterschütterungen wurden die Veranlassung, daß mein Onkel Toby an Stevenius, den großen Ingenieur, denken mußte. Was nun eigentlich Stevenius mit dieser Sache zu thun hatte, ist das größte Räthsel von allen. Es soll gelöst werden, aber nicht im nächsten Kapitel.
Sechsunddreißigstes Kapitel.
Schreiben, – vorausgesetzt, daß man es mit Geschick thut (wie ich z.B.), – ist nur eine andere Benennung für »sich unterhalten«. – Wie Jemand, der weiß, was sich in guter Gesellschaft schickt, es nicht wagen wird, alles zu sprechen, so wird es einem Autor, der die wahren Gränzen des Anstandes und der guten Erziehung kennt, auch nicht einfallen, alles zu denken; er wird seine Achtung vor dem Verstande seines Lesers nicht besser beweisen können, als wenn er in dieser Hinsicht freundschaftlich mit ihm theilt und ihm, so gut wie sich selbst, auch etwas zu denken übrig läßt.
Was mich anbetrifft, so übe ich diese Höflichkeit unaufhörlich, und thue alles, was in meiner Macht steht, um die Einbildungskraft des Lesers nicht weniger in Thätigkeit zu erhalten, als meine eigene.
Hier ist eine solche Gelegenheit; ich gab von Dr.
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