Schneiden in blitzgelben Pfiffen.
Die schwarzgesträubten Bäume fliegen vorüber. Hinter ihnen elektrisch bleiche Narben in die Flut gerissen.
Graue Wolken, goldne Helle, schwarz Wasser rasen vorbei.
Die blassen lautlosen Gestalten kauern, klammern im Geäst, fortgeschleudert rastlos. Die langen lichten Fühler tasten.
Die roten Augen horchen in die schwarze Endlosigkeit: nur Flut, nur Himmel.
Die roten Augen zischen. Rote Feuerfährten schleifen durch die meergoldne Nacht. Und zerschmelzen.
Dornröschen
Sangdichtung
Der Dichter Einzelstimme
Des Dichters Gedanken unsichtbare Stimmen
Dunkelheit unsichtbarer Chor
Stille unsichtbarer Chor
Rosenschein unsichtbarer Chor
Dornröschens Gedanken unsichtbare Stimmen
Dornröschen Einzelstimme.
Abenddämmerung.
Auf grauer schroffer Felskante der Dichter, sitzt auf der Felsspitze und träumt. Fels und Gestalt dunkelgrau gegen den klaren teerosenhellen Abendhimmel. Der Dichter in der knappen geschmeidigen Trikottracht eines »fahrenden Sängers.« Zu seinen Füßen brennt kupferfeurig der Horizont über dunkeln Wäldern im Tal. Tiefer rings um die Felsklippe schwarzblaue Waldspitzen. Graue Abendnebel wogen über den Wipfeln, um den Felsen.
Des Dichters Gedanken
Nebel durchfließen stummblau die Täler,
Schattenwellen umschwellen die Wälder,
Felsen glimmen in goldenen Stimmen.
Rot von den Wolken in heißen Chorälen
Glühen die Harfen der Ätherräume,
Purpurn erblühen die Träume.
Der Dichter
Es schleicht durch meine Einsamkeit
Ein Sehnen abendmild.
Ich will ein Leben schaffen,
Ein warmes Menschenbild.
Es soll in Gärten wohnen,
Wo nie der Sommer reift,
In Hallen soll es thronen,
Die nie ein Laut gestreift.
Ich will ins Blut ihm senken
Mein eigen warmes Herz.
Will ihm mein Lachen schenken,
Mein Schweigen, meinen Schmerz.
Du Lichtkind meiner Träume
Wirst mir Vergessen geben,
In meinen Sehnsuchtdornen
Wirst du als Rose leben.
Dornröschen, Sehnsuchtrose,
Du sollst zur Sonne klagen,
Du sollst durch Schloß und Garten
In unbewußtem Erwarten
Mein Sehnen mit dir tragen.
Vor meiner Harfe Klänge
Sollst du nach Ruhe ringen,
Bis dich die Schattensänge
In das Vergessen zwingen.
Du trägst mein Herz in die Schatten,
Du wirst in Schlummer gesungen,
Dann ist auch meine Sehnsucht
Von heilendem Schweigen bezwungen.
Sei mir im Traume geschaffen,
Bringe mein Sehnen zur Ruh,
Und dann meine Sehnsuchtrose
Schlummre auch du ...
Das Abendrot ist langsam im Verbleichen. Die Abendnebel steigen. Felsen und Sänger versinken in Dunkelheit.
Die Dunkelheit vertieft sich bis zur schwarzen Finsternis und singt dumpf und hohl.
Dunkelheit
Schwül im Moder wuchern
Die schwarzen Rosen
Und kosen kühl
Den Atem der Stille.
Gelb bleichen die Feuer.
Rote Sonnen entweichen.
Kalt quellen im Dunkel
Die schwarzen Wellen
Der Todesruh.
Grauer und grauer klärt sich das Dunkel.
Im Dämmerlicht steht ein altes graues Turmzimmer, verstaubt, mit Spinnweben behangen. Über Wände, Dielen, Gebälk klettern schwarze Rosen, schwarzer Efeu, schwarzpurpurnes Weinlaub. Fahle Gobelins, erloschener Prunk, verdüstert und schwerfällig.
Die Stille
Grau blühen Pilze aus kühlen Wänden,
Schwammadern glühen, durchwühlen den Stein,
Tagschein und Moderschatten hadern,
Im schwülen Staub um Holz und Schrein.
Der Lichtbrokat blinkt matt entfacht,
Die Silberranke sinkt und schwindet,
Rot schleicht der Rost im kühlen Eisen,
Gold bleicht im leisen Tod und blindet.
Dunkelheit
(singt wühlend aus den Schattenwinkeln des Gemaches)
Schwarze Flammen fliegen aus Rosen.
Schwarze Flammen in schwarzen Ringen.
Schwarze Flammen schwingen die Klingen,
Schwarze Flammen aus schwarzen Rosen.
Im Erkerfenster, durch die kleinen zerbrochenen grauen Butzenscheiben, fällt rauschend ein rosiger Lichtschein von den Gärten draußen herein, der Rosenschein singt lebhaft und klingend immer heller und näher.
Rosenschein
In gleißem Kerne die Sonnenglut.
In Blauflut die Berge zur Ferne.
Die Mittagflammen blank und grell,
Jagen und schlagen schmetternd hell
In weißen Bränden.
Schwerblau klingt vom Himmel der Ätherstrahl.
Grün sprüht kristallen das Wiesental,
Goldlicht gießt schmeichelnden Honigtrank
Über Violen und Nelken.
Tauperlen splittern in Irisflut,
Funkeln auf purpurner Veilchenglut
Im Dunkeln zitternder Erlen.
In schwarzen Moosen glüht weiß ein Quell,
Rot heiß blüht der Mittag auf Rosen.
Fern aus dem Garten singen Dornröschens Gedanken. Der Gesang langsam, hell und nur leise befangen, nähert sich mehr und mehr wehmütig dem Turmgemach.
Dornröschens Gedanken
Zum Schlosse flog der Blütenwind,
Lockt über die goldene Schwelle
Aus der Kemnate das Königskind
Hinaus in die Rosenhelle.
Der Rosenschein
(singt leiser draußen aus den Gärten)
Lautlos über den spiegelnden Plan
Ziehen die Schwäne silberne Bahn.
Goldregen in schimmerndem Schweigen
Rinnt von den zitternden Zweigen,
Nachtigall fleht im Syringenbaum,
Auf lauen Schwingen ein Schattentraum
Weht über die blauenden Matten.
Dornröschens Gedanken
Zwei Augen fragen im Sonnenreiche,
Gebet Antwort, wer ist die bleiche
Welle, die fern in Brandung rauscht,
Mein Herz hat nächtens den Klagen gelauscht.
Rosenschein
(wird bleicher und singt gedämpfter)
Stumm über dunkeln Buchensaum
Treibt der blendende Wolkenschaum.
Blanke Blätter sonnentrunken
Heben und senken zückende Funken.
Dornröschens Gedanken
Sonne spielt mit dem Königskind,
Will sich in Schweigen verstecken.
Schatten huschen im Ulmengang,
Schwarz rauschen die Efeuhecken.
Eine Harfe spielt aus einem düstern Winkel des Turmgemachs eine alte Volksweise.
Dornröschens Gedanken
(näher am Turm)
Das Königskind horcht,
Eine Harfe singt
Tief aus dämmernden Lauben,
Der Sang klingt purpurn,
Schmilzt Sonnenrot
Blut aus brennenden Trauben.
Unsichtbar singt der Dichter zur Harfenmelodie, die sich wiederholt.
Der Dichter
Blank im Wappenschoße den Sonnenstern
Jagt der Prinz in Scharlach und Silbertracht
Zum Purpurschlosse der Mitternacht.
Auf dunklem Thron eine weiße Maid,
Harrt schweigend in Krone und Perlgeschmeid
Auf den goldenen Herrn der Sonne.
Grün sinken die Sterne am Bergesrand.
Nächte um Nächte weichen.
Stumm wartet die Maid. In müder Hand
Beginnt die Lilie zu bleichen.
Dornröschens Gedanken
(wehmütig, singen näher am Turmgemach)
Die Lilie harrt auf den Honigtrank,
Leer steht der Kelch ohne Strahl.
Das Königskind durstet sonnenkrank,
Blutet in Qual.
Die Dunkelheit beginnt dumpf zu singen, und ihre schweren schleppenden Klänge schleichen dumpfer und dumpfer.
Dunkelheit
Schwarz im Efeu,
Schwarz geöffnet,
Im Duft der sternentoten Nacht,
Wacht die schwarze Rose.
Die Rose glüht schwellend weltengroß,
Erden sinken in ihren Schoß,
Trinken »Vergessen.«
Dornröschens Gedanken
(singen draußen, dicht vor der Turmtüre)
Vergessen!
Die weiße Maid weinte und rief
Laut durch die Kammern und Hallen,
Vergessen!
Braun lohten die Kerzen, braun und tief,
Frühschatten begannen zu fallen,
Aber die Augen umklammern
Steinern das Bild,
Rot in Flammen gezückt und wild
Tief in die Nächte gegraben.
Dunkelheit
(murmelt)
Die schwarze Rose glüht weltengroß.
Erden sinken in ihren Schoß,
Trinken »Vergessen.«
Eine niedere alte Eisentür hat sich von selbst geöffnet. Leiser Rosenschein blüht schwach herein. Auf der Schwelle steht Dornröschen.
Dornröschen in schwerer steifer Brokattracht. Graurosig, mattsilbern eingewebte Ranken, mit schwülem, modergrünem Samt. Das Haar in silberner Filigrankappe. Auf dem Scheitel eine kleine Silberkrone. Aber Seide und Schmuck matt und trübe.
Sie kommt herein mit steifem langsamen Gang. Alle Bewegung langsam, wenig und lautlos.
Nach dem Eintritt in das Turmgemach ist die Stimme ihrer Gedanken tiefer, grauer und wird müder.
Dornröschens Gedanken
So kalt ist es hier.
Hier wohnt der Tod.
Ein Murmeln wallt
Tief durch Grüfte.
Von welkem Lachen,
Von bleichem Rot,
Lallen die eisigen Lüfte.
Dornröschen schreitet langsam, fast teilnahmlos, in die Mitte des Gemaches, und starrt in beklemmenden Träumen, halb horchend, halb betäubt von ihren wehen Sehnsuchtgedanken, in die graue Stille.
Die Stille
(singt einförmig)
Grau über Mauer und Bogen
Wogen die Netze der Spinnen.
Aus dem Holze rinnen
Spähne zermalmt.
Stumpf qualmt der Staub.
Dumpf pocht der Wurm.
Dornröschen hat sich in der Mitte des Gemaches auf die Stufen der Erkertreppe gekauert und starrt auf die verblaßten Gobelins.
Die Stille
(singt vom ersten Gobelinbilde)
Trübe Wolken rollen durch sieches Blau.
Grausilbern entblättern die Weiden.
Auf fahlem Portale schläft der Pfau,
Kahl rauschen die seidenen Gärten.
Dornröschen sieht nach der anderen Seite.
Die Stille
(singt vom zweiten Gobelinbilde)
Die gelb und roten Blumen fortgeflogen.
Grünstaubig weht das leere Gras.
Kaltgraue Winde kommen schwer
Den bleichen Fluß entlang gezogen.
Und schleppen graues Silber durch die Wogen.
Dornröschen lauscht reglos. Der Gesang umher spinnt sie mehr und mehr in Betäubung. Sie vergißt ihre Gedanken. Die Stimme ihrer Gedanken singt flüsternder.
Dornröschens Gedanken
Grauherbst geht hier in Trauer
Über Gesimse und Mauer.
Aus Schattenrauch
In fahlen Strahlen
Weht Winterhauch.
Dunkelheit
(murmelt schwellend)
Schwarze Falter sinken und steigen.
Schwarze Kelche strömen Schweigen.
Schwarze Erde raucht in Glut.
Voll schwillt das Blut
Der schwarzen Rose.
Dornröschen bleibt reglos in horchender Haltung.
Dornröschens Gedanken
Weich klingt das Dunkel.
Weich flüsterte das Laub.
Weich düstert die Asche.
Weich singt der Staub.
Dornröschen lehnt müde den Kopf zurück an das dunkle Eichengetäfel in schwarze Rosenranken. Die Schatten schwellen düsterer aus den Winkeln an den Wänden hoch.
Dunkelheit
(rauscht stärker und stärker)
Lilien – Lilien!
Graumüde wehen und wanken die Schäfte.
Graumüde glimmen die Kronenopalen.
Zum Schlummer schließen die bleichen Schalen.
Es schattet dunkler. Der Rosenschein an Fenster und Türe schwindet. Dornröschen schließt die Augen. Ihre Gedanken singen leiser und leiser im Einschlafen.
Dornröschens Gedanken
In schwarze Schwanendaunen
Schmiegt sich das Königskind.
Nur tiefe Quellen raunen,
Die Seen löschen blind.
Die Lilie sinkt von den Locken,
Die Perlen welken grau.
Schwarz gleiten Winterflocken
Auf die nächtige Au.
Die Stille
Kalt vom Gewölbe wankt die Nacht.
Rot in der Ampel schwankt das Licht.
Fahl zuckt die Flamme,
Loht und bricht.
Das Ampellicht ist erloschen. Undurchdringliches Dunkel, hohle Nacht.
Dunkelheit
(singt in dumpf wogenden Lauten aus der leeren Nacht)
Aus schwarzen Kelchen strömen schwarze Meere,
Füllen mit schwellenden Wellen die Leere.
Tragen auf dunkle Berge das Schweigen,
Senken in lautlose Grüfte die Klagen.
Aus der Nacht blühen weiße Sterne.
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