Wie die Theologie entweder zum blinden Glauben zurück-, oder zur freien Philosophie vorwärtsgehen muß, so muß die Handelsfreiheit auf der einen Seite die Restauration der Monopole, auf der andern die Aufhebung des Privateigentums produzieren.

Der einzig positive Fortschritt, den die liberale Ökonomie gemacht hat, ist die Entwicklung der Gesetze des Privateigentums. Diese sind allerdings in ihr enthalten, wenn auch noch nicht bis zur letzten Konsequenz entwickelt und klar ausgesprochen. Hieraus folgt, daß in allen Punkten, wo es auf die Entscheidung über die kürzeste Manier, reich zu werden, ankommt, also in allen strikt ökonomischen Kontroversen, die Verteidiger der Handelsfreiheit das Recht auf ihrer Seite haben. Wohlverstanden – in Kontroversen mit den Monopolisten, nicht mit den Gegnern des Privateigentums, denn daß diese imstande sind, in ökonomischen Fragen auch ökonomisch richtiger zu entscheiden, haben die englischen Sozialisten längst praktisch und theoretisch bewiesen.

Wir werden also bei der Kritik der Nationalökonomie die Grundkategorien untersuchen, den durch das System der Handelsfreiheit hineingebrachten Widerspruch enthüllen und die Konsequenzen der beiden Seiten des Widerspruchs ziehen.

 

Der Ausdruck Nationalreichtum ist erst durch Verallgemeinerungssucht der liberalen Ökonomen aufgekommen. Solange das Privateigentum besteht, hat dieser Ausdruck keinen Sinn. Der »Nationalreichtum« der Engländer[502] ist sehr groß, und doch sind sie das ärmste Volk unter der Sonne. Man lasse entweder den Ausdruck ganz fallen, oder man nehme Voraussetzungen an, die ihm einen Sinn geben. Ebenso die Ausdrücke Nationalökonomie, politische, öffentliche Ökonomie. Die Wissenschaft sollte unter den jetzigen Verhältnissen Privatökonomie heißen, denn ihre öffentlichen Beziehungen sind nur um des Privateigentums willen da.

 

Die nächste Folge des Privateigentums ist der Handel, der Austausch der gegenseitigen Bedürfnisse, Kauf und Verkauf. Dieser Handel muß unter der Herrschaft des Privateigentums, wie jede Tätigkeit, eine unmittelbare Erwerbsquelle für den Handeltreibenden werden; d.h. jeder muß suchen, so teuer wie möglich zu verkaufen und so billig wie möglich zu kaufen. Bei jedem Kauf und Verkauf stehen sich also zwei Menschen mit absolut entgegengesetzten Interessen gegenüber; der Konflikt ist entschieden feindselig, denn jeder kennt die Intentionen des andern, weiß, daß sie den seinigen entgegengesetzt sind. Die erste Folge ist also auf der einen Seite gegenseitiges Mißtrauen, auf der andern die Rechtfertigung dieses Mißtrauens, die Anwendung unsittlicher Mittel zur Durchsetzung eines unsittlichen Zwecks. So ist z.B. der erste Grundsatz im Handel die Verschwiegenheit, Verheimlichung alles dessen, was den Wert des fraglichen Artikels herabsetzen könnte. Die Konsequenz daraus: Es ist im Handel erlaubt, von der Unkenntnis, von dem Vertrauen der Gegenpartei den möglichst großen Nutzen zu ziehen, und ebenso, seiner Ware Eigenschaften anzurühmen, die sie nicht besitzt. Mit einem Worte, der Handel ist der legale Betrug. Daß die Praxis mit dieser Theorie übereinstimmt, kann mir jeder Kaufmann, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, bezeugen.

Das Merkantilsystem hatte noch eine gewisse unbefangene, katholische Geradheit und verdeckte das unsittliche Wesen des Handels nicht im mindesten. Wir haben gesehen, wie es seine gemeine Habsucht offen zur Schau trug. Die gegenseitig feindselige Stellung der Nationen im achtzehnten Jahrhundert, der ekelhafte Neid und die Handelseifersucht waren die konsequenten Folgen des Handels überhaupt. Die öffentliche Meinung war noch nicht humanisiert, was sollte man also Dinge verstecken, die aus dem unmenschlichen feindseligen Wesen des Handels selbst folgten.

Als aber der ökonomische Luther, Adam Smith, die bisherige Ökonomie kritisierte, hatten sich die Sachen sehr geändert. Das Jahrhundert war humanisiert, die Vernunft hatte sich geltend gemacht, die Sittlichkeit fing an, ihr ewiges Recht in Anspruch zu nehmen. Die erpreßten Handelstraktate, die[503] kommerziellen Kriege, die schroffe Isolierung der Nationen stießen zu sehr gegen das fortgeschrittene Bewußtsein an. An die Stelle der katholischen Geradheit trat protestantische Gleisnerei. Smith bewies, daß auch die Humanität im Wesen des Handels begründet sei; daß der Handel, anstatt »die fruchtbarste Quelle der Zwietracht und der Feindseligkeit« zu sein, ein »Band der Einigung und Freundschaft zwischen den Nationen wie zwischen Individuen« (vgl. »Wealth of Nations« B. 4, c. 3, § 2) werden müsse; es liege ja in der Natur der Sache, daß der Handel im ganzen und großen allen Beteiligten vorteilhaft sei.

Smith hatte recht, wenn er den Handel als human pries. Es gibt nichts absolut Unsittliches in der Welt; auch der Handel hat eine Seite, wo er der Sittlichkeit und Menschlichkeit huldigt. Aber welch eine Huldigung! Das Faustrecht, der platte Straßenraub des Mittelalters wurde humanisiert, als er in den Handel, der Handel, als seine erste Stufe, welche sich durch das Verbot der Geldausfuhr charakterisiert, in das Merkantilsystem überging.