Jetzt wurde dieses selbst humanisiert. Natürlich ist es im Interesse des Handelnden, mit dem einen, von welchem er wohlfeil kauft, wie mit dem andern, an welchen er teuer verkauft, sich in gutem Vernehmen zu halten. Es ist also sehr unklug von einer Nation gehandelt, wenn sie bei ihren Versorgern und Kunden eine feindselige Stimmung nährt. Je freundschaftlicher, desto vorteilhafter. Dies ist die Humanität des Handels, und diese gleisnerische Art, die Sittlichkeit zu unsittlichen Zwecken zu mißbrauchen, ist der Stolz des Systems der Handelsfreiheit. Haben wir nicht die Barbarei der Monopole gestürzt, rufen die Heuchler aus, haben wir nicht die Zivilisation in entfernte Weltteile getragen, haben wir nicht die Völker verbrüdert und die Kriege vermindert? – Ja, das alles habt ihr getan, aber wie habt ihr es getan! Ihr habt die kleinen Monopole vernichtet, um das eine große Grundmonopol, das Eigentum, desto freier und schrankenloser wirken zu lassen; ihr habt die Enden der Erde zivilisiert, um neues Terrain für die Entfaltung eurer niedrigen Habsucht zu gewinnen; ihr habt die Völker verbrüdert, aber zu einer Brüderschaft von Dieben, und die Kriege vermindert, um im Frieden desto mehr zu verdienen, um die Feindschaft der einzelnen, den ehrlosen Krieg der Konkurrenz, auf die höchste Spitze zu treiben! – Wo habt ihr etwas aus reiner Humanität, aus dem Bewußtsein der Nichtigkeit des Gegensatzes zwischen dem allgemeinen und individuellen Interesse getan? Wo seid ihr sittlich gewesen, ohne interessiert zu sein, ohne unsittliche, egoistische Motive im Hintergrunde zu hegen?

Nachdem die liberale Ökonomie ihr Bestes getan hatte, um durch die Auflösung der Nationalitäten die Feindschaft zu verallgemeinern, die[504] Menschheit in eine Horde reißender Tiere – und was sind Konkurrenten anders? – zu verwandeln, die einander ebendeshalb auffressen, weil jeder mit allen andern gleiches Interesse hat, nach dieser Vorarbeit blieb ihr nur noch ein Schritt zum Ziele übrig, die Auflösung der Familie. Um diese durchzusetzen, kam ihr ihre eigene schöne Erfindung, das Fabriksystem, zu Hülfe. Die letzte Spur gemeinsamer Interessen, die Gütergemeinschaft der Familie, ist durch das Fabriksystem untergraben und – wenigstens hier in England – bereits in der Auflösung begriffen. Es ist etwas ganz Alltägliches, daß Kinder, sobald sie arbeitsfähig, d.h. neun Jahre alt werden, ihren Lohn für sich verwenden, das elterliche Haus als ein bloßes Kosthaus ansehen und den Eltern ein Gewisses für Kost und Wohnung vergüten. Wie kann es anders sein? Was kann anders aus der Isolierung der Interessen, wie sie dem System der Handelsfreiheit zugrunde liegt, folgen? Ist ein Prinzip einmal in Bewegung gesetzt, so arbeitet es sich von selbst durch alle seine Konsequenzen durch, die Ökonomen mögen Gefallen daran haben oder nicht.

Aber der Ökonom weiß selbst nicht, welcher Sache er dient. Er weiß nicht, daß er mit all seinem egoistischen Räsonnement doch nur ein Glied in der Kette des allgemeinen Fortschrittes der Menschheit bildet. Er weiß nicht, daß er mit seiner Auflösung aller Sonderinteressen nur den Weg bahnt für den großen Umschwung, dem das Jahrhundert entgegengeht, der Versöhnung der Menschheit mit der Natur und mit sich selbst.

 

Die nächste durch den Handel bedingte Kategorie ist der Wert. Über diese, sowie über alle andern Kategorien, existiert kein Streit zwischen den älteren und neueren Ökonomen, weil die Monopolisten in ihrer unmittelbaren Wut der Bereicherung keine Zeit übrig hatten, um sich mit Kategorien zu beschäftigen. Alle Streitfragen über derartige Punkte gingen von den Neueren aus.

Der Ökonom, der von Gegensätzen lebt, hat natürlich auch einen doppelten Wert; den abstrakten oder realen Wert und den Tauschwert. Über das Wesen des Realwertes war ein langer Streit zwischen den Engländern, die die Produktionskosten als den Ausdruck des Realwertes bestimmten, und dem Franzosen Say, der diesen Wert nach der Brauchbarkeit einer Sache zu messen vorgab. Der Streit hat seit dem Anfange dieses Jahrhunderts geschwebt und ist eingeschlafen, nicht entschieden. Die Ökonomen können nichts entscheiden.

Die Engländer – MacCulloch und Ricardo besonders – behaupten also, der abstrakte Wert einer Sache werde durch die Produktionskosten[505] bestimmt. Wohlverstanden, der abstrakte Wert, nicht der Tauschwert, der exchangeable value, der Wert im Handel – das sei etwas ganz andres. Weshalb sind die Produktionskosten das Maß des Wertes? Weil – hört, hört! – weil niemand eine Sache, unter gewöhnlichen Umständen und das Verhältnis der Konkurrenz aus dem Spiele gelassen, für weniger verkaufen würde als ihm ihre Produktion kostet – verkaufen würde? Was haben wir hier, wo es sich nicht um den Handelswert handelt, mit »Verkaufen« zu tun? Da haben wir ja gleich wieder den Handel im Spiel, den wir ja gerade herauslassen sollen – und was für einen Handel! einen Handel, wobei die Hauptsache, das Konkurrenzverhältnis, nicht in Anschlag kommen soll! Erst einen abstrakten Wert, jetzt auch einen abstrakten Handel, einen Handel ohne Konkurrenz, d.h. einen Menschen ohne Körper, einen Gedanken ohne Gehirn, um Gedanken zu produzieren. Und bedenkt der Ökonom denn gar nicht, daß, sowie die Konkurrenz aus dem Spiele gelassen wird, gar keine Garantie da ist, daß der Produzent seine Ware gerade zu den Produktionskosten verkauft? Welche Verwirrung!

Weiter! Geben wir für einen Augenblick zu, daß dem allem so sei, wie der Ökonom sagt. Angenommen, es machte jemand mit ungeheurer Mühe und enormen Kosten etwas ganz Unnützes, etwas, wonach kein Mensch begehrt, ist das auch die Produktionskosten wert? Ganz und gar nicht, sagt der Ökonom, wer wird das kaufen wollen? Da haben wir also auf einmal nicht nur die verschrieene Saysche Brauchbarkeit, sondern – mit dem »Kaufen« – das Konkurrenzverhältnis daneben. Es ist nicht möglich, der Ökonom kann seine Abstraktion nicht einen Augenblick festhalten. Nicht nur das, was er mit Mühe entfernen will, die Konkurrenz, sondern auch das, was er angreift, die Brauchbarkeit, kommt ihm jeden Augenblick zwischen die Finger. Der abstrakte Wert und seine Bestimmung durch die Produktionskosten sind eben nur Abstraktionen, Undinge.

Aber geben wir noch einmal für einen Augenblick dem Ökonomen recht – wie will er uns dann die Produktionskosten bestimmen, ohne die Konkurrenz in Anschlag zu bringen? Wir werden bei der Untersuchung der Produktionskosten sehen, daß auch diese Kategorie auf die Konkurrenz basiert ist, und auch hier wieder zeigt es sich, wie wenig der Ökonom seine Behauptungen durchführen kann.

Gehen wir zu Say über, so finden wir dieselbe Abstraktion. Die Brauchbarkeit einer Sache ist etwas rein Subjektives, gar nicht absolut zu Entscheidendes – wenigstens solange man sich noch in Gegensätzen herumtreibt, gewiß nicht zu entscheiden. Nach dieser Theorie müßten notwendige Bedürfnisse mehr Wert besitzen als Luxusartikel. Der einzig mögliche Weg, zu[506] einer einigermaßen objektiven, scheinbar allgemeinen Entscheidung über die größere oder geringere Brauchbarkeit einer Sache zu kommen, ist unter der Herrschaft des Privateigentums das Konkurrenzverhältnis, und das soll ja gerade beiseite gelassen werden. Ist aber das Konkurrenzverhältnis zugelassen, so kommen auch die Produktionskosten herein; denn niemand wird für weniger verkaufen, als er selbst bei der Produktion angelegt hat. Auch hier also geht die eine Seite des Gegensatzes wider Willen in die andere über.

Versuchen wir, Klarheit in diese Verwirrung zu bringen.