Aber der Pohlsche steckt ja drin.«
Es war der Kunickesche Trupp, der so plauderte, ganz wie bei Dachsgraben
und Hühnerjagd, während der den andern Trupp führende
Hradscheck mit einem Male rief: »Ah, da ist ja seine Mütze!«
Wirklich, Szulskis Pelzmütze hing an dem kurzen Geäst
einer Kropfweide.
»Nun, haben wir die«, fuhr Hradscheck fort, »so
werden wir ihn auch selber bald haben.«
»Wenn wir nur ein Boot hätten. Aber es kann hier nicht
tief sein, und wir müssen immer peilen und Grund suchen.«
Und so geschah's auch. Aber alles Messen und Peilen half nichts,
und es blieb bei der Mütze, die der eine der beiden Müllerknechte
mittlerweile mit einem Haken herangeholt hatte. Zugleich wurde
der Wind immer schneidender und kälter, so daß Kunicke,
der noch von Möckern und Montmirail her einen Rheumatismus
hatte, keine Lust mehr zur Fortsetzung verspürte. Schulze
Woytasch auch nicht.
»Ich werde Gensdarm Geelhaar nach Kienitz und Güstebiese
schicken«, sagte dieser. »Irgendwo muß er doch
antreiben. Und dann wollen wir ihm ein ordentliches Begräbnis
machen. Nicht wahr, Hradscheck? Die Hälfte kann die Gemeinde
geben.«
»Und die andre Hälfte geben wir«, setzte Kunicke
hinzu. »Denn wir sind doch eigentlich ein bißchen schuld.
Oder eigentlich ganz gehörig. Er war gestern abend verdammt
fißlig und man bloß noch soso. War er denn wohl katholsch?«
»Natürlich war er«, sagte Woytasch. »Wenn
einer Szulski heißt und aus Krakau kommt, ist er katholsch.
Aber das schadt nichts. Ich hin für Aufklärung. Der
Alte Fritze war auch für Aufklärung. Jeder nach seiner
Façon...«
»Versteht sich«, sagte Kunicke. »Versteht sich.
Und dann am Ende, wir wissen auch nicht, das heißt, ich
meine, so ganz bestimmt wissen wir nicht, ob er ein Katholscher
war oder nich. Un was man nich weiß, macht einen nich heiß.
Nicht wahr, Quaas?«
»Nein, nein. Was man nicht weiß, macht einen nicht
heiß. Und Quaasen auch nicht.«
Alle lachten, und selbst Hradscheck, der bis dahin eine würdige
Zurückhaltung gezeigt hatte, stimmte mit ein.
Neuntes Kapitel
Der Tote fand sich nicht, der Wagen aber, den man mühevoll
aus dem Wasser heraufgeholt hatte, wurde nach dem Dorf geschafft
und in Kunickes große Scheune gestellt. Da stand er nun
schon zwei Wochen, um entweder abgeholt oder auf Antrag der Krakauer
Firma versteigert zu werden.
Im Dorfe gab es inzwischen viel Gerede, das aller Orten darauf
hinauslief: »Es sei was passiert und es stimme nicht mit
den Hradschecks. Hradscheck sei freilich ein feiner Vogel und
Spaßmacher und könne Witzchen und Geschichten erzählen,
aber er hab es hinter den Ohren, und was die Frau Hradscheck angehe,
die vor Vornehmheit nicht sprechen könne, so wisse jeder,
stille Wasser seien tief. Kurzum, es sei beiden nicht recht zu
traun und der Pohlsche werde wohl ganz woanders liegen als in
der Oder.« Zum Überfluß griff auch noch unser
Freund, der Kantorssohn, der sich jedes Skandals mit Vorliebe
bemächtigte, in die Saiten seiner Leier, und allabendlich,
wenn die Knechte, mit denen er auf du und du stand, vom Kruge
her durchs Dorf zogen, sangen sie nach bekannter Melodie:
»Morgenrot!
Abel schlug den Kain tot.
Gestern noch bei vollen Flaschen,
Morgens ausgeleerte Taschen
Und ein kühles, kühles Gra-ab.«
All dies kam zuletzt auch dem Küstriner Gericht zu Ohren,
und wiewohl es nicht viel besser als Klatsch war, dem alles Beweiskräftige
fehlte, so sah sich der Vorsitzende des Gerichts, Justizrat Vowinkel,
doch veranlaßt, an seinen Duz- und Logenbruder Eccelius
einige Fragen zu richten und dabei Erkundigungen über das
Vorleben der Hradschecks einzuziehen.
Das war am 7. Dezember, und noch am selben Tage schrieb Eccelius
zurück:
»Lieber Bruder. Es ist mir sehr willkommen, in dieser Sache das Wort nehmen und Zeugnis zu
Gunsten der beiden Hradschecks ablegen zu können. Man verleumdet sie, weil man sie beneidet,
besonders die Frau. Du kennst unsere Brücher; sie sind hochfahrend und steigern ihren
Dünkel bis zum Haß gegen alles, was sich ihnen gleich oder wohl gar überlegen glaubt.
Aber ad rem. Er, Hradscheck, ist kleiner Leute Kind aus Neu-Lewin und, wie sein Name bezeugt, von
böhmischer Extraktion. Du weißt, daß Neu-Lewin in den achtziger Jahren mit
böhmischen Kolonisten besetzt wurde. Doch dies beiläufig. Unsres Hradscheck Vater war
Zimmermann, der, nach Art solcher Leute, den Sohn für dasselbe Handwerk bestimmte.
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