Und unser
Hradscheck soll denn auch wirklich als Zimmermann gewandert und in Berlin beschäftigt gewesen
sein. Aber es mißfiel ihm, und so fing er, als er vor etwa fünfzehn Jahren nach Neu-Lewin
zurückkehrte, mit einem Kramgeschäft an, das ihm auch glückte, bis er, um eines ihm
unbequem werdenden >Verhältnisses
Die Wirkung dieses Ecceliusschen Briefes war, daß das Küstriner
Gericht die Sache vorläufig fallenließ; als demselben
aber zur Kenntnis kam, »daß Nachtwächter Mewissen,
nach neuerdings vor Schulze Woytasch gemachten Aussagen, an jenem
Tage, wo das Unglück sich ereignete, so zwischen fünf
und sechs (um die Zeit also, wo das Wetter am tollsten gewesen)
die Frau Hradscheck zwischen den Pappeln an der Mühle gesehn
haben wollte, ganz so, wie wenn sie halb verbiestert vom Damm
her käme« - da waren die Verdachtsgründe gegen
Hradscheck und seine Frau doch wieder so gewachsen, daß
das Gericht einzuschreiten beschloß. Aber freilich auch
jetzt noch unter Vermeidung jedes Eklats, weshalb Vowinkel an
Eccelius, dem er ohnehin noch einen Dankesbrief schuldete, die
folgenden Zeilen richtete:
»Habe Dank, lieber Bruder, für Deinen ausführlichen
Brief vom 7. d. M., dem ich, soweit er ein Urteil abgibt, in meinem
Herzen zustimme. Hradscheck ist ein durchaus netter Kerl, weit
über seinen Stand hinaus, und Du wirst Dich entsinnen, daß
er letzten Winter sogar in Vorschlag war, und zwar auf meinen
speziellen Antrag. Das alles steht fest. Aber zu meinem Bedauern
will die Geschichte mit dem Polen nicht aus der Welt, ja, die
Verdachtsgründe haben sich gemehrt, seit neuerdings auch
euer Mewissen gesprochen hat. Andrerseits freilich ist immer noch
zu wenig Substanz da, um ohne weiteres eine Verhaftung eintreten
zu lassen, weshalb ich vorhabe, die Hradscheckschen Dienstleute,
die doch schließlich alles am besten wissen müssen,
zu vernehmen und von Ihrer Aussage mein weiteres Tun oder Nichttun
abhängig zu machen. Unter allen Umständen aber wollen
wir alles, was Aufsehn machen könnte, nach Möglichkeit
vermeiden. Ich treffe morgen gegen 2 in Tschechin ein, fahre gleich
bei Dir vor und bitte Dich, Sorge zu tragen, daß ich den
Knecht Jakob samt den beiden andern Personen, deren Namen ich
vergessen, in Deinem Hause vorfinde.«
So des Justizrats Brief. Er selbst hielt zu festgesetzter Zeit
vor dem Pfarrhaus und trat in den Flur, auf dem die drei vorgeforderten
Dienstleute schon standen. Vowinkel grüßte sie, sprach,
in der Absicht, ihnen Mut zu machen, ein paar freundliche Worte
zu jedem und ging dann, nachdem er sich aus seinem Mantel herausgewickelt,
auf Eccelius' Studierstube zu, darin nicht nur der große
schwarze Kachelofen, sondern auch der wohlarrangierte Kaffeetisch
jeden Eintretenden überaus anheimelnd berühren mußte.
Dies war denn auch bei Vowinkel der Fall. Er wies lachend darauf
hin und sagte: »Vortrefflich, Freund. Höchst einladend.
Aber ich denke, wir lassen das bis nachher. Erst das Geschäftliche.
Das beste wird sein, du stellst die Fragen und ich begnüge
mich mit der Beisitzer-Rolle. Sie werden dir unbefangener antworten
als mir.« Dabei nahm er in einem neben dem Ofen stehenden
hohen Lehnstuhle Platz, während Eccelius, auf den Flur hinaus,
nach Ede rief und sich's nun erst, nach Erledigung aller Präliminarien,
an seinem mächtigen Schreibtische bequem machte, dessen großes,
zwischen einem Sand- und einem Tintenfaß stehendes Alabasterkreuz
ihn von hinten her überragte.
Der Gerufene war inzwischen eingetreten und blieb an der Tür
stehn. Er hatte sichtlich sein Bestes getan, um einen manierlichen
Menschen aus sich zu machen, aber nur mit schwachem Erfolg. Sein
braunrotes Haar lag großenteils blank an den Schläfen,
während ihm das wenige, was ihm sonst noch verblieben war,
nach Art einer Spitzflamme zu Häupten stand. Am schlimmsten
aber waren seine winterlichen Hände, die, wie eine Welt für
sich, aus dem überall zu kurz gewordenen Einsegnungsrock
hervorsahen.
»Ede«, sagte der Pastor freundlich, »du sollst
über Hradscheck und den Polen aussagen, was du weißt.«
Der Junge schwieg und zitterte.
»Warum sagst du nichts? warum zitterst du?«
»Ick jrul mi so.«
»Vor wem? Vor uns?«
Ede schüttelte mit dem Kopf
»Nun, vor wem denn?«
»Vor Hradschecken...«
Eccelius, der alles zu Gunsten der Hradschecks gewendet zu sehen
wünschte, war mit dieser Aussage wenig zufrieden, nahm sich
aber zusammen und sagte: »Vor Hradscheck. Warum vor Hradscheck?
Was ist mit ihm? Behandelt er dich schlecht?«
»Nei.«
»Nu wie denn?«
»Ick weet nich... He is so anners.«
»Nu gut. Anders. Aber das ist nicht genug, Ede. Du mußt
uns mehr sagen. Worin ist er anders? Was tut er? Trinkt er? Oder
flucht er? Oder ist er in Angst?«
»Nei.«
»Nu wie denn? Was denn?«
»Ick weet nich... He is so anners.«
Es war ersichtlich, daß aus dem eingeschüchterten Jungen
nichts weiter herauszubringen sein würde, weshalb Vowinkel
dem Freunde zublinkte, die Sache fallenzulassen. Dieser brach
denn auch wirklich ab und sagte: »Nun, es ist gut, Ede. Geh.
Und schicke die Male herein.«
Diese kam und war in ihrem Kopf- und Brusttuch, das sie heute
wie sonntäglich angelegt hatte, kaum wiederzuerkennen. Sie
sah klar aus den Augen, war unbefangen und erklärte, nachdem
Eccelius seine Frage gestellt hatte, daß sie nichts wisse.
Sie habe Szulski gar nicht gesehn, »un ihrst um Klocker vier
oder noch en beten danoah« wäre Hradscheck an ihre Kammertür
gekommen und hätte gesagt, daß sie rasch aufstehn und
Kaffee kochen solle.
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