»Sieh, er kommt grad
auf unser Haus zu.«
Und wirklich, unter diesem Gespräch, wie's die Jeschke mit
ihrer Nichte geführt hatte, war Geelhaar von der Dorfstraße
her in einen schmalen, bloß mannsbreiten Gang eingetreten,
der, an der Hradscheckschen Kegelbahn entlang, in den Garten der
alten Jeschke führte.
Von hier aus war auch der Eingang in das Häuschen der Alten,
das mit seinem Giebel nach der Straße stand.
»Guten Tag, Mutter Jeschke«, sagte der Gensdarm. »Ah,
und guten Tag, Lineken. Oder ich muß jetzt wohl sagen Mamsell
Linchen.«
Line, die den stattlichen Geelhaar (er hatte bei den Gardekürassieren
gedient), aller despektierlichen Andeutungen der Alten ungeachtet,
keineswegs aus ihrer Liste gestrichen hatte, stemmte sofort den
linken Fuß gegen einen ihr gegenüberstehenden Binsenstuhl
und sah ihn zwinkernd über das große Stück Leinwand
hin an, das sie, wie wenn sie's abmessen wollte, mit einem energischen
Ruck und Puff vor sich ausspannte.
Die Wirkung dieser kleinen Künste blieb auch nicht aus. So
wenigstens schien es Linen. Die Jeschke dagegen wußt es
besser, und als Geelhaar auf ihre mit Vorbedacht in Hochdeutsch
gesprochene Frage, »was ihr denn eigentlich die Ehre verschaffe«,
mit einem scherzhaft gemeinten Fingerzeig auf Line geantwortet
hatte, lachte sie nur und sagte:
»Nei, nei, Herr Gensdarm. Ick weet schon, ick weet schon...
Awers nu setten S' sich ihrst... Joa, diss' Hradscheck... he kümmt
joa nu wedder rut.«
»Ja, Mutter Jeschke«, wiederholte Geelhaar, »he
kümmt nu wedder rut. Das heißt, er kommt wieder raus,
wenn er nich drin bleibt.«
»Woll, woll. Wenn he nicht drin bliewt. Awers worümm
sall he drin bliewen? Keen een hett joa wat siehn, un keen een
hett joa wat utfunn'n. Un Se ook nich, Geelhaar.«
»Nein«, sagte der Gensdarm. »Ich auch nich. Aber
es wird sich schon was finden oder doch finden lassen, und dazu
müssen Sie helfen, Mutter Jeschke. Ja, ja. Soviel weiß
ich, die Hradscheck hat schon lange keinen Schlaf mehr und ist
immer treppauf und treppab. Und wenn die Leute sagen, es sei bloß,
weil sie sich um den Mann gräme, so sag ich: Unsinn, er
is nich so und sie is nich so.«
»Nei, nei«, wiederholte die Jeschke. »He is nich
so un se is nich so. De Hradschecks, nei, de sinn nich so.«
»Keinen ordentlichen Schlaf also«, fuhr Geelhaar fort,
»nich bei Tag und auch nich bei Nacht, und wankt immer so
rum und is mal im Hof und mal im Garten. Das hab ich von der Male...
Hören Sie, Mutter Jeschke, wenn ich so mal nachtens hier
auf Posten stehen könnte! Das wäre so was. Line bleibt
mit auf, und wir setzen uns dann ans Fenster und wachen und kucken.
Nich wahr, Line?«
Line, die schon vorher das Weißzeug beiseite gelegt und
ihren blonden Zopf halb aufgeflochten hatte, schlug jetzt mit
dem losen Büschel über ihre linke Hand und sagte: »Will
es mir noch überlegen, Herr Geelhaar. Ein armes Mädchen
hat nichts als seinen Ruf.«
Und dabei lachte sie.
»Kümmen S' man, Geelhaar«, tröstete die Jeschke,
trotzdem Trost eigentlich nicht nötig war. »Kümmen
S' man. Ick geih to Bett. Wat doa to siehn is, ick meen hier buten,
dat hebb ick siehn, dat weet ick all. Un is ümmer dat Sülwigte.«
»Dat Sülwigte?«
»Joa. Nu nich mihr. Awers as noch keen Snee wihr. Doa...«
»Da. Was denn?«
»Doa wihr se nachtens ümmer so rümm hier.«
»So, so«, sagte der Gensdarm und tat vorsichtig allerlei
weitere Fragen.
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