Mach
flink!«
Und sieh, gleich darnach erschien auch der Gerufene, hochrot und
aufgeregt, aber, allem Anscheine nach, mehr in heiterer als verdrießlicher
Erregung. Er entschuldigte sich kurz, daß er habe warten
lassen, und nahm dann ohne weiteres eine Kugel, um zu schieben.
»Aber du bist ja gar nicht dran!« schrie Kunicke. »Himmelwetter,
was ist denn los? Und wie der Kerl aussieht! Entweder ist ihm
eine Schwiegermutter gestorben, oder er hat das Große Los
gewonnen.«
Hradscheck lachte.
»Nun, so rede doch. Oder sollst du nach Berlin kommen und
ein paar neue Rapspressen einrichten? Hast ja neulich unserm Quaas
erst vorgerechnet, daß er nichts von der Öl-Presse
verstünde.«
»Hab ich, und ist auch so. Nichts für ungut, ihr Herren,
aber der Bauer klebt immer am alten.«
»Und die Gastwirte sind immer fürs Neue. Bloß
daß nicht viel dabei herauskommt.«
»Wer weiß?«
»Wer weiß? Höre, Hradscheck, ich fange wirklich
an zu glauben... Oder is es 'ne Erbschaft?«
»Is so was. Aber nicht der Rede wert.«
»Und von woher denn?«
»Von meiner Frau Schwester.«
»Bist doch ein Glückskind. Ewig sind ihm die gebratnen
Tauben ins Maul geflogen. Und aus dem Hildesheimschen, sagst du?«
»Ja, da so rum.«
»Na, da wird Reetzke drüben froh sein. Er war schon
ungeduldig.«
»Weiß; er wollte klagen. Die Neu-Lewiner sind immer
ängstlich und Pfennigfuchser und können nicht warten.
Aber er wird's nu wohl lernen und sich anders besinnen. Mehr sag
ich nicht und paßt sich auch nicht. Man soll den Mund nicht
voll nehmen. Und was ist am Ende solch bißchen Geld?«
»Geld ist nie ein bißchen. Wieviel Nullen hat's denn?«
»Ach, Kinder, redet doch nicht von Nullen. Das beste ist,
daß es nicht viel Wirtschaft macht und daß meine Frau
nicht erst nach Hildesheim braucht. Solche weite Reise, da geht
ja gleich die Hälfte drauf. Oder vielleicht auch das Ganze.«
»War es denn schon in dem Brief?«
»I, bewahre. Bloß die Anzeige von meinem Schwager,
und daß das Geld in Berlin gehoben werden kann. Ich schicke
morgen meine Frau. Sie versauert hier ohnehin.«
»Versteht sich«, sagte Mietzel, der sich immer ärgerte,
wenn von dem »Versauern« der Frau Hradscheck die Rede
war. »Versteht sich, laß sie nur reisen; Berlin, das
ist so was für die Frau Baronin. Und vielleicht bringt sie
dir gleich wieder ein Atlassofa mit. Oder 'nen Trumeau. So heißt
es ja wohl? Bei so was Feinem muß unserein immer erst fragen.
Der Bauer ist ja zu dumm.«
Frau Hradscheck reiste wirklich ab, um die geerbte Summe von Berlin
zu holen, was schon im voraus das Gerede der ebenso neidischen
wie reichen Bauernfrauen weckte, vor allen der Frau Quaas, die
sich, ihrer gekrausten blonden Haare halber, ganz einfach für
eine Schönheit hielt und aus dem Umstande, daß sie
zwanzig Jahre jünger war als ihr Mann, ihr Recht zu fast
ebenso vielen Liebschaften herleitete. Was gut aussah, war ihr
ein Dorn im Auge, zumeist aber die Hradscheck, die nicht nur stattlicher
und klüger war als sie selbst, sondern zum Überfluß
auch noch in Verdacht stand (wenn auch freilich mit Unrecht),
den ältesten Kantorssohn - einen wegen Demagogie relegierten
Tunichtgut, der nun bei dem Vater auf der Bärenhaut lag -
zu Spottversen auf die Tschechiner und ganz besonders auf die
gute Frau Quaas angestiftet zu haben. Es war eine lange Reimerei,
drin jeder was wegkriegte. Der erste Vers aber lautete:
Woytasch hat den Schulzenstock,
Kunicke 'nen langen Rock,
Mietzel ist ein Hobelspan,
Quaas hat keinem was getan,
Nicht mal seiner eignen Frau,
Kätzchen weiß es ganz genau.
Miau, miau.
Dergleichen konnte nicht verziehen werden, am wenigsten solcher
Bettelperson wie dieser hergelaufenen Frau Hradscheck, die nun
mal für die Schuldige galt. Das stand bei Kätzchen fest.
»Ich wette«, sagte sie zur Mietzel, als diese denselben Abend noch, an dem die Hradscheck
abgereist war, auf der Ölmühle vorsprach, »ich wette, daß sie mit einem Samthut
und einer Straußenfeder wiederkommt.
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