Sie kann sich nie genugtun, diese zierige Person, trotz
ihrer vierzig. Und alles bloß, weil sie
>Sweinswitzen
»Ja, ja!« stimmte die Mietzel ein, schien aber geneigt,
die größere Schuld auf Hradscheck zu schieben, der
sich einbilde, wunder was Feines geheiratet zu haben. Und sei
doch bloß 'ne Katholsche gewesen und vielleicht auch 'ne
Springerin; wenigstens habe sie so was munkeln hören. »Und
überhaupt, der gute Hradscheck«, fuhr sie fort, »er
soll doch nur still sein. In Neu-Lewin reden sie nicht viel Gutes
von ihm. Die Rese hat er sitzenlassen. Und mit eins war sie weg,
und keiner weiß wie und warum. Und war auch von Ausgraben
die Rede, bis unser alter Woytasch rüberfuhr und alles wieder
still machte. Natürlich, er will keinen Lärm haben und
is 'ne Suse. Zu Hause darf er ohnehin nicht reden. Oder ob er
der Hradschecken nach den Augen sieht? Sie hat so was. Und ich
sage bloß, wenn wir alles hergelaufene Volk ins Dorf kriegen,
so haben wir nächstens auch die Zigeuner hier, und Frau Woytasch
kann sich dann nach 'nem Schwiegersohn umsehn. Zeit wird es mit
der Rike; dreißig is sie ja schon.«
So ging gleich am ersten Tage das Geklatsch. Als aber eine halbe
Woche später die Hradscheck geradeso wiederkam, wie sie gegangen
war, das heißt ohne Samthut und Straußenfeder, und
noch ebenso grüßte, ja womöglich noch artiger
als vorher, da trat ein Umschlag ein, und man fing an, sie gelten
zu lassen und sich einzureden, daß die Erbschaft sie verändert
habe.
»Man sieht doch gleich«, sagte die Quaas, »daß
sie jetzt was haben. Sonst sollte das immer was sein, und sie
logen einen grausam an, und war eigentlich nicht zum Aushalten.
Aber gestern war sie anders und sagte ganz klein und bescheiden,
daß es nur wenig sei.«
»Wieviel mag es denn wohl sein?« unterbrach hier die
Mietzel. »Ich denke mir so tausend Taler.«
»O mehr, viel mehr. Wenn es nicht mehr wäre, wäre sie nicht so; da zierte sie
sich ruhig weiter. Nein, liebe Mietzel, da hat man denn doch so seine Zeichen, und denken Sie sich,
als ich sie gestern frug, >ob es ihr nicht ängstlich gewesen
wäre, so ganz allein mit dem vielen GeldNein, es wär ihr nicht ängstlich gewesen, denn sie habe nur
wenig mitgebracht, eigentlich nicht der Rede wert. Das meiste habe sie bei dem Kaufmann in Berlin
gleich stehenlassen.
Unterredungen wie diese wurden ein paar Wochen lang in jedem Tschechiner
Hause geführt, ohne daß man mit Hilfe derselben im
geringsten weitergekommen wäre, weshalb man sich schließlich
hinter den Postboten steckte. Dieser aber war entweder schweigsam
oder wußte nichts, und erst Mitte November erfuhr man von
ihm, daß er neuerdings einen rekommandierten Brief bei den
Hradschecks abgegeben habe.
»Von woher denn?«
»Aus Krakau.«
Man überlegte sich's, ob das in irgendeiner Beziehung zur
Erbschaft stehen könne, fand aber nichts.
Und war auch nichts zu finden. Denn der eingeschriebene Brief
lautete:
»Krakau, den 9. November 1831
Herrn Abel Hradscheck in Tschechin. Oderbruch.
Ew. Wohlgeboren bringen wir hiermit zu ganz ergebenster Kenntnis,
daß unser Reisender, Herr Szulski, wie alljährlich
so auch in diesem Jahre wieder, in der letzten Novemberwoche bei
Ihnen eintreffen und Ihre weitern geneigten Aufträge in Empfang
nehmen wird. Zugleich aber gewärtigen wir, daß Sie,
hochgeehrter Herr, bei dieser Gelegenheit Veranlassung nehmen
wollen, unsre seit drei Jahren anstehende Forderung zu begleichen.
Wir rechnen um so bestimmter darauf, als es uns, durch die politischen
Verhältnisse des Landes und den Rückschlag derselben
auf unser Geschäft, unmöglich gemacht wird, einen ferneren
Kredit zu bewilligen. Genehmigen Sie die Versicherung unserer
Ergebenheit.
Olszewski-Goldschmidt & Sohn«
Hradscheck, als er diesen Brief empfangen hatte, hatte nicht gesäumt,
auch seine Frau mit dem Inhalte desselben bekannt zu machen. Diese
blieb anscheinend ruhig, nur um ihre Lippen flog ein nervöses
Zittern.
»Wo willst du's hernehmen, Abel? Und doch muß es geschafft
werden. Und ihm eingehändigt werden... Und zwar vor Zeugen.
Willst du's borgen?«
Er schwieg.
»Bei Kunicke?«
»Nein. Geht nicht.
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