Sternau blitzte ihn mit seinen leuchtenden Augen an und drohte:
„Hand von der Waffe! Oder wünschen Sie einen ähnlichen Hieb, wie gestern?“
Der Rittmeister nahm doch die Hand weg, aber sagte:
„Sie werden mir unbegreiflich! Ich werde meine Leute rufen!“
„Und ich die meinigen!“
Er trat an den Tisch und ergriff eine darauf stehende Schokoladetasse. Er warf sie durch dasjenige Fenster des Zimmers, welches nach dem hinteren Hofe ging. Er hatte mit seinen Indianern ausgemacht, sobald er das Fenster zerbreche, sollten sie nach dem vorderen Hof gehen und alle Dragoner gefangennehmen. Daß sie dieser Verabredung Folge leisteten, bewies ein wirres Geschrei, welches sich jetzt unten erhob.
„Kommen und sehen Sie!“ gebot Sternau.
Der Rittmeister sprang zum Fenster und kam gerade recht, daß der letzte seiner Leute niedergerissen und gefesselt wurde.
„Die Apachen hier!“ rief er erschrocken.
„Natürlich“, antwortete Sternau. „Und zwar wiederum Ihnen zuliebe. Wir wollen Sie nicht nach Chihuahua gehen lassen, wo Ihrer eine fürchterliche Nase wartet für den Streich, den Sie heute spielten. Sie sind mein Gefangener und bleiben mit Ihren Leuten bei uns!“
„Was soll ich bei den Apachen?“ fragte der Rittmeister entsetzt.
„Es geschieht Ihnen nicht das Mindeste. Sie sind eine Geisel, sind mein Gefangener, es wird Sie niemand anrühren.“
„Eine Geisel? Wozu?“
„Das werden Sie später erfahren. Packen Sie Ihr Notwendigstes zusammen, Sie hören, meine Apachen sind bereits vor der Tür.“
Da endlich sah der Offizier ein, daß es Ernst war.
„Señor, Sie sind ein Verräter!“ rief er. „Sie als Weißer überantworten mich den Rothäuten!“
„Ob ich ein Verräter bin, müssen meine Freunde wissen. Ich habe Ihnen gestern gesagt, daß die Apachen nicht mit Ihnen kämpfen wollen, ich habe Sie um einen dreitägigen Waffenstillstand gebeten, Sie wollten nicht. Sie haben den Kampf herbeigezwungen und mögen nun auch die Folgen tragen.“
Er öffnete die Tür und ließ einige Apachen herein, welche den Rittmeister ohne Umstände banden und fortführten.
Jetzt nun begab er sich in den Raum, wo man die Frauen eingeschlossen hatte. Als er unter die Tür trat, erhoben sie ein großes Geschrei.
„Still!“ gebot er.
Aber solchen Weibern ist schwer schweigen zu gebieten. Die alte Haushälterin warf sich vor ihm nieder, hob die Hände auf und flehte:
„Señor, habt Erbarmen! Wir haben Euch doch nichts getan! Oder ist mein Cousin Euer Feind gewesen?“
Bei diesen Worten kam Sternau ein Gedanke!
„Verdoja war Euer Cousin?“ fragte er.
„Ja, Señor. Ich bin die Dame dieses Hauses.“
„Hatte er Vertrauen zu Euch?“
„Hätte er mich sonst zur Dame des Hauses gemacht, Señor?“
„Ich meine es anders. Hat er Euch zuweilen Dinge mitgeteilt, die er anderen nicht sagen würde?“
„Einiges.“
„Wißt Ihr, wo er sich befindet?“
„Nein.“
„Hat Verdoja die Nacht hier in der Hacienda geschlafen?“
„Ja.“
„Kennt Ihr die Pyramide, welche hier in der Nähe liegt?“
„Ich kenne sie.“
„Wißt Ihr nicht, ob sie hohl ist?“
„Sie ist hohl, denn Señor Verdoja war sehr oft darin.“
„Ah“, fragte Sternau erfreut, „wie ist er hineingekommen?“
„Das weiß ich nicht, das war ein Geheimnis schon zu Zeiten seines Vaters, aber droben im Schreibtisch, da liegt eine Zeichnung, auf welcher es steht, wie es in dem Inneren der Pyramide aussieht.“
„Führen Sie mich zu dem Schreibtisch.“
Die Alte führte ihn nach dem Wohnzimmer Verdojas. Dort stand ein sehr alter Schreibtisch, welchen mit dem Messer zu öffnen Sternau Mühe hatte. Endlich sprang der Kasten auf, und nun fand Sternau wirklich einen Plan, der sich auf das Innere der Pyramide beziehen mußte.
„Aber was wird Señor Verdoja sagen, wenn er sieht, daß der Tisch aufgesprengt worden ist!“ sagte die Alte ängstlich.
„Habt keine Sorge“, antwortete Sternau. „Er wird nichts merken, denn er kehrt gar nicht zurück, die Apachen werden ihn töten. Und übrigens werde ich die Hacienda jetzt anbrennen.“
„Anbrennen? – O heilige Madonna! Was habe ich Euch denn getan, daß Ihr mich Ärmste unglücklich machen wollt?“
„Verdoja hat es verdient.“
„Aber ich nicht! Wenn er wirklich tot ist, so bin ja ich die Erbin!“
Das machte Sternau zur Milde gestimmt. Die Alte bat und flehte, ihr Geschrei rief die anderen Frauenzimmer herbei, und als sie hörten, um was es sich handle, so fielen sie ihm zu Füßen und baten mit Tränen, daß er barmherzig sein möge. Er willigte endlich ein.
Er steckte den Plan als einen jetzt köstlichen Schatz in die Tasche und gebot dann seinen Apachen, aufzubrechen. Sie waren unterdessen nicht müßig gewesen und hatten den Pferden der Dragoner auch noch Verschiedenes aufgeladen. Die Tiere brachen fast unter ihrer Last zusammen.
Der Zug setzte sich in Bewegung. Alle Männer gingen zu Fuß, und ein jeder führte sein beladenes Pferd. Die Dragoner waren so gefesselt, daß sie zwar ihre Pferde führen, aber nicht entfliehen konnten. Von den Vaqueros ließ sich keiner sehen. Erst waren sie Zeugen des unglücklichen Kampfes gewesen, dann waren sie zu ihren Herden zurückgekehrt, und jetzt, als sie die Apachen erblickten, versteckten sie sich, so gut es gehen wollte.
Als die lange Karawane die Pyramide erreichte, war die Überraschung eine ganz bedeutende. Sternau hatte alle verschont gebliebenen Dragoner zu Gefangenen gemacht und eine Beute gebracht, welche ihnen das Lagerleben erleichterte und sie an Proviant und Munition so bereicherte, daß sie eine förmliche Belagerung hätten aushalten können. Sein Lob erklang aus aller Munde; das Beste aber, was er mitgebracht hatte, waren Hacken und Brechstangen, welche er vielleicht zu gebrauchen glaubte.
Die Vorräte wurden aufgespeichert, die Gefangenen unter gute Bewachung gestellt und dann Kundschafter ausgesendet, um etwa anrückende Feinde sofort zu melden.
Nun erst nahm Sternau sich Zeit, die Karte zu studieren.
Sie war sehr deutlich gezeichnet.
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