Er muß sie stets vor Augen haben, denn es wird nun so dunkel, daß man sich nicht auf die Fährte verlassen kann.“
Der andere eilte, ohne eine Antwort zu geben, vorwärts. Ein Kriegskundschafter hat selten ein Pferd bei sich, da ihm dasselbe oft hinderlich sein würde. So war es auch hier, und da der Apache als Fußgänger in dem weiten Raum der Prärie nur einen verschwindenden Punkt bildete und jede Art der Deckung benutzen konnte, so war es ihm leicht, selbst jetzt, da es noch hell war, sich den Apachen zu nähern, ohne von ihnen bemerkt zu werden.
Sein Kamerad blickte ihm eine Weile nach und schritt dann in westlicher Richtung davon. Die Apachen machten, um unbemerkt zu bleiben, einen Umweg; der Comanche konnte sich direkt nach den Weideplätzen der Hacienda wenden und kam dort also eher an, als sie, obgleich sie beritten waren.
Er war wohl noch nie in dieser Gegend gewesen, aber sein Instinkt und ein Rundblick über den Horizont ließen ihn erraten, wo die Hacienda liegen werde, und er hatte auch wirklich die genaue Richtung dahin eingeschlagen.
Er eilte mit den langen, elastischen Schritten vorwärts, welche man bei einem Indianer, wenn er Eile hat, beobachtet. Es wurde bald dunkel, aber er eilte weiter, als ob er jeden Fußbreit dieser Gegend kenne. Er sah schließlich verschiedene Herdenfeuer, welche die Vaqueros angezündet hatten, um sich zu erwärmen und die wilden Tiere abzuhalten; er hielt sich von ihnen fern, obgleich er als Freund kam und also niemand zu fürchten hatte. Er schlich sich unbemerkt zwischen den Herden hindurch und erreichte die Hacienda.
Dort weideten die Pferde der Dragoner, an den Vorderbeinen eng gefesselt, und vor der Umzäunung, welche jede Hacienda besitzt, lagen die Krieger um mehrere Feuer. Der Comanche duckte sich zur Erde, schlich nahe an sie heran und stand plötzlich mitten unter ihnen, wie aus der Erde emporgefahren.
Dies tut der Wilde auch dann gern, wenn er zu Freunden kommt, denn wer es versteht, sich unbemerkt anzuschleichen, der wird für einen guten Krieger gehalten. Die Dragoner erschraken beim Anblick der dunklen Gestalt, sprangen empor und griffen zu den Waffen, indem sie ihn sofort umringten.
Bei diesen Zeichen der Feindseligkeit machte er eine geringschätzige Handbewegung, blickte sich ruhig im Kreis um und fragte:
„Fürchten sich die Bleichgesichter vor einem einzelnen roten Krieger?“
Einer der Dragoner, welcher die Abzeichen des Unteroffiziers trug, antwortete:
„Pah, wir fürchten uns vor hundert Roten nicht! Wer bist du?“
„Können die Bleichgesichter die Kriegsfarben der roten Männer nicht unterscheiden?“
„Ihr seid viele hundert Stämme, und der Teufel kann sich da die Malereien alle merken; aber wie mir scheint, bist du ein Comanche?“
„Ich bin es. Wo ist der Häuptling der Weißen?“
„Du meinst den Rittmeister? Was willst du bei ihm?“
„Ich habe mit ihm zu sprechen.“
„Das läßt sich denken, aber es fragt sich, ob er mit dir zu sprechen hat.“
„Er muß froh sein, wenn der rote Krieger zu ihm kommt“, antwortete der Comanche stolz. „Ich komme als Abgesandter der verbündeten Comanchen und habe ihm eine wichtige Botschaft mitzuteilen.“
„Das ist etwas anderes. Komm, ich werde dich führen!“
Er schritt voran, der Indianer folgte ihm. Sie schritten durch das Palisadentor und begaben sich in das Innere des Gebäudes, dort mußte der Wilde warten, bis er angemeldet war. Als er eintreten durfte, sah er den Rittmeister mit seinen Offizieren rauchend und spielend am Tisch sitzen. Er blieb ruhig und wortlos an der Tür stehen. Der Rittmeister warf einen verächtlichen Blick auf ihn, spielte seine Partie erst aus, warf dann die Karte von sich und fragte unmutig:
„Was willst du, Rothaut?“
Der Indianer antwortete nicht.
„Was du willst, frage ich!“ wiederholte der Rittmeister.
„Mit wem spricht der Offizier?“ fragte jetzt der Comanche.
„Mit dir!“ rief der Rittmeister.
„Ich dachte, der weiße Häuptling rede mit einem Fuchs.“
„Mit einem Fuchs? Bist du toll!“
„Der weiße Häuptling sprach mit einer Rothaut, und der Fuchs hat eine rote Haut.“
„Ah“, lachte der Offizier, „du fühlst dich beleidigt! Nun gut, so werde ich höflicher sein. Was willst du, Comanche?“
„Ich bringe den Gruß unserer großen Häuptlinge. Der Präsident hat uns gebeten, ihm unsere Hilfe zu leihen, und die Häuptlinge haben beschlossen, es zu tun.“
„Sehr freundlich von euch! Also eure Krieger werden kommen?“
„Ja sie kommen. Bereits morgen früh wird ein ganzer Stamm sich in dem Wald befinden, welcher von hier gerade gen Osten liegt.“
„Ah, das geht rasch! Und die anderen?“
„Sie kommen nach, täglich ein berühmter Häuptling mit den Seinen.“
„Ihr scheint lauter berühmte Häuptlinge zu haben, ob sie uns aber großen Nutzen bringen, das wird sich erst zeigen. Sie werden sich zunächst unter meinen Befehl zu begeben haben. Ich werde noch heute Abend einen Boten nach Chihuahua senden, um mir Verhaltungsmaßregeln geben zu lassen.“
Der Comanche lächelte auf eine eigentümliche Weise und antwortete:
„Mein weißer Bruder spricht Worte, welche ich nicht begreife.“
„Warum nicht?“
„Er will einen Boten senden, um Befehle zu holen, also kann er kein Häuptling sein, und dennoch verlangt er, daß die berühmten Führer der Comanchen ihm gehorchen sollen. Die Comanchen werden kommen, ihre Häuptlinge werden eine Beratung halten mit den Häuptlingen der Weißen, und dann wird man tun, was beschlossen worden ist. Ein Comanche stellt sich nicht unter den Befehl eines fremden Kriegers.“
Der Rittmeister sah gar wohl ein, daß er hier nicht starke Saiten aufziehen dürfe, und antwortete daher:
„Wir streiten uns nicht. Wenn deine Häuptlinge kommen, werde ich mit ihnen sprechen. Was mich betrifft, so würde ich allerdings keinen Roten brauchen.“
Das Auge des Indianers glühte auf.
„Wenn du keinen Roten brauchtest, so wärst du morgen eine Leiche und dein Skalp hinge an dem Gürtel eines Apachen“, antwortete er.
„Alle Wetter! Was sagst du da?“ fragte der Rittmeister erschrocken.
„Was du gehört hast!“
„Du sprachst von Apachen?“
„Ja.“
„Sind sie etwa in der Nähe?“
„Ja.“
„Wo?“
„Sie sind von ihren Weideplätzen aufgebrochen, um die Weißen zu töten.“
„Das ist möglich, aber sie haben einen weiten Weg.“
„Sie haben gute Pferde!“
„Eure Comanchen werden eher hier sein als sie.“
„Die Apachen sind eher da als wir.“
„Donnerwetter! Morgen kommt ihr, da müßten sie also heute hier sein.“
„Sie sind hier.“
„Wo?“
„Sie können jetzt in diesem Augenblick bereits draußen bei euren Pferden sein.“
„Heilige Madonna, ist das möglich?“
Er sprang erschrocken auf und die anderen mit ihm. Der Comanche lächelte über den Eindruck, den seine Worte machten. Ein Indianer wäre ganz kaltblütig sitzen geblieben. Er wußte sehr genau, daß die Wilden ihre Angriffe am liebsten gegen Morgen unternehmen. Wenn er auch die Apachen gesehen hatte, so war er doch überzeugt, daß die Hacienda jetzt noch vor ihnen sicher sei. Darum sagte er in stolzem Ton:
„Die Bleichgesichter fürchten sich!“
„Nein!“ rief der Rittmeister.
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