„Aber wir wollen uns nicht unvermutet und wehrlos morden lassen. Hast du Apachen gesehen?“
„Ja.“
„Wo?“
„Sie ritten am Wald vorüber, in welchem morgen die Comanchen ankommen werden.“
„Wann?“
„Vor so viel Zeit, als die Bleichgesichter eine Stunde nennen.“
„Wie viele waren es?“
„Zehn mal zwanzig und sechs.“
„Alle Teufel, zweihundert und sechs! Doppelt so viel, als wir sind.“
„Es waren vier Bleichgesichter bei ihnen!“
„Ah! Jedenfalls Anhänger dieses Juarez. Jetzt ist sicher, daß sie es auf die Hacienda abgesehen haben. Wir müssen uns in Verteidigungszustand versetzen!“
„Es werden dennoch viele Bleichgesichter fallen.“
„Das befürchte ich nicht! Wir ziehen uns hinter die Umzäunung zurück und sind dann vor ihren Kugeln sicher.“
„Es ist bei ihnen der größte Krieger der Bleichgesichter, er hat ein Gewehr, welches hundert Feinde tötet, ehe er wieder lädt.“
„Wer wäre das?“
„Der ‚Fürst des Felsens‘.“
Dieser Name war überall bekannt und berühmt, auch die Offiziere hatten ihn bereits gehört.
„Der ‚Fürst des Felsens‘?“ fragte der Rittmeister. „Donnerwetter, das wäre die beste Gelegenheit, diesen famosen Kerl einmal zu sehen. Ist er wirklich dabei?“
„Ja, ich kenne ihn.“
„Aber was haben wir ihm getan, daß er als Feind zu uns kommt?“
„Der ‚Fürst des Felsens‘ ist der Freund der Apachen und Comanchen, er ist der Freund aller roten und weißen Männer“, sagte der Indianer. „Er ist gerecht und gut, er tötet nur den, der ihn beleidigt hat. Wenn er als Feind nach der Hacienda Verdoja kommt, so muß es hier einen Mann geben, der sein Feind ist.“
„Hm, vielleicht Verdoja selbst? Aber der ist nicht mehr da, er hat sich aus dem Staub gemacht, der ist entflohen. Wo stecken die Apachen?“
„Ich weiß es nicht, aber es war einer meiner roten Brüder bei mir, der ist ihnen nachgeschlichen. Er wird kommen und berichten, wo sie zu finden sind.“
„Das genügt. Du bleibst bei uns, bis eure Krieger kommen?“
„Ich bleibe hier während der Nacht, dann aber gehe ich meinen Brüdern entgegen, um sie nach der Hacienda zu führen.“
Somit war dieses Gespräch beendet, und der Rittmeister traf seine Vorbereitungen zum Empfang der Apachen. Die Pferde wurden auf die Weide gelassen, um den Anschein zu bewahren, daß man von der Anwesenheit der Feinde gar nichts wisse, die Dragoner aber löschten ihre Feuer aus und zogen sich hinter die Palisaden und in das Gebäude zurück. Da ein jeder einen Karabiner, einen Degen und auch Pistolen hatte, so war vorauszusehen, daß die Apachen mit fürchterlichen Verlusten zurückgeschlagen würden.
Als der Comanche die Hacienda erreichte, waren die Apachen auch bei der Pyramide angekommen. Sie hielten in der Nähe des finsteren Bauwerkes, und die Anführer betrachteten dasselbe mit nicht sehr angenehmen Gefühlen. Im Innern dieses massiven Mauerwerkes staken ja diejenigen, denen ihre Liebe gehörte.
„Könnte man das Ding da zertrümmern!“ knirschte ‚Donnerpfeil‘.
„Nur Geduld!“ antwortete Sternau. „Wir werden die unsrigen ganz sicher befreien.“
„Davon bin ich überzeugt. Aber was werden sie zu leiden haben, ehe wir sie finden!“
„Vielleicht gelingt es uns, ihre Leiden sehr bald zu beenden.“
Da sagte ‚Büffelstirn‘:
„Jeder Seufzer, den Karja, die Tochter der Mixtekas, ausgestoßen hat, bezahlt ein Feind mit dem Leben! Wo wird der Eingang sein?“
Sternau wendete sich an ihren Führer, den Mexikaner:
„An welcher Stelle habt ihr angehalten?“
„Kommen Sie.“
Er ritt eine Strecke weiter ab und blieb dann halten.
„Hier war es“, sagte er.
„Und wo verschwand Verdoja mit den Gefangenen?“
„Hier ist der Busch, neben den er in das Dickicht drang, und dort die Ecke, an welcher ich das Licht der Laterne aufleuchten sah.“
„Gut. Wenn alles sich wirklich so verhält, soll dir das Leben geschenkt sein.“
„Señor, ich rede die Wahrheit.“
„Das ist gut für dich.“
Er rief die beiden Häuptlinge und ‚Donnerpfeil‘ herbei und zeigte ihnen das Terrain.
„So darf jetzt kein Mensch das Gebüsch und den Fuß der Pyramiden betreten“, sagte ‚Büffelstirn‘. „Verdoja ist öfters hin- und hergegangen, es müssen Spuren vorhanden sein trotz der Länge der Zeit, die seitdem vergangen ist, und diese Spuren können wir erst sehen, wenn es Tag geworden ist.“
„Warum warten, bis der Tag anbricht?“ fragte ‚Bärenherz‘.
„Jawohl!“ stimmte ‚Donnerpfeil‘ bei. „Meine Braut soll keine Minute länger in diesem Kerker schmachten, als es durchaus notwendig ist.“
„Sie meinen, daß uns Verdoja selbst den Weg zeigen soll?“ fragte Sternau.
„Ja.“
„So überfallen wir die Hacienda?“
„Ja, unbedingt! Und wehe ihm, wenn er uns nicht gehorcht.“
„Gut, so wollen wir zunächst einmal forschen, wie es in der Hacienda steht.“
„Warum erst forschen“, sagte ‚Donnerpfeil‘. „Wir reiten hin, fassen den Kerl fest und schleppen ihn her. Weiter ist ja nichts anderes möglich!“
Der gute Anton Helmers, genannt ‚Donnerpfeil‘, hätte am liebsten gleich den Himmel herabgerissen, um der Geliebten baldige Erlösung zu bringen. Eben wollte Sternau antworten, als ein lauter Ruf erscholl:
„Uff! No-ki peniyil – Uff, kommt herbei!“
Das waren Worte im Apachendialekt, es war also ein Apache, der gerufen hatte. Die Stimme klang in der Nähe, und zwar von der Richtung aus, aus welcher sie gekommen waren.
„Wer war das?“ fragte Sternau.
„Der ‚Grizzlytöter‘“, antwortete der Apache.
„Ist er fort?“
„Ja, er wollte die Gegend durchsuchen, ob wir sicher sind.“
„So hat er etwas Wichtiges entdeckt. Schnell hin zu ihm!“
Er selbst sprang eilig vom Pferd und eilte nach dem Ort hin, an welchem der Ruf erklungen war. Da fand er den jungen Apachen am Boden kniend, und unter ihm lag ein Mensch, den er fest an der Erde hielt.
„Ein Comanche!“ sagte er.
Im Nu war ein Lasso zur Stelle, und der Comanche wurde gebunden. Es war der Bote, welcher sich im Wald von seinen Kameraden getrennt hatte, um den Apachen nachzuschleichen.
„Wie kommt mein Bruder ‚Grizzlytöter‘ zu diesem Hund?“ fragte ‚Bärenherz‘.
„Ich ritt am Ende des Zuges und hörte ein Schleichen hinter uns“, erklärte der junge Held. „Es folgte uns ein Mann. Darum stieg ich vom Pferd, als wir hier angekommen waren, und suchte ihn. Ich fand ihn hier, er wollte unsere Rede belauschen.
1 comment