Da warf ich mich auf ihn und hielt ihn fest.“
Da trat Sternau herzu und betrachtete den Gefangenen.
„Ja“, sagte er, „es ist ein Comanche; er ist uns gefolgt.“
„Tötet den Hund!“ sagte einer der Apachen.
Da wandte sich Sternau zu dem Sprecher und sagte in scharfem Tone:
„Seit wann sprechen bei den Apachen die Männer ehe der Häuptling gesprochen hat? Wer seine Rede nicht zügeln kann, ist ein Knabe oder ein Weib.“
Da trat der Mann beschämt zurück.
‚Bärenherz‘ stand auch dabei und fragte den Gefangenen.
„Wo hast du deine Gefährten?“
Der Gefangene antwortete nicht. Da versetzte ihm ‚Grizzlytöter‘ einen Hieb in das Gesicht und sagte:
„Wirst du antworten, wenn dich ein Häuptling der Apachen fragt!“
Aber der Mann schwieg. Es versuchten einige, ihn zum Reden zu bringen, aber vergeblich. Da änderte Sternau die Sache, indem er fragte:
„Du bist ein Krieger der Comanchen und antwortest nur dem, der dich als tapferen Krieger behandelt. Wirst du fliehen, wenn ich deine Fesseln löse?“
„Ich bleibe“, antwortete der Mann.
„Wirst du mir antworten?“
„Dem ‚Fürsten des Felsens‘ antworte ich; er ist gerecht und gut; er schlägt keinen Gefangenen, der sich nicht wehren kann.“
Das ging auf ‚Grizzlytöter‘, der sich durch seinen Schlag in dem Comanchen einen Todfeind erworben hatte.
„Wie, du kennst mich?“ fragte Sternau.
„Ich kenne dich und bin dein Gefangener.“
„Du gehörst dem, der dich besiegt hat. Stehe auf!“
Er band den Lasso los; der Gefangene erhob sich vom Boden und machte nicht die geringste Miene, zu entfliehen.
„Bist du allein hier?“ fragte jetzt Sternau.
„Nein“, lautete die Antwort.
„Sind viele bei dir?“
„Nur einer.“
„So seid ihr als Kundschafter gekommen?“
„Ja.“
„Und es kommen sehr viele Krieger hinter euch?“
„Weiter darf ich nichts sagen.“
„Gut, ich werde dich nicht weiter fragen. Also du wirst nicht entfliehen?“
„Ich werde fliehen.“
„Sprechen die Söhne der Comanchen in zwei Zungen? Du versprachst mir doch, zu bleiben.“
„Wenn ich dein Gefangener sein kann. Der Gefangene eines Knaben, der mich schlägt, mag ich nicht bleiben.“
„So müssen wir dich wieder binden.“
„Versucht es!“
Er holte aus und hätte ‚Grizzlytöter‘ mit einem Schlag seiner Faust niedergeworfen, wenn Sternau nicht schneller gewesen wäre. Er faßte den erhobenen Arm des Comanchen mit der Linken und versetzte ihm mit der Rechten einen Hieb an die Schläfe, daß er zusammenbrach; in demselben Augenblick erhob auch ‚Grizzlytöter‘ sein Messer und stieß es dem Niederstürzenden in das Herz.
„Sein Skalp ist mein!“ rief er.
„Ein schlechter Skalp!“ sagte Sternau, indem er sich unwillig abwandte.
‚Grizzlytöter‘ sah ihn betroffen an und fragte:
„Warum soll der Apache nicht den Comanchen töten?“
„Weil er ihn nicht in einem ehrlichen Kampf erlegt hat, soll er den Skalp nicht tragen“, sagte ‚Bärenherz‘. „Der Comanche war bereits betäubt. Warum hast du ihn geschlagen? Ein tapferer Krieger trägt nicht den Skalp dessen, den er entehrt hat.“
Das war eine harte, aber wohlverdiente Zurechtweisung. Der junge Apache wendete sich ab und warf keinen Blick mehr auf die Leiche. Er getraute sich nicht, wieder in die Nähe der Häuptlinge zu treten, die sich jetzt mit halblauter Stimme berieten.
„Wenn heute zwei Kundschafter hier sind, so steht es fest, daß die Comanchen bald nachkommen“, sagte Sternau. „Wir müssen vorsichtig sein. Die zwei haben uns gesehen und sich jedenfalls geteilt. Der eine ist uns gefolgt, und der andere ist nach der Hacienda geeilt, um deren Bewohner zu warnen. Wollen wir sie überfallen, so ist es nötig, vorher zu rekognoszieren. Und das werde ich selbst tun. Die Zurückbleibenden mögen absitzen, um ihre Pferde weiden zu lassen. Sie mögen ein Lager ohne Feuer bilden und Wachen aufstellen. Sie mögen ferner dafür sorgen, daß die Spuren Verdojas nicht zerstört werden.“
Nach dieser Anordnung, und nachdem er sich bei dem mexikanischen Führer nach der Lage der Hacienda erkundigt, schritt er davon. Die schwere, ihn hindernde Büchse ließ er beim Pferd zurück, aber den Henrystutzen warf er über die Schulter.
Es war dunkel geworden, aber als er ungefähr fünf Minuten gegangen war, sah er die Herdenfeuer leuchten. Sie dienten ihm als untrügliche Wegweiser.
Eines dieser Feuer brannte an der Seite eines großen Felsblockes, der mitten in der Ebene lag. Die Flamme war hier gegen den Luftzug geschützt, und fünf bärtige Vaqueros bildeten einen Halbkreis um dieselbe.
Sternaus scharfes Auge erkannte die günstige Gelegenheit, etwas zu erlauschen, sofort. Er schlich sich herbei, und dies wurde ihm nicht schwer. Der nun von der einen Seite erleuchtete Felsen warf nach der entgegengesetzten Richtung einen tiefen Schlagschatten, in dessen Dunkel Sternau vollständig sicher herbeischleichen konnte. Er nahm an dieser Seite des Felsens Posto und konnte nun jedes Wort des Gespräches belauschen.
„Verdammt gefährlich ist's für uns“, sagte jetzt einer der Vaqueros.
„Nicht im mindesten“, antwortete ein anderer.
„So? Wenn die Apachen kommen, über wen fallen sie zuerst her? Über uns.“
„Ich wette mein Leben, daß sie erst gegen Morgen kommen, und dann sind wir nicht mehr da. Wir sollen uns ja bereits um Mitternacht in die Hacienda zurückziehen.“
„Wo mögen sie stecken?“
„Das erfahren wir, sobald der andere Comanche kommt; er ist ihnen nachgegangen. Dieser Rittmeister, der Dragoner, scheint ein tüchtiger Kerl zu sein. Er hat die Hacienda verbarrikadiert, daß sicherlich kein Apache über die Palisaden kommt.
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