Nun war ich wieder in einem dichten, dunkeln Walde, und nachdem ich noch viel gewandert war, geriet ich in eine hohe, geräumige Felsenhöhle – und – was erblickt ich da? Tonnen, hohe, dick mit Goldstücken angefüllt; ich mußte lange, lange hinanklimmen, um den Rand der mächtig hohen Fässer zu erreichen; schwere Goldbarren lagen auf dem Boden, vermischt mit dem köstlichsten Gestein von aller Art und allen Farben. Ich besahe mir alles genau, und verharrte lange in diesem verzauberten Schatzgewölbe. Ich nahm mir vor, mir die Merkmale genau einzuprägen, um die Stelle wiederzufinden, und so verließ ich endlich den dämmernden Felsenkeller. Ich ängstigte mich, ob die stählerne Brücke auch noch da liegen würde. Richtig, sie war nicht verschwunden. So nun wieder den langen Gang hierher – und ich erwache, traurig, daß alles nur ein Traum gewesen ist. Sieh so war dies Gesicht nur eine Fortsetzung unseres Gespräches, die Begier nach Schätzen, die in meiner Armut wohl natürlich und verzeihlich ist. – Aber du sprichst nichts Gottfried? – Du schüttelst den Kopf? Du glaubst mir nicht.‹
– Dieser gute Mann war in seinem poetischen Erstaunen nur darüber verlegen, wie er es seinem Herrn eröffnen solle, daß er ihn selber als Maus aus seinem Körper habe auswandern sehn. Er faßte sich endlich ein Herz und erzählte ganz einfach, was er erlebt hatte. Sie gingen die wenigen Schritte, sprengten mit den Schwertern die Öffnung der Höhle, um sie zu erweitern, und fanden dann wirklich einen unermeßlichen Schatz von Gold und Edelsteinen. Der Herzog blieb als Wächter zurück, der Knappe eilte nach der Stadt, holte Rosse, Geschirre, Wagen und getreue Diener und der Tag verging, ehe man alle Kleinodien aus der Höhle aufgeladen hatte. So wurde dieser burgundische Herr der reichste Fürst seiner Zeit und demütigte alle seine Feinde unter seinem Szepter. Und ich wenigstens habe aus dieser wahren Geschichte soviel gelernt, daß unsere Seele in ihrem natürlichen Zustande eine graue Maus sei.«
»Gesegnet der Mann«, sagte Caporale nachdenkend, »der dich einmal heimführen wird. Ich verlasse euch jetzt, ihr geliebten Weiber, und bitte nur um die Erlaubnis, auch morgen einen Gast herzubringen, der euch, Signora, und auch diese junge Dichterin will kennenlernen. Ihr seid ja Fremden immer gütig und werdet mir meine Bitte nicht versagen.«
»Wollt Ihr nicht«, fragte die Mutter, »Euer Stübchen oben in Besitz nehmen?«
»Nein«, erwiderte jener, »ich darf es diesmal meinem Dornherrn nicht abschlagen, der mich schon mit dem Abendessen erwarten wird.«
Indem hörten sie ein lautes, gewaltsames Klopfen an die äußere Tür. Es war schon finster geworden, und der Diener eilte mit dem Licht hinaus. Verstört und die Kleider in Unordnung stürzte Marcello herein. »Um Gott!« rief die Mutter, »was gibt's? was ist dir?«
»Versteckt mich nur auf einige Tage«, rief der verwilderte Jüngling, »daß mich keiner bei euch findet. Ha! Don Cesare? Nun, der lustige Poet wird mich ja wohl nicht verraten.«
Die Mutter ging im Saale auf und ab und rang, Tränen vergießend, die Hände. Sie hatte ganz ihre Fassung verloren. »Mein Sohn ein Bandit!« schrie sie, »vogelfrei! Wohl ein Preis auf seinen Kopf gesetzt! O Himmel, wodurch habe ich mich so schwer verschuldet, daß ich dies erleben muß. War es doch immer mein stolzer Traum, daß ich, wie die Mutter der Gracchen, in meinen Kindern, um die mich die Welt beneiden müsse, meine höchsten Kleinodien sehn könne.«
»Fackelt nicht lange!« schrie Marcello ungezogen; »diese lieben Söhne der prahlerischen Cornelia wurden auch nachher als Rebellen und Meuterer von andern sehr würdigen und tugendhaften Männern totgeschlagen.«
»Kommt morgen«, sagte der Fremde, »in meinem Wagen mit mir nach Rom. Ihr könnt meinen Diener vorstellen, und in der großen Stadt mögt Ihr Euch viel leichter auf einige Zeit verbergen, bis Ihr nachher mit Sicherheit die Flucht ergreifen könnt. Ich werde Euch morgen mit Tagesanbruch abholen.«
Die gedemütigte Mutter half den Jüngling in einem abgelegenen Gemach, in dem sich ein tiefer Brunnen befand, verbergen. Als am Morgen Don Cesare den Flüchtling abholen wollte, war er verschwunden, und auch Camillo hatte seinen Oheim ohne Abschied verlassen. Man mußte vermuten, daß sich beide mitsammen entfernt hätten. –
Viertes Kapitel
Die Mutter war durch den neuesten Vorfall so erschüttert, daß sie am folgenden Tage lange auf ihrem Lager blieb, und sich erst erhob, nachdem ihr Sohn Flaminio und Vittoria die fremden Gäste schon angenommen hatten. Als sie in den Saal trat, fand sie die Gesellschaft im lebhaften Gespräch. Sie suchte sich zu zerstreuen und spannte sich zu einer erzwungenen Heiterkeit.
Der fremde Mann, welcher mit dem wohlbekannten Dichter gekommen war, schien ohngefähr dreißig Jahr alt zu sein. Er war schlank, groß und wohlgebaut, seine Gebärde edel, das Auge schön und feurig.
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